Zwei Männer mit Helm und Signalweste betrachten das Display eines Notebooks auf einer Baustelle
Digitalisierung

Digitalisierung in der Baubranche: Worauf es jetzt und in Zukunft ankommt

Die Situation in der Baubranche ist durch Lieferkettenengpässe und steigenden Kostendruck geprägt. Die konsequente Digitalisierung zur Lösung bestehender Herausforderungen beitragen, doch der Digitalisierungsschub findet trotz der vielen Vorteile bislang nicht überall statt. Was also tun?

Trotz voller Auftragsbücher ist noch kein wirtschaftliches Wachstum im Wohnungsbau zu erkennen. Auch die Zahl der Beschäftigten in der Baubranche hat trotz der weiterhin steigenden Nachfrage nach Neubauten und modernisiertem Wohnraum kaum zugenommen. Die hohe Nachfrage führt gerade in Traditionsunternehmen zu keiner nachhaltigen Belebung der Bauwirtschaft, denn limitierte Kapazitäten (Fachkräftemangel) und fehlende Baustoffe bremsen die Konjunktur aus.

Die Baubranche steht vor großen Herausforderungen, bei deren Lösung die Digitalisierung eine Schlüsselfunktion einnehmen könnte. Digitalisierung im Bau und im Handwerk sind die Zukunftsthemen der Branche. Dabei lassen sich nach Schätzungen von Branchenkennern durch gezielte Digitalisierung etwa 30 Prozent an Planungskapazitäten einsparen. Sowohl dem Fachkräftemangel als auch steigenden Baukosten ließe sich damit entgegenwirken.

Digitale Prozesse sorgen nicht nur für schnellere Abläufe. In der Regel bringt die Digitalisierung auch eine deutliche Prozessoptimierung und effizientere Abläufe mit sich, die zu einer Verringerung der Fehlerquote bei Planung und Ausführung am Bau führen und dadurch die Qualität steigern und Kosten reduzieren.

Inhaltsverzeichnis

Digitalisierung im Bauwesen: Was bedeutet das?

Auch wenn Bauunternehmen und Architekt:innen in digitalen Lösungen enorme Potenziale sehen, bleibt die praktische Umsetzung dieser Möglichkeiten in den vergangenen Jahren weit hinter den Erwartungen zurück. Studien wie die des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim (2020) und Untersuchungen des Ifo-Instituts in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung zeigen vor allem eines: Die deutsche Baubranche hat die Chancen und Potenziale der Digitalisierung zwar erkannt; konkrete Veränderungen der gewohnten Prozesse finden jedoch kaum statt. Dabei können nahezu alle Bereiche der Baubranche profitieren:
  • Elektronische Ausschreibungen: Die elektronische Abwicklungen von Ausschreibungen ist effizienter und verursacht geringere Kosten. Dazu kommt, dass die EU digitale Ausschreibungen bei öffentlichen Bauprojekten fördert. Im Building Information Modeling (BIM) ist die Prozessdigitalisierung schon integraler Bestandteil und Kriterium bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.
  • Cloud-Lösungen: Mobile Cloud-Lösungen werden für die Baubranche immer wichtiger. Untersuchungen zeigen, dass Bau-Projektmanager:innen bis zu 90% der Arbeitszeit mit Kommunikation verbringen. Noch favorisieren Baufirmen lokal installierte Projektmanagement-Programme auf Desktop-PCs. Cloud- und mobile Lösungen bieten jedoch den Vorteil, dass sie sich unabhängig vom Arbeitsplatz und vernetzt mit Partnern nutzen lassen.
  • Planung und Produktion: Spezialisierte 3D-Drucker können schon jetzt Modelle und Entwürfe eines geplanten Vorhabens dreidimensional ausdrucken und Fertigteile sowie passgenaue Baustoffe produzieren.
  • Mobiles Arbeiten: Internetfähige Tablets, die über das Mobilfunknetz an zentrale Systeme im Unternehmen angebunden sind, ermöglichen die Erfassung und Übermittlung von Aufmaßen in Echtzeit. Außerdem helfen sie bei der Einhaltung gesetzlicher Dokumentationspflichten.
  • Digitale Workflows: Belege, die vor Ort erstellt werden, können mit digitaler Unterstützung ganz einfach eingescannt werden. So liegen sie sofort in der Unternehmenszentrale zur Prüfung vor. Das spart Zeit und sorgt im Rahmen digitaler Dokumenten-Management-Systeme (DMS) für mehr Liquidität bei den beteiligten Betrieben.
  • Prozessoptimierung: Eine große Herausforderung in der Baubranche sind häufig lange Zeitspannen zwischen Angebotserstellung, Ausführung und Rechnungsfreigabe. Das sogenannte Building-Information-Modelling (BIM) kann hier helfen, Mengen und Bauzeiten am Modell weitgehend exakt zu planen. Eine aufwendige Mengenerfassung vor Ort entfällt.
  • Digitale Positionsbestimmung und Telemetriedaten: Gerade bei großen Bauvorhaben kann es vorkommen, dass nicht klar ist, wo sich benötigte Materialien oder Fahrzeuge gerade befinden. Moderne Trackingsysteme wie der Vodafone Utility Vehicle Tracker und der Assets & Products Tracker sorgen hier jederzeit für vollen Durchblick, auch was den Zustand Ihrer Betriebsgüter angeht.
  • Bauausführung: Smarte Roboter können beispielsweise dabei helfen, schweres oder unhandliches Material von A nach B zu bringen, sodass es vor Ort nur noch von einer entsprechenden Fachkraft verbaut werden muss. Das spart Wege, körperliche Belastungen und Arbeitszeit – und somit bares Geld. Langfristig können so Krankenstände sinken und gut ausgebildete Fachkräfte länger im Berufsleben aktiv bleiben.
  • Onlinehandel: Vor allem Baustoffhändler können sich über zusätzlichen Absatz freuen, wenn sie ihre Produkte auch online anbieten – eventuell zusammen mit einem bestimmten Mehrwert, wie beispielsweise einer Einsparberechnung.
  • Mehr Diebstahlsicherheit und Transparenz durch Digitalisierung: Bis heute verlassen sich viele Baufirmen, Verleiher und Logistiker auf das gute alte Vorhängeschloss. Wird dieses über Nacht aufgebrochen, bemerken die Mitarbeiter:innen den Schaden oft erst am Folgetag oder sogar noch später. Digitale Alternativen sorgen für mehr Sicherheit und bieten bessere Transparenz und Kontrolle bei der Sicherung von Wirtschaftsgütern Die Digitalisierung im Bau und der Baubranche trägt so zu deutlich mehr Sicherheit bei.
  • Verbesserung der Logistik: Lieferanten lassen sich sehr einfach in die digitalen Erfassungssysteme einbinden, was sowohl für die Bestellungen als auch im Bereich der Abrechnungs- und Qualitätsprozesse Vorteile und Zeitersparnis bringt.
  • Kundenbindung und Akquise: Im Anschluss an Bauprojekte entstehen häufig längere Geschäftspausen. After-Sales-Tools helfen, die langfristige Kundenbindung zu stärken und Kunden Mehrwert und Service zu bieten.

Die sechs großen Herausforderungen der Baubranche

Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) sieht in der Digitalisierung den Megatrend des 21. Jahrhunderts. Die Digitalisierung im Bauwesen ist eine der großen Herausforderung. Und so hat der Verband sechs zentrale Anforderungen identifiziert, ohne die eine erfolgreiche Implementierung digitaler Anwendungen in Unternehmen nicht erfolgreich sein kann. So soll die Digitalisierung im Bau Fahrt aufnehmen:
  1. Infrastruktur: Die Grundlage jeglicher Digitalisierung ist ein bundesweites, lückenloses und leistungsfähiges Breitbandnetz. Die meisten digitalen Tools und Applikationen sind wertlos, wenn Baustellen oder Planungsbüros in einem Funkloch liegen.
  2. Unternehmen: Im Unternehmen müssen ein breites Interesse an und aktive Unterstützung für die notwendigen Prozessänderungen vorhanden sein. Je mehr Bauunternehmen digital kompetent sind, desto mehr Nutzen bringen digitale Anwendungen den Projektpartnern.
  3. Bauherrenkompetenz: Es bedarf bundesweit einheitlicher Richtlinien und Standards für öffentliche Auftraggeber. Für ein Bauunternehmen sollten sich Abläufe und Technologie nicht ändern, wenn beispielsweise der kommunale Bauträger wechselt. Gleiches gilt für die E-Vergabe. Aktuell müssen Unternehmen noch auf unterschiedlichen Plattformen agieren, wenn es um Aufträge für Bund, Länder oder Kommunen geht. In der Normung braucht es nach Ansicht der Verbandes Vertreter des öffentlichen Bauwesens, um die Besetzung der Normungsgremien zu verstärken und deutsche Positionen auf europäischer und internationaler Ebene durchsetzen zu können. Die Unternehmer:innen allein sieht der Verband mit der Gremienarbeit zeitlich und finanziell überfordert.
  4. Schnittstellen: Zur Umsetzung der Digitalisierungsstrategie bedarf es einheitlicher Schnittstellen. Das gilt nicht nur für die Zusammenarbeit der verschiedenen Projektbeteiligten in einem BIM-Projekt, sondern auch für das reibungslose Miteinander der angebundenen Systeme wie beispielsweise Software zur Technischen Gebäudeausrüstung (TGA), Architektursoftware oder Bausoftware.
  5. Politische Flankierung: Bei zunehmender Nutzung von IT-Anwendungen und BIM muss die bewährte Trennung von Planen und Bauen beibehalten werden. Sie stellt kein Hindernis bei der Digitalisierung der Wertschöpfungskette dar, schützt aber den Wettbewerb. Ebenso fördert es den Wettbewerb, dass in Deutschland grundsätzlich herstellerneutral ausgeschrieben wird. Dazu bedarf es Rechtssicherheit, wer was mit den Daten tun darf und wer wofür haftet.
  6. Fachkräfte: Aktuell fehlt es an Fachkräften im Baugewerbe, um Digitalisierungsprozesse  umsetzen zu können. In den Meisterkursen müssen digitale Themen stärkeren Eingang finden. Der oder die angehende Unternehmer:in muss wissen, welche Möglichkeiten es in dem jeweiligen Gewerk gibt und wie Digitalisierungsprojekte mit den Mitarbeiter:innen umgesetzt werden können. Hier sieht der ZDB noch deutlichen Verbesserungs- und Nachholbedarf.
Die sechs Herausforderungen der Baubranche als Themenbox um einen Planungstisch mit Bauteam gruppiert.
Die Baubranche sieht sich bei Projekten mit sechs großen Herausforderungen konfrontiert.

Warten auf den digitalen Bau 4.0

Einen Ausweg aus der ungewollten Stagnation sehen viele in dem, was unter Bau 4.0 als Zukunftsperspektive verstanden wird. In Anlehnung an die Vision der Industrie 4.0 steht Bau 4.0 für das Ziel, über Mittel der Digitalisierung und Automatisierung die Produktivität im Bausektor zu steigern. Der Einsatz der damit verknüpften Technologien scheitert jedoch häufig an den notwendigen Anfangsinvestitionen.
Angesichts geringer Margen scheuen viele Bauträger das Investitionsrisiko, da sich die Kostenvorteile im Vorfeld nur schwer konkret beziffern lassen. Dabei hat die Digitalisierung handfeste Vorteile, die weit über das papierlose Büro hinausgehen.
Zu der – derzeit – geringen Marge im Baubereich gesellt sich ein zunehmender Baustoffmangel. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Angeheizt durch Rohstoffmangel und Spekulationen am Terminmarkt sind Preisverschiebungen, Lieferverzögerungen und Kurzarbeit die direkte Folge.
Als weitere Ursache nennen Expert:innen häufig den Einfluss von Naturereignissen wie die Waldbrände in den USA und Australien im Jahr 2021. Diese haben zwar nicht zu einer Verknappung von Bauholz geführt, beeinflussen aber dennoch das Preisgefüge auf dem Weltmarkt. Die Coronakrise mit Kurzarbeit und anderen Folgeerscheinungen sowie die explodierenden Rohölpreise sind weitere Faktoren, die wohl auch in Zukunft das Baugewerbe belasten und Gewinne schmälern.
Dazu kommen Störungen in der Welthandelskette und eine Neuausrichtung im Bereich Energieversorgung, die alle Erzeugerländer betrifft. Explodierende Preise für Containerfracht und ein zunehmend volatiler chinesischer Markt sind weitere Faktoren, die eine langfristige Kalkulation von Preisen im Bau und Baustoffsektor erschweren. Eine Automatisierung und Verschlankung von Prozessen ist daher notwendiger denn je.
Auch wenn die IT-Branchen bei der Digitalisierung eine Vorreiterrolle eingenommen haben, ziehen auch andere traditionelle Bereiche wie beispielsweise das Handwerk nach. Von der Digitalisierung profitieren branchenübergreifend alle Unternehmen, denen es gelingt, Arbeitsprozesse zu optimieren und voll- oder teilautomatisiert abzuwickeln. Dies ermöglicht es, Zeit und Arbeit einzusparen und diese in wertschöpfende Aufgaben zu investieren.

Die vier Hebel der digitalen Transformation

Dabei könnte die Digitalisierung erheblich zur Erhöhung der Margen im Bausektor beitragen. Die Unternehmensberatung Roland Berger identifiziert vier Aspekte als Digitalisierungsmotor für die der Bauwirtschaft:
  • die Erhebung und Verarbeitung digitaler Daten
  • mobiler Zugriff auf das Internet und interne Netze
  • die Vernetzung und Synchronisation bisher getrennter Aktivitäten
  • der Einsatz von autonomen und sich selbst organisierenden Systemen
Ein Anfang zur Umsetzung dieser Transformationshebel ist gemacht. In vielen Bereichen gibt es ausreichend Angebote und Lösungen, die nur auf ihren Einsatz warten: zum Beispiel Cloud Computing, Virtual Reality beziehungsweise Augmented Reality, Building-Information-Modeling (BIM), Internet der Dinge (IoT), 3D-Druck und autonom agierende Maschinen.

BIM-Technologie, KI und mehr

Bei der herkömmlichen Gebäudeplanung haben sich die traditionellen Verfahren seit Generationen kaum verändert. Papier ist bis heute ein sehr beliebter "Datenträger" und händische Aufzeichnungen halten sich häufig hartnäckig als Mittel der Wahl. Diese bieten jede Menge Spielraum für Interpretationen, Missverständnisse und Fehler. Moderne Planungssoftware hat es nach wie vor schwer, Papier und Bleistift zu verdrängen.

Building-Information-Modeling (BIM) als Hoffnungsträger

Schlanker, schneller, besser, unbürokratischer – so stellen sich viele Expert:innen die Bauplanung der Zukunft vor. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Prozesse und Planungen digitalisiert werden. Das sogenannte Lean-Construction-Management beschäftigt sich in erster Linie mit prozessorientierten Baustellenabläufen.
Damit das funktioniert, wurde Building-Information-Modeling als zentrales Element einer zukunftsorientierten Baubranche geschaffen. BIM ist für sämtliche Aspekte von Bauprojekten aller Art geeignet. Anders als bisher lassen sich so formelle und regelbasierte Geometrien und Gebäudeanforderungen abbilden, damit eine digitale Erfassung, Prüfung und Genehmigung ganzheitlich erfolgen kann.
Die Entwicklung eines BIM-basierten Bauantrages beispielsweise bringt enorme Vorteile, ist aber hinsichtlich der Bearbeitungszeit und notwendigen Kommunikation für alle Beteiligten eine Herausforderung. Viele Branchen werden sich im Rahmen dieser Entwicklung nachhaltig verändern.
Acht Symbole von Häusern, von denen aus Pfeile auf ein rotes BIM-Symbol zeigen
Builiding-Information-Modeling als Bauplanungsmodell der Zukunft

Digitalisierung der Baubranche: Möglichkeiten in der Praxis und der Bau 4.0

Eine Baustelle, die ohne technische Hilfsmittel auskommt, ist undenkbar. Schon heute ergänzen die digitalen Lösungen traditionelles Werkzeug und Maschinen.

Bauen 4.0: Robotik und autonome Systeme für mehr Sicherheit

Robotik, selbstständig agierende Fahrzeuge und autonome Systeme sorgen auf der Baustelle für optimale Abläufe. Viele Prozesse lassen sich damit schneller und mit größerer Genauigkeit ausführen, als es mit herkömmlichen Methoden möglich ist. Bei sich wiederholenden Tätigkeiten bietet es sich besonders an, auf automatisierte Lösungen im Sinne einer Smart Factory zu setzen.
Roboter werden nicht müde und lassen sich in Gefahrenzonen einsetzen. Im Ergebnis führt das beim Bau zu höherer Arbeitssicherheit, geringeren Personalkosten und einem schnelleren Abschluss bestimmter Projektphasen. Der Einsatz solcher robotergestützter Arbeitsanteile hilft auch bei der Bewältigung des allgegenwärtigen Mangels an Arbeitskräften.
Auch Module, die verschiedene Baustellenkomponenten und -bereiche per IoT verbinden, vereinfachen Arbeiten und andere Maßnahmen. Dazu können etwas Sensoren an Bauzäunen gehören, um die Baustelle zu überwachen. Entsprechende Module und Prototypen sind bereits erhältlich.

Ganze Häuser oder Hausteile aus dem 3D-Drucker

Wo früher 3D-Drucker vorwiegend für Modelle und zum Erstellen von Prototypen verwendet wurden, kommen inzwischen zunehmend Drucksysteme zur Produktion von Fertigteilen oder kompletten Rohbauten zum Einsatz. Erste Anbieter liefern Einfamilienhäuser aus Beton, die durch riesige 3D-Drucker direkt an der Baustelle entstehen. Eine Druckdüse spritzt dabei schichtweise Betonlinien und zieht so die Wände hoch.
Aktuell halten sich die Herstellungspreise für solche "gedruckten" Rohbauten im Vergleich mit herkömmlichen Verfahren die Waage. Das liegt in erster Linie an den hohen Anschaffungs- beziehungsweise Betriebskosten für die Drucker. Mit zunehmender Verbreitung dürften die Preise dafür sinken, wobei die Materialersparnis durch optimierten und verlustfreien Einsatz von Beton beim 3D-Druck zusätzliche Kostenvorteile verspricht.

Online-Shopping gegen Lieferengpässe

Die Lieferengpässe in der Baubranche führen dazu, dass Baustoffhändler Produkte immer häufiger online anbieten. Der Marktführer Baustoffshop.de verzeichnete 2021 als Gemeinschaftsplattform unterschiedlicher Baustoffhändler zweistellige Zuwachsraten. Zwar bleiben auch diese Plattformen nicht von Lieferengpässen verschont, aber durch den Zusammenschluss mehrerer Lieferanten lassen sich Lieferschwierigkeiten besser ausgleichen.

Digitalisierung am Bau in der Praxis: Herr Schulz und das Unterlagenproblem

Aus heutiger Sicht wirkt unser Beispiel des Herrn Schulz, der in einem traditionellen Bauunternehmen arbeitet, fast schon antiquiert. Es zeigt aber eindrucksvoll, welche Vorteile sich durch den Einsatz digitaler Tools und Prozesse erzielen lassen:
Herr Schulz arbeitet für ein Bauunternehmen. Er möchte zu einem Termin auf die Baustelle zu fahren. Von seinem Schreibtisch nimmt er die notwendigen Unterlagen mit und steigt in den Firmen-Pkw, den er auch privat nutzen darf. Kurz nachdem er losgefahren ist, stellt eine Kollegin fest, dass er einige Unterlagen vergessen hat. Sie ruft Herrn Schulz auf seinem Handy an und informiert ihn darüber. Herr Schulz fährt also zurück, um die Unterlagen zu holen. Während Herr Schulz zu seinem Schreibtisch eilt, wird er von seiner Kollegin daran erinnert, das Fahrtenbuch abzuschließen und der Buchhaltung zu bringen. Ebenso fehlen noch Angaben zum Erstellen einer Rechnung für ein anderes abgeschlossenes Projekt. Sichtlich gestresst steigt Herr Schulz wieder in sein Auto. Während der Fahrt versucht der Bauherr, ihn im Büro zu erreichen, um ihm mitzuteilen, dass dieser sich um ein paar Minuten verspätet. Die Sekretärin, die das Gespräch in seiner Abwesenheit angenommen hat, ruft den Mitarbeiter auf seinem Handy an, um ihn darüber in Kenntnis zu setzen.

Die Lösung: Digitale Akten und Unterlagen

Vergessene Unterlagen sind heute kein Problem mehr:  Dank digitalisierter Akten in Verbindung mit Dokumenten-Management-Systemen (DMS) bzw. Enterprise-Content-Management-Systemen (EMS) ist der Zugriff auf Daten immer und von überall aus möglich. Zahlreiche Anbieter liefern Lösungen, welche digitalisierte Unterlagen auch über das Smartphone oder das Tablet jederzeit abrufbar machen. Das physische Mitführen von Papieren entfällt dadurch weitgehend.
Gleiches gilt prinzipiell auch für Baupläne oder andere Unterlagen, die vor Ort zum Beispiel über ein Tablett oder einen Laptop aufgerufen werden können. Einige DMS/EMS bieten darüber hinaus Schnittstellen zu Diensten wie Microsoft 365 oder SharePoint, mit denen im Kontext von Kollaborationslösungen weitere Optionen für digitale Prozesse entwickelt werden können.
Durch den Einsatz eines DMS-/EMS-Systems muss Herr Schulz die Unterlagen nicht händisch zusammensuchen oder gar umkehren, wenn er einen Teil von ihnen im Büro vergessen hat. Er hat alles digital abrufbar auf seinem Handy, Tablet oder Laptop dabei.

Weiterer Vorteil: Digitale Zusammenarbeit und Abstimmung

Betriebsinterne Prozesse, die abseits der BIM-Struktur abgebildet werden müssen, lassen sich durch moderne Kollaborationslösungen stark vereinfachen. Planungen, Projekte, Termine, Aufgabenüberwachungen, Informationsaustausch – jederzeit und überall anwendbar. Egal ob mit Laptop, Smartphone oder Tablet: Gemeinsames Teilen oder die zeitgleiche Zusammenarbeit an einem Dokument, egal von wo oder mit welchem Gerät. Mit Blick auf New Work  und das verstärkte mobile Arbeiten oder Homeoffice ist dies wichtiger denn je.
Durch kurze Abstimmung in organisierten Gruppen (beispielsweise via Slack oder Teamwire) sowie die Übermittlung des aktuellen Aufenthaltsorts wissen alle Mitarbeitenden sofort über den Status der Kolleg:innen und des Projekts Bescheid. Alle beteiligten Kolleg:innen können außerdem die zentral gespeicherten Dokumente und Informationen gleichzeitig bearbeiten, ohne dass Informationen verloren gehen können. Das aufwendige Verteilen sowie Hin- und Herschicken von relevanten Dokumenten und Informationen entfällt und vereinfacht dadurch die Abstimmung und die tägliche Zusammenarbeit.
Ein routinierter Blick in die betriebsinterne Kollaborationslösung zeigt Herrn Schulz seine persönlichen To-dos.

Digitale Lösungen, die den Alltag erleichtern – das digitale Fahrtenbuch

Abrechnungs- und/oder steuerrechtliche Nebenschauplätze, wie beispielsweise das Fahrtenbuch, lassen sich über sehr einfache, voll digitale Lösungen optimieren. Das bedeutet, niemand muss mehr einen Kugelschreiber in die Hand nehmen oder darauf achten, den Kilometerstand des Fahrzeugs richtig abzulesen. Das Ganze funktioniert automatisiert und Finanzamt-konform über entsprechende Apps, die sich mit dem Fahrzeug verbinden. Die Mitarbeiter:innen erfassen ihre Fahrten mit dieser App und können sie ganz einfach als privat oder dienstlich deklarieren. Gleichzeitig kann die Buchhaltung im Büro die Fahrtenbücher mit nur wenigen Klicks Finanzamt-konform ausgeben lassen.
Herr Schulz braucht nichts weiter zu tun, als die Fahrt bei Fahrtantritt über eine App zu dokumentieren. Nach der Ankunft kennzeichnet er die Fahrt als dienstlich oder privat und schließt den Vorgang digital ab. Kilometerstände, Datum, Uhrzeit und weitere Daten werden automatisch ermittelt. Und über eine Weboberfläche holt sich die Buchhaltung die entsprechenden Infos, fertig aufbereitet für das Finanzamt.

Kollaboration und Telekommunikation zusammenführen

Verschiedene moderne Telekommunikationslösungen werden inzwischen auf einer Plattform zusammengefasst. Die klassische Trennung zwischen Mobilfunk und Festnetz wird dabei aufgehoben. Dabei ist es unerheblich, mit welchem Gerät die Anwender:innen arbeiten möchten: Tischtelefon, Smartphone, Laptop oder Tablet. Funktionen wie zum Beispiel Web- und/oder Video-Conferencing sowie Messaging erweitern die Möglichkeiten. Es ist nicht mehr notwendig, unterschiedliche Anwendungen aufzurufen – alles findet auf einer Plattform statt. Das hat auch den Vorteil, dass potenziell unsichere Apps wie WhatsApp außen vor bleiben können.
Die verschiedenen Anbieter verfolgen meist das gleiche Prinzip: Erreichbarkeit über eine Rufnummer auf einem ausgewählten Gerät. Ergänzt um eine Anwendung, die zusätzliche Funktionen und Statusinformationen der Kollegen:innen liefert. Die Möglichkeiten der intelligenten Anrufsteuerung runden das Ganze ab.
So wird im Arbeitsalltag sichergestellt, dass alle Mitarbeiter:innen trotz unterschiedlicher Einsatzorte gemeinsam arbeiten können – egal ob aus dem Homeoffice, aus der Filiale heraus oder auf Reisen.
Herr Schulz ist ständig über seine Festnetznummer beziehungsweise Durchwahl erreichbar. Egal ob er gerade im Büro ist oder unterwegs. Ein interner Anruf bleibt ein interner Anruf. Sollte er beispielsweise während seines Termins nicht gestört werden wollen, kann er über sein Smartphone eine Umleitung auf eine:n Kolleg:in oder auf eine Mailbox aktivieren.

Das Thema Cloud – und warum sie sicher ist

Cloud-Lösungen werden in Rechenzentren zur Verfügung gestellt. Das bedeutet, dass diese als eine Software-Lösung auf einem physischen Server in einem physischen Rechenzentrum gespeichert sind beziehungsweise laufen. Rechenzentren wiederum unterliegen internationalen und europäischen sowie deutschen Normen (beispielsweise DIN EN 50600, ISO 27001, TIA942) und müssen daher entsprechende Standards erfüllen. Diese umfassen unter anderem die folgenden Bereiche:
  • Standortwahl (Hochwasserschutz, keine Einflugschneise, geringe Kriminalitätsrate und so weiter)
  • Stromversorgung
  • Klimaanlagen
  • Brandschutz
  • Gebäudesicherheit wie Einbruch- und Diebstahlsicherung beziehungsweise Zugangssicherung
  • Akkreditierungsverfahren
  • Wachpersonal
  • hochverfügbare Internetanbindungen
  • Sicherheitsmaßnahmen gegen Zugriff von außen, DDoS Attacken und vieles mehr
Wenn man diese Sicherheitsstandards mit den üblichen Serverräumen des Mittelstands vergleicht, fällt es schwer zu glauben, dass die Daten im eigenen Unternehmen sicherer sein sollen als in einem deutschen Rechenzentrum, sprich in der Cloud. Auch das Schaffen oder Anpassen eigener IT-Sicherheitsrichtlinien wird in Unternehmen häufig außer Acht gelassen. Dabei lässt sich nur so dem unbefugten Zugriff auf Daten durch die eigenen Mitarbeiter:innen vorbeugen.
Das ist einer der Gründe, warum der meiste Datendiebstahl und die meisten Fälle von Industriespionage "aus dem Inneren" heraus erfolgen: durch zu einfache Passwörter, durch fehlende Zwei-Faktor-Authentifizierung, durch Phishing-E-Mails, Keylogger usw.
Einziges Manko beim Thema Cloud: Eine solche Lösung ersetzt in puncto Back-up nicht die bekannte "3-2-1 Regel" (3 Datenkopien, 2 Medien, 1 externes Back-up). Hier lassen sich jedoch mit wenig Aufwand regelmäßige lokale Daten-Back-ups oder Sicherungen in einem Cloud-System eines anderen Anbieters erstellen.
Junger Mann telefoniert am Schreibtisch

Unified Endpoint Management (UEM)

Machen Sie Ihr Unternehmen sicherer und verwalten Sie alle Geräte ganz einfach über ein zentrales Online-Portal. Ob Computer, Mobile Devices oder IoT-Hardware: Sie können Daten und Apps aus der Ferne aufspielen und verlorene oder gestohlene Geräte ganz einfach löschen.

  • Zentrale Geräteverwaltung
  • Besserer Datenschutz
  • Individuelle Konfiguration

Kostensenkung und Sicherheitsfaktoren in der Praxis

Produktionsdaten von unterschiedlichen Partnern sollen sicher zur Verfügung stehen? Hier können Cloud-Services eine Alternative zu teuren Investitionen in Hardware und Netzwerkinfrastruktur sein. Nicht zuletzt lassen sich so die Personalkosten für Wartung und Service von IT-Systemen niedrig halten. Ein weiteres Argument ist die Sicherheit der cloudbasierten Systeme. Wichtige Aspekte dabei sind:
  • Server- und Netzwerksicherheit
  • Sicherheit von Daten und Anwendungen
  • sicheres Identitäts- und Zugriffsmanagement (IAM)
  • Sicherheit der Hardware (Rechenzentrum, Server, Netzwerkinfrastruktur)
  • hohe Verfügbarkeit der bereitgestellten Services
Nach einer Studie der finnischen Aalto-Universität helfen cloudbasierte Lösungen Architekt:innen, Designer:innen, Auftragnehmer:innen und Facharbeiter:innen, die Produktivität und Rentabilität bei Bauvorhaben zu steigern. Allerdings gibt es nach Meinung der Forschenden immer noch Hürden bei der Einführung von Cloud-Technologien im Baugewerbe: etwa mangelnde Ressourcen und ein Festhalten an eingeführten Prozessen . Doch aufhalten lässt sich der Trend zu cloudbasierten Lösungen angesichts der zunehmenden Datenmenge nicht.

Verwaltung mobiler Endgeräte

Wenn es um Sicherheitsrichtlinien geht, dürfen mobile Endgeräte nicht außen vor bleiben. Laptops werden beispielsweise durch hauseigene IT-Sicherheitsrichtlinen und Verfahren wie die Benutzerauthentifizierung, gesicherte VPN-Anbindungen und andere Maßnahmen gesichert.
Bei Smartphones, die gegebenenfalls auch privat genutzt werden dürfen, wird dies oft vernachlässigt. Dabei gibt es zahlreiche einfache Lösungen, die die Verwaltung von unternehmenseigenen Smartphones nach einer gemeinsamen Sicherheitsrichtlinie ermöglichen – auch wenn die Handys zusätzlich zum Privatgebrauch freigegeben sind.
Eine Trennung von privaten und geschäftlichen Umgebungen auf einem Smartphone ist somit zeitgemäß. WhatsApp und vergleichbare Anwendungen gehören nicht in ein geschäftliches Umfeld, allein aus Sicherheitsgründen. Hier gibt es jede Menge Messenger-Alternativen und interessante Collaboration-Tools für den geschäftlichen Alltag.

Telemetrie zur Überwachung, Steuerung und Erfassung

Die digitale Positionsbestimmung und die Telemetriedatenauswertung sind nur zwei Beispiele für Verfahren, bei denen Daten in großer Menge anfallen und die von modernen Baustellen kaum wegzudenken sind. Trackingsysteme wie der Vodafone Utility Vehicle- oder der Assets & Products-Tracker sorgen für Zugriffskontrolle und informieren über den Zustand von Betriebsgütern.
Die Dokumentation im Bauwesen ist ein weiterer Bereich, bei dem massenhaft Daten anfallen und zu verarbeiten sind. Die rein fotografische Erfassung von Ist-Zuständen reicht hierfür schon lange nicht mehr aus. An die Stelle simpler Fotos oder sogar 3D-Aufnahmen sind inzwischen komplexe mobile Erfassungssysteme getreten, deren Daten die Basis für Rekonstruktionen, Umbauarbeiten oder Sanierungstätigkeiten bilden. Sie liefern außerdem die Datengrundlage für notwendige Bauabnahmen durch den teilautomatisierten Vergleich von Soll- und Ist-Zuständen.

Chancen der digitalen Transformation

Die Chancen der digitalen Transformation im Bau bleiben aktuell nicht wegen technischen Herausforderungen, sondern in erster Linie aufgrund von mangelndem Investitions- und Umsetzungswillen ungenutzt. Auf der anderen Seite zwingen steigende Rohstoffpreise, höhere Zinsen für Baukredite und der Wegfall von Subventionen zum Handeln. Die Digitalisierung bietet Spielraum für Kostensenkungen, zu denen es in der Baubranche kaum eine Alternative gibt.
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