Die automatisierte Produktion von Autos durch Roboter
IoT

Smart Factory: Die Fabrik der Zukunft

Die Smart Factory steht für die Vision einer intelligenten Fabrik, deren Produktion vollständig vernetzt ist. Sie arbeitet ressourcenschonender, ist agiler und geht schneller auf Anforderungen des Marktes und Wünsche der Kund:innen ein. Produktionsprozesse laufen weitgehend autark von menschlichen Eingriffen ab. Die smarte Vernetzung aller Unternehmensbereiche und die daraus resultierende hohe Flexibilität in der Smart Factory bilden den Kern der Industrie 4.0.

Moderne Produktion weitergedacht: In der Smart Factory kommunizieren alle Instanzen entlang der Produktionskette miteinander. Dazu gehören die Produktionsanlagen und Roboter, aber auch Transportsysteme und Bauteile. Durch die komplette Vernetzung sämtlicher Teilbereiche organisiert sich die Smart Factory idealerweise von selbst.

In der Praxis ergeben sich verschiedene Ansatzpunkte, um die Fertigung tatsächlich smart zu machen – dafür sind bestimmte technische und organisatorische Voraussetzungen notwendig. Was eine Smart Factory genau ist, welche ihrer Bestandteile wie zusammenarbeiten und welche Effizienzgewinne durch vernetzte Industrieprozesse möglich sind, erfahren Sie hier.

Inhaltsverzeichnis

Definition: So funktioniert die Smart Factory

Der Begriff "Smart Factory" bedeutet wörtlich übersetzt "schlaue Fabrik". Produktionsprozesse mussten zwar schon immer gut organisiert sein, um möglichst effizient und profitabel zu sein. Dies begann historisch bereits in der Aufsplittung von Produktionsabläufen in Manufakturen, setzte sich in der Industrialisierung mit ihren Maschinen fort und kulminierte in automatisierten Produktionsabläufen der Gegenwart.
Dreh- und Angelpunkt der Produktionsumgebung war jedoch vor allem der Mensch und dessen Arbeitskraft. Menschen führten bisher alle Produktionsschritte aus und überwachten und koordinierten diese miteinander.
Wenn die Automatisierung vollständig automatisiert ist, ändert sich dies: Sämtliche Anlagen, Prozesse und Produkte sind in der Smart Factory oder der Fabrik der Zukunft durch das Industrial Internet of Things (IIoT) hierfür miteinander verbunden. Die Smart Factory organisiert sich grundlegend selbst, indem Produktionsanlagen und Produkte (sogenannte Smart Objects) sowie Fertigungsanlagen und Logistiksysteme permanent Daten austauschen. Der Mensch muss diese Abläufe lediglich aus der Ferne überwachen, um Fehler zu beheben oder Optimierungen vorzunehmen.
Die intelligente Fabrik endet nicht mit der Fertigung ihrer Produkte. Auch die durchgängige Vernetzung und Kommunikation mit anderen Unternehmensbereichen sowie mit Zulieferer:innen und Kund:innen wird durch die Smart Factory möglich. Dies beginnt bei der Auftragsannahme und erstreckt sich bis hin zu der Lagerlogistik, Auslieferung und dem Einsatz bei den Kund:innen. So greifen beispielsweise Techniker:innen im Wartungseinsatz auf Messdaten zurück, die bei der Herstellung des Produktes in der Smart Factory entstanden sind.

Was macht eine Smart Factory aus?

Die Grundlage für die Vernetzung in der Smart Factory bilden sogenannte Cyber-Physical-Systems (CPS). Ein CPS verbinden IT-Komponenten und Software mit mechanischen und elektronischen Systemen. Diese können nicht nur Daten untereinander austauschen, sondern steuern und kontrollieren auch die Infrastruktur des gesamten Produktionsprozesses.
Im Gegensatz zur manuellen Erfassung und Eingabe von Befehlen entfallen in der Smart Factory Verzögerungen während des Produktionsablaufs: Analyse, Befehlsübertragung und Steuerung von stationären und mobilen Systemen erfolgen in Echtzeit über das Industrial Internet of Things (IIoT).
Produkte oder deren Bauteile werden im Fertigungsprozess via "Radio Frequency Identification" (RFID oder Bluetooth angesteuert. CPS stellen eine Kernkomponente der Smart Factory innerhalb der  dar, da sie sich anpassen können und Produktionsabläufe für alle Bereiche und Branchen individualisieren.
Einsatz von Anwendungen für die Industrie 4.0
Was bedeutet Smart Factory für deutsche Industrieunternehmen? Immer mehr Firmen setzen Anwendungen der Industrie 4.0 ein oder planen, dies zu tun. (Quelle: Statista)
Um die ordnungsgemäße Digitalisierung der Fertigungsabläufe und die beschriebene Kommunikation der Komponenten sicherzustellen, sind allerdings einige technische Voraussetzungen für die Realisierung einer Smart Factory nötig:
  • State-of-the-Art-Informationstechnik zur Etablierung des Industrial Internet of Things (u.a. Sensoren, Prozessoren, Funktechnik, ggf. ein Campusnetz und Edge-Computing)
  • Cyber-Physical-Systems (CPS)
  • RFID-Chips, Bluetooth oder WLAN zur drahtlosen Kommunikation
  • ein leistungsfähiges Gesamt-Datennetz (zum Beispiel mit 5G)
  • Technologien zur Erfassung von Big Data
  • Cloud-Computing-Services
  • Überwachungs- und Steuerungssysteme (Embedded Systems)
Ein Fertigungsroboter in Aktion

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Welche Rolle spielt der Mensch in Smart Factories?

Durch die Etablierung der Smart Factory wandelt sich auch die Rolle des Menschen. Wenn Produktionsprozesse weitgehend automatisiert ablaufen, reduzieren sich viele monotone Aufgaben, die vorher Menschen übernahmen.
Aber auch in der Industrie 4.0 spielen die Mitarbeiter:innen weiter die entscheidende Rolle: Digitalisierte und selbststeuernde Abläufe benötigen nach wie vor Kontrolle; gleichzeitig nehmen Mitarbeiter:innen in der Produktion Fehlerdiagnosen und Optimierungen vor.
Daneben obliegt Entwickler:innen das grundlegende Design der Smart Factory. Sie entwickeln, überwachen und optimieren sowohl die zu automatisierenden Fertigungsabläufe, als auch die Vernetzung mit anderen Unternehmensbereichen sowie externen Systemen.
Diese Tätigkeiten finden jedoch künftig immer weniger "on site" statt, sondern verlagern sich in den virtuellen Raum. Der Zugriff auf sämtliche Produktionskomponenten und externe Schnittstellen via Augmented Reality,beispielsweise mittels einer Virtual-Reality-Brille, reduziert den physischen Kontakt deutlich. Eine Vor-Ort-Wartung wird allenfalls bei mechanischen oder hardwareseitigen Problemen notwendig. Ein weiterer Vorteil: Techniker:innen können mehrere Produktionsstandorte zeitgleich betreuen, ohne bei Problemen oder Produktionsausfällen erst dorthin kommen zu müssen.
Ein Mann sitzt mit Tablet im Gewächshaus

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Anwendung für die Smart Factory: Der Digital Twin

Bereits bei der Planung von Produktionsprozessen arbeitet die Smart Factory mit digitalen Modellen. Alle Fertigungsschritte werden zuerst mithilfe digitaler Zwillinge (Digital Twin) der später herzustellenden Produkte simuliert.
Ein Digital Twin umfasst nicht nur das fertige Produkt und die zu seiner Herstellung benötigten Verfahren, sondern berücksichtigt und protokolliert auch dessen kompletten Lebenszyklus von der Anlieferung der zu seiner Herstellung benötigten Rohstoffe und Vorprodukte bis hin zum Verkauf und dem Einsatz bei den Kund:innen.
Alle im Verlauf dieses Lebenszyklus anfallenden Informationen, beispielsweise Rückmeldungen der Kund:innen und Erfahrungen von Wartungs:technikerinnen fließen über den Digital Twin fortlaufend in die Produktverbesserung in der Smart Factory ein.
Geschäftsmann telefoniert mit Smartphone

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Ein Digital Twin ermöglicht Unternehmen konkret:
  • Monitoring-Funktion zur Fehleranalyse via Virtual Reality (unter möglicher Einbeziehung externer Sachverständiger)
  • Bessere Planbarkeit und Zukunftsprognosen hinsichtlich neuer oder veränderter Produktionsabläufe
  • Reduktion von Verzögerungen und Optimierung von Workflows zur Effizienz- und Qualitätssteigerung
  • Simulation und Überwachung des Ressourcenverbrauchs
  • Individuelle Anpassungen von Produktionsprozessen in Koordination mit externen Partner:innen und Kund:innen
  • Schulungsinstrument für Mitarbeiter:innen

Was bedeutet Smart Factory in Verbindung mit Digital Twin?

Beispiel: In einer Autofabrik simuliert ein Digital Twin den Wareneingang durch einen Zulieferer von Komponenten für die Karosserie. Die verwendeten Rohstoffe, deren Weiterverarbeitung an verschiedenen Stationen des Produktionswegs und am Ende deren Integration durch mit Sensoren ausgestattete Roboter in das fertige Fahrzeug werden mit sämtlichen Daten erfasst.
Wie lange haben Abläufe gedauert? Wo kam es zu Verzögerungen oder Fehlern? Wie verändert sich die Stückzahl verbauter Einheiten und deren Zeitvolumen? Aus der Vielzahl der gesammelten Daten heraus lässt sich der komplette Produktionsweg analysieren und optimieren, um dessen Effizienz und damit die Rentabilität zu erhöhen.
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Quelle: YouTube / PlusServer GmbH

Die Fabrik der Zukunft und die Cloud

Eine Smart Factory erfasst in jeder Sekunde eine Vielzahl von Daten. Sämtliche Maschinen und Komponenten senden permanent Informationen. Ein System zum so genannten Enterprise-Ressource-Planning (ERP) bündelt diese und verarbeitet sie weiter. Diese Daten müssen an einem Ort für alle am Wertschöpfungsprozess beteiligten Personen zugänglich sein – und gleichzeitig sicher vor unbefugtem Zugriff.
Der klassische Weg für Unternehmen ist es, ihre ERP-Systeme (beispielsweise auf SAP-Basis) lokal zu hosten, etwa in einem eigenen Rechenzentrum oder Serverraum auf dem Firmengelände. Dies erzeugt jedoch hohe Betriebskosten und benötigte entsprechende In-House-Expertise. Zugunsten der vollen Kontrolle über die Daten muss also eine eigene, aufwendige IT-Infrastruktur errichtet und dauerhaft unterhalten werden.
Die Verlagerung der ERP-Systeme in die Cloud bietet für Unternehmen daher folgende Vorteile:
  1. Kostenersparnis: Die Cloud erspart hohe Anschaffungs- und Unterhaltskosten. In Anbetracht immer leistungsfähigerer Komponenten und Applikationen entfallen Investitionen in Hardware-Upgrades und Softwareupdates. Dank flexibel anpassbarer Lizenzmodelle sind die Betriebskosten für die Cloud und deren gehostete ERP-Systeme betriebswirtschaftlich leicht zu kalkulieren.
  2. Flexibilität: Umfang und Leistung der in der Cloud gehosteten Systeme lassen sich jederzeit anpassen. Veränderungen erfordern wenig Vorplanung, sodass Unternehmen kurzfristig auf neue Entwicklungen oder Anforderungen von Kund:innen eingehen können.
  3. Verfügbarkeit: Die Cloud ist für Mitarbeiter:innen eines Unternehmens jederzeit und von jedem Ort aus erreichbar. Im Zuge von Homeoffice und Remote Work ("New Work") sind VPN-Zugänge und die dezentrale Anbindung an die interne Netzwerkarchitektur häufig bereits obligatorisch. ERP-Systeme in der Cloud lassen sich hier üblicherweise problemlos integrieren.
  4. Effizienz: Mit der Cloud steigt die Geschwindigkeit der Datenverarbeitung. Durch Edge-Computing und die Einbindung eines 5G-Campus-Netzes in eine Smart Factory sinken die Latenzen. Daten lassen sich dadurch in Echtzeit verarbeiteen, da sie in der Cloud gehostet werden.
  5. Sicherheit: Viele Unternehmen fürchten um die Sicherheit der eigenen oder der Daten ihrer Kund:innen in der Cloud. Mithilfe spezialisierter Cloud-Anbieter lassen sich die Sicherheitsanforderungen je nach lokalem Standort anpassen und ersparen die Beschäftigung eigener Mitarbeiter:innen für diesen Zweck. Auch setzen sie datenschutzrechtliche Bestimmungen gemeinhin besser und schneller um, als diese in unternehmenseigene Systeme integriert werden müssen.
  6. Administration: ERP-Systeme in der Cloud automatisieren administrative Aufgaben und entlasten so die unternehmenseigene IT-Abteilung. Dazu gehören beispielsweise das Ausrollen von Updates, die Datenbankverwaltung oder das Reporting. Unternehmenseigene Mitarbeiter:innen können sich somit darauf konzentrieren, die Geschäftsprozesse in den Cloud-Systemen abzubilden.
Mann steht inmitten einer Server-Racklandschaft in einem Rechenzentrum

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Neue Geschäftsmodelle: Smart-Factory-as-a-Service

Das Geschäftsmodell der Smart-Factory-as-a-Service wird abgekürzt SFaaS und übersetzt mit "Smart Factory als Dienstleistung". Dabei handelt es sich um ein Angebot externer Dienstleister, das es produzierenden Unternehmen ermöglicht, ihre gesamte Wertschöpfungskette zu digitalisieren. Dies beginnt bei der automatisierten Produktion durch Roboter, setzt sich über die Vernetzung sämtlicher Komponenten des Produktionsprozesses fort und beinhaltet darüber hinaus auch Finanzierungsmodelle und Risikomanagement.
Unternehmen können sich damit auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, während die Umwandlung ihrer klassischen Unternehmensstruktur erst einmal zu einer Smart Factory ausgelagert wird. Teile der dafür notwendigen Investitionskostenbelasten somit im Idealfall keine vorhandenen Budgets – gleichzeitig wird dadurch aber die Transformation hin zu einem flexibel anpassbaren Produktionsprozess ermöglicht, der dem Unternehmen die Vorteile einer Smart Factory verschafft. Hat ein Unternehmen genügend Erfahrungen mit SFaaS gesammelt, kann es auf Basis dieser Erfahrungen später auch leichter eine eigene Smart Factory errichten.
Die vollständig automatisierte Produktion einer Smart Factory
Die Umstellung auf eine Smart Factory ist mit Investitionen verbunden. Das Geschäftsmodell Smart-Factory-as-a-Service (SFaaS) unterstützt Unternehmen bei der Transformation.

Vorteile einer Smart Factory

Die Smart Factory bietet gegenüber der klassischen Infrastruktur eines Unternehmens erhebliche Vorteile. Sie optimiert die Wertschöpfungsprozesse und verbessert die Wettbewerbsfähigkeit angesichts steigender individueller Anforderungen von Kund:innen.
Im Einzelnen ergeben sich mit einer Smart Factory folgende Vorteile für Unternehmen:
  • Automatisierte Prozesse: Indem Big Data ausgewertet wird, entstehen sinnvoll vernetzte und voll automatisierte Abläufe. Dadurch entfallen Latenzen und Stillstandzeiten. Arbeitszeit kann besser genutzt werden.
  • Höhere Produktivität: Aus den optimierten Prozessen heraus entsteht ein höherer Output bei gleichem Zeitaufwand.
  • Geringere Fehleranfälligkeit (Predictive Maintenance): Mögliche Fehler oder ein unplanmäßig anstehender Reparaturbedarf sind im Vorfeld besser erkennbar.
  • Bessere Verzahnung aller Fertigungsschritte: Weil alle Instanzen innerhalb der Fertigungskette permanent miteinander kommunizieren, können alle Produktionsschritte auch dann schnell wieder aufeinander abgestimmt werden, wenn es Ausfälle oder veränderte Taktzahlen gibt. So gibt es weniger halbfertige Produkte, was den Bedarf an Lagerkapazitäten und die Kapitalbindung reduziert.
  • Niedrigere Produktionskosten: Bedarfsgerechte Ressourcenbeschaffung und kürzere Produktionszeiten resultieren in geringeren Kosten.
  • Flexibilität und individuelle Produktion (ab Losgröße 1): Wenn der Bedarf innerhalb der automatisierten Prozesse optimal geplant wird, können Kleinstmengen zu gleichen Stückpreisen wie in der Masse produziert werden.
  • Automatisierte Bestell- und Auslieferungsprozesse: Wenn Auftragseingang, Erfassung, Produktion und Lieferlogistik vernetzt sind, läuft ein Auftrag vollständig automatisiert und somit schneller ab.
  • Schnellere Produktentwicklung und Markteinführung: Wenn Unternehmen Daten via Digital Twin leichter auswerten können, die im gesamten Prozess anfallen; und wenn sie Neuentwicklungen so simulieren können; dann können sie Produkte auch schneller entwickeln und auf den Markt bringen.
  • Höhere Agilität: Smart Factories kommunizieren in Echtzeit mit Zulieferern, Logistikern und Abnehmern – und reagieren so zeitnah auf neue Bedarfe, veränderte Liefersituationen oder Störungen in den Lieferketten. Unternehmen können etwa schnell auf Preisschwankungen reagieren, indem sie diese Rohstoffe schnell ersetzen. Auch Vorschläge von Kund:innen oder Vetriebspartnern zu möglichen Produktverbesserungen werden noch in der laufenden Produktion zeitnah umgesetzt.
  • Ressourcenschonung und Kostenersparnis: Unternehmen können teure Ressourcen schneller und ohne Ausfälle ersetzen – und energieaufwendige Produktionsschritte wie etwa Schmelzen und Sintern auf Tageszeiten mit niedrigen Energiekosten terminieren.
  • Mehr Informationen: Unternehmen gewinnen in kurzer Zeit mehr Wissen über ihre Produkte und deren Produktionsvorgang, indem sie konstant Daten erheben und auswerten (Big Data).
  • Nachhaltigkeit: Die Optimierung der Wertschöpfung führt zu geringerem Ressourcenverbrauch (Energie, Wasser) und weniger Emissionen.
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Smart Factory: Beispiele aus der Praxis

In Deutschland planen oder betreiben bereits zahlreiche Unternehmen eigene Smart Factories. Einige Beispiele hierfür sind:

Automatisierter Schaltschrankbau bei Rittal

Die zur Friedhelm Loh Group gehörende Firma Rittal aus dem hessischen Herborn fertigt unter anderem Schaltschränke, Klimatechnik und Server-Racks. Als weitgehend digitalisiertes Unternehmen treibt Rittal auch in der eigenen Produktion die Automatisierung voran.
Am Standort Haiger in Hessen hat das Unternehmen eine Kompaktschrank-Produktion nach Kriterien der Industrie 4.0 errichtet. Pro Tag fertigt Rittal dort 8.000 Kompaktschaltschränke und Kleingehäuse weitgehend automatisiert.
Die Anlagen kommunizieren miteinander, während die einzelnen Produktionsschritte stattfinden – wie etwa das Zuschneiden, Kanten, Schweißen und Lackieren von Blechen. Die hochautomatisierte Produktionssteuerung ist außerdem mit dem unternehmenseigenen globalen Distributionszentrum verbunden, um Fertigung und Versand zu integrieren.
Die mehr als 250 vernetzten Maschinen und Anlagen sowie die fahrerlosen Transportsysteme generieren jeden Tag bis zu 18 Terabyte an Daten, die über ein Live-Dashboard gesichtet und ausgewertet werden. So können Mitarbeiter:innen alle Fertigungsprozesse nahezu in Echtzeit aus der Distanz überwachen. Wissensbasierte, lernfähige Systeme planen Wartungsarbeiten via Predictive Maintenance zielgenau, um Störungen und Ausfallzeiten im eigentlichen Produktionsprozess zu minimieren.

Boehringer Ingelheim: Smart Factory generiert Daten für die lokale Fertigung

Der Pharmahersteller Boehringer Ingelheim betreibt an seinem Stammsitz in Ingelheim am Rhein eine Smart Factory mit 75 Beschäftigten. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Solids-Launch-Fabrik.
Als Solids werden in der Medikamentenherstellung verschiedenen Formen von festen Arzneimitteln bezeichnet, beispielsweise Tabletten. Eine Solids-Launch-Factory stellt neu entwickelte Arzneimittel erstmalig automatisiert her, um auf Basis dieser Erfahrungen eine Großserienfertigung für dieses Medikament an anderen Standorten aufzubauen.
Die smarte Fabrik dient bei Boehringer Ingelheim somit als Wissensakkumulator und –speicher, indem sie in allen Produktionsschritten Sensordaten sammelt. Aus diesen Daten lassen sich dann leichter als bisher größer skalierte Anlagen ableiten.

Mercedes Benz: Die Smart Factory erfindet das Fließband neu

Die Automobilindustrie steht gleich vor mehreren großen Herausforderungen: zum Beispiel hohem Wettbewerbsdruck, sich verändernden Kundenbedürfnissen und nicht zuletzt Lieferschwierigkeiten ihrer Zulieferer.
Die Mercedes-Benz-Group hat deshalb an ihrem Standort Sindelfingen die Factory 56 gebaut und 2020 eröffnet. In dieser Smart Factory ersetzen digital verzahnte Fertigungsbereiche namens "TecLines" den klassischen Fahrzeugbau entlang eines Fließbandes. Fahrerlose Transportsysteme verbringen die einzelnen Fahrzeuge und Fahrzeugkomponenten von Arbeitsstation zu Arbeitsstation.
Mercedes kann so einzelne Fertigungsschritte und -verfahren leichter in die Produktionskette integrieren oder ausgetauschen, ohne dass hierfür die gesamte Fertigung mit allen Fließbändern über längere Zeit stillstehen müsste. So kann das Unternehmen in derselben Smart Factory parallel Fahrzeuge der S-Klasse, ihres elektrischen Schwestermodells EQS und der Premiummarke Mercedes-Maybach bauen.
Montageanlagen und Fördertechnik sind im IIoT per WLAN und Mobilfunk verbunden. Per Tracking und Tracing werden weltweit sogenannte Ladungsträger mit Materialien für die Factory 56 nachverfolgt, um mögliche Lieferprobleme frühzeitig zu erkennen. Dadurch ist die Smart Factory agiler als bisherige Automobilfabriken und kann schneller auf globale Marktschwankungen oder veränderte Kundennachfragen reagieren.
Kund:innen können nach der Bestellung ihres Fahrzeuges einzelne Fertigungsschritte in der Factory 56 online verfolgen und erhalten eine genauere Vorhersage zum anvisierten Liefertermin als bisher. Damit schafft die Smart Factory 56 Mehrnutzen für den Hersteller ebenso wie für die Kund:innen auf ihrer Customer Journey.

Herausforderungen für Smart Factories

Der Bau von Smart Factories im Rahmen der Industrie 4.0 bedeutet eine grundlegende Transformation bisheriger Produktionsformen. Viele der bisher lokal in Unternehmen angesiedelten Teilbereiche werden in die virtuelle Sphäre (Cyber-Physical Systems, ERP, Digital Twin) oder sogar zu externen Dienstleistern ausgelagert (Cloud-Services). Gleichzeitig fallen durch die Datenerhebung während des Produktionsprozesses erhebliche Datenmengen an (Big Data), die entsprechend geschützt werden müssen.
Um von den vielen Vorteilen einer Smart Factory zu profitieren, sind neben den hierfür erforderlichen Investitionen drei Themenkomplexe zu berücksichtigen:
  1. Sicherheit: Ein ganz entscheidender Aspekt bei der Errichtung einer Smart Factory ist die Sicherheit der vernetzten Firmeninfrastruktur sowie der im Rahmen von Big Data erhobenen Daten. Es muss gewährleistet sein, dass diese nach den jeweiligen datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Standorts verarbeitet werden und gleichzeitig vor dem Zugriff durch Cyber-Kriminelle geschützt sind. Dafür ist die Beschäftigung interner Cyber-Security-Expert:innen empfehlenswert – und die Auslagerung von Daten zu spezialisierten Cloud-Anbietern.
  2. Infrastruktur: Eine Produktionskette ist nicht von heute auf morgen automatisierbar. Teilprozesse sollten zunächst schrittweise und aufeinander abgestimmt digitalisiert werden, beispielsweise durch Cyber-Physical-Systems und Embedded Systems. Gleichzeitig muss eine leistungsfähige Netzinfrastruktur zur Etablierung des IIoT errichtet werden, die Big Data durch Cloud-Services und Edge Computing in Echtzeit verarbeiten kann – beispielsweise auf der Basis von 5G-Campus-Netzen.
  3. Ausbildung: Obwohl die Produktion in einer Smart Factory vollständig automatisiert abläuft, steht der Mensch nach wie vor im Mittelpunkt: Denn ohne Mitarbeiter:innen, die die gesamte Infrastruktur überwachen, lassen sich Fehler nicht beheben. Gleichzeitig muss ein fortlaufender Optimierungsprozess gewährleistet sein, der bei flexiblen Auftragseingängen und zunehmender Individualfertigung Anpassungen ermöglicht.Auch die Bedienung von Cyber-Physical Systems oder die Abbildung von Prozessen durch einen Digital Twin benötigt entsprechend qualifizierte Mitarbeiter:innen. Die Anforderungen an die Fachkräfte steigen in der Smart Factory also erheblich. Eine angepasste Ausbildung sowie die ständige Weiterbildung aller Mitarbeiter:innen ermöglichen erst den erfolgreichen Betrieb einer (tatsächlich) schlauen Fabrik.

Die Smart Factory in der Übersicht

  • In der Smart Factory sind alle Fertigungsschritte miteinander vernetzt, beispielsweise per WLAN und Mobilfunk.
  • Die Smart Factory schont Ressourcen, beschleunigt Umstellungsprozesse und verschafft allen Beteiligten eine bessere Sicht auf Fertigungs- und Lieferdaten.
  • Unternehmen, die noch keine eigene Smart Factory errichten wollen oder können, können Erfahrungen mit einem extern zugekauften Dienst Smart-Factory-as-a-Service sammeln.
  • In Deutschland sind bereits zahlreiche Smart Factories in Betrieb. Sie dienen der effizienteren und schnelleren Fertigung im Regelprozess oder auch als Prototypen für den Umbau weiterer Fertigungsanlagen.
  • Smart Factories bedeuten einen grundlegenden Transformationsprozess für die klassische Produktion. Digitalisierten Unternehmen fällt die Evolution zur Smart Factory leichter.
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