Zwei Frauen stehen an einem Tisch mit dem Modell eines Gebäudes
Digitalisierung

Architektur der Zukunft: Neue Trends durch Arbeit im Homeoffice?

Die Architektur bestimmt das Gesicht unserer Städte und ist dabei selbst einem permanenten Wandel unterworfen. Kunst und Design beeinflussen das Bauen ebenso wie Technologie, Politik oder steigende Anforderungen an den Umweltschutz. Wir haben uns damit befasst, wie die Architektur der Zukunft aussehen könnte.

Lange Zeit war es eine weltweite Entwicklung: Immer mehr Menschen zogen vom Land in die Städte. Hin zu großen Unternehmen, die gut bezahlte Jobs für Hochqualifizierte bieten. Oder zu Hochschulen und Forschungsstandorten mit vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten. Das breite Kultur- und Freizeitangebot vieler Metropolen schätzen besonders junge Menschen.

Ein anderer Großtrend aber ist die zunehmende Verbreitung von Homeoffice. Immer mehr Menschen arbeiten von zu Hause. Leben und arbeiten, Kinderbetreuung und Schulunterricht vereinen sich auf engstem Raum in den eigenen vier Wänden.

„So wie du bist, so sind auch deine Gebäude.“

Louis Sullivan, 1924

Nicht nur für Louis Sullivan, Architekt und Vertreter der Chicago School, sind Mensch und Architektur eng verbunden. Nicht selten sieht man einem Gebäude bereits an, für welchen Zweck es gedacht ist: bunte Kindergärten und Schulen mit weitläufigem Außenbereich, repräsentative Regierungssitze, die Macht und Einfluss ausstrahlen, oder Einkaufszentren mit angeschlossenem Parkhaus, die von außen vor allem Werbefläche bieten. Zuletzt aber konnten viele Gebäude im öffentlichen Bereich nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden. Innenstädte verändern sich.

Was bedeuten dies alles für unser Leben und die Architektur der Zukunft? Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf die Art, wie zukünftig Häuser und ganze Stadtquartiere geplant werden? Wir beleuchten die wichtigsten Aspekte.

Inhaltsverzeichnis

Lebensraum in Wohnungen und Häusern: Cocooning 2021

Eines ist in vielen Videokonferenzen und Telemeetings deutlich geworden: Viele Arbeitnehmer:innen haben zuhause keinen eigenen, abgeschlossenen Arbeitsbereich. Nicht selten werden deshalb aus dem Homeoffice ungewollt private Eindrücke vermittelt. Kolleg:innen, Kund:innen, Geschäftskontakte, die für ein Meeting am Küchentisch sitzen, dazu Kinder und Haustiere, die bei laufender Notebookkamera für Belustigung sorgen. Was als Provisorium für eine Zeit amüsant wirkt, verlangt auf Dauer nach professionellen Lösungen.
Das Bild zeigt einen Mann mit einem Smartphone

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Wohnraum der Zukunft

Unsere These: Der Trend geht zu größeren Wohnungen und Häusern, möglichst auf dem Land, mit Wohnküche, Arbeitszimmer und Hobbykeller. Diese Faktoren spielen dabei eine Rolle:
  • Wohneinheiten mit mehr Zimmern: Wo die Erwartungen an ein professionelles Homeoffice-Umfeld steigen, sind Meetings vom Küchentisch aus keine Dauerlösung. Als ruhige Arbeitsumgebung ohne Störungen ist ein separates Arbeitszimmer gefragt. Der Trend zu kleinen Wohnungen wird dadurch gebremst. Durch die hohen Quadratmeterpreise ist das Wohnen in Städten vielerorts so teuer geworden, dass Menschen für bezahlbaren Wohnraum entweder kleinere Wohnungen oder einen weiteren Arbeitsweg hinnehmen. Wer zuhause arbeiten will, braucht mehr Raum – muss dafür aber nicht unbedingt in der Nähe seines Arbeitgebers wohnen.
  • Großzügiger und ruhiger: Der Trend zur immer dichteren Besiedlung in Ballungszentren könnte sich umdrehen. Die Quadratmeterpreise in Großstädten wie Berlin, München oder Hamburg führten in den letzten Jahren vor allem zur „Nachverdichtung“: Dachgeschosse wurden ausgebaut oder aufgestockt und Grünflächen bebaut. Mehr Menschen auf kleinem Raum führen zu mehr Begegnungen, mehr Lärm und auch zu mehr Konflikten: Arbeit zuhause erfordert dagegen Ruhe. Daher könnte diese Entwicklung zum Stillstand kommen und mehr Weitläufigkeit gesucht werden.
  • Schnelles Internet überall: Um Arbeitnehmern problemloses Homeoffice zu ermöglichen, ist flächendeckend schnelles Internet wichtiger denn je. Die Sehnsucht nach „draußen” war besonders in der ersten pandemiebedingten Lockdown-Phase im März 2020 sehr präsent: In Großstädten waren die Parks so voll, dass das Abstandhalten schwierig war. Anstatt in vergleichsweise kleinen und kostspieligen Stadtwohnungen zu leben, möchten wieder mehr Menschen ins Grüne ziehen. Dort gibt es mehr Platz für das Heimbüro, für die Kinder im Fernunterricht – und auch draußen vor der Tür. Lernen und arbeiten aus der Ferne funktioniert aber nur, wenn alle störungsfreie Internetverbindungen haben, unabhängig vom Standort.
  • Veränderte Grundrisse: Der Begriff „Cocooning“, also das Einigeln zuhause, ist schon etwas älter und beschreibt eigentlich die freiwillige Entscheidung für Freizeit zuhause, anstatt durch Nachtleben und Clubs zu ziehen. Die Zeit daheim mit der Familie nutzen mehr Menschen beispielsweise zum Kochen, Backen und Basteln. Die gute alte Wohnküche könnte in Zukunft eine Renaissance erleben – ebenso wie Hobbykeller und Heimsauna als Trend(-Renaissance) vorstellbar sind. Im Heimkino mit 4K-Beamer und Surround-Sound wird Netflix geschaut, anstatt ins Kino zu gehen.

Die Charta von Athen – im 21. Jahrhundert neu definiert

Lange Zeit war die autogerechte Metropole mit getrennten Vierteln für jede Nutzungsart die ultima ratio im Städtebau. Die 1933 verabschiedete Charta von Athen wollte den Menschen Wohnraum im Grünen weitab rauchender Fabrikschornsteine verschaffen. Freizeitangebote, Einkaufszentren oder Bildung und Verwaltung sollten sich in jeweils abgetrennten Zonen der Großstadt ansiedeln – untereinander verbunden nur durch ein Netz vielspuriger Schnellstraßen. Die Planstadt Brasilia ist die wohl bekannteste Umsetzung dieses Konzeptes.
Doch im Informationszeitalter sind nicht mehr störende Fabrikschornsteine, sondern der überbordende Verkehr und lange Fahrzeiten die große Herausforderung. Statt einer möglichst großen räumlichen Distanz zum Arbeitsort an der lauten, qualmenden Esse wünschen sich Berufstätige heute möglichst kurze Wege zwischen Arbeitsplatz, Kinderbetreuung, Freizeit und der eigenen Wohnung.
Die rund 50 Prozent Computerarbeitsplätze in Deutschland ließen sich schon jetzt weitgehend an den Wohnort verlagern. Anders als die reinen Fabrikarbeitsplätze der Vergangenheit sind sie dreck-, lärm- und rußfrei und müssen daher nicht mehr zwingend in Industriegebieten angesiedelt sein.
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Folgen für die Stadtzentren

Die Vorteile von Arbeiten im Homeoffice sind vielseitig. Weniger Verkehr, weniger Zeitaufwand für den Arbeitsweg, weniger Büroräume, die Unternehmen ausstatten und anmieten müssen. Das verändert auch die Gesellschaft als Ganzes. Wer nicht jeden Tag für die Arbeit das Haus verlassen muss, konsumiert anders und zum Teil weniger: Weniger Kleidung und Essen außer Haus beispielsweise. Die Städte werden während der Bürozeiten leerer, Geschäfte und Restaurants müssen sich anpassen. Überdachte Einkaufszentren haben die letzten zwanzig Jahre geboomt, dafür sind ganze Straßenzüge mit individuellen Geschäften ausgestorben.
Die klassische autofreie Fußgängerzone, eine Errungenschaft der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts, verliert an Bedeutung. Das allgemeine Ladensterben im Zuge des wachsenden Onlinehandels und veränderter Einkaufsgewohnheiten mischt die Innenstädte neu durch.
Gerade die große Beliebtheit des Automobils macht den Autoverkehr zum wachsenden Problem. Bei aktuell 50 Millionen Pkw allein in Deutschland ist das Parken fast vor der Ladentür rein aus Platzgründen in den Innenstädten schon lange nicht mehr möglich. Aber auch die Einkaufszentren auf der grünen Wiese stehen bereits unter dem Wettbewerbsdruck des Internethandels. Was bringt die Architektur der Zukunft für sie?

Mix der Verkehrsmittel

Carsharing, Fahrräder und e-Scooter erfreuen sich in den Städten wachsender Beliebtheit. Aber der Individualverkehr mit dem eigenen Auto hat relativ gesehen trotzdem zugenommen. Der Verkehr verteilt sich auf mehr unterschiedliche Verkehrsträger und wird vielfältiger.
Der Bedarf an Parkraum wird nach aktuellen Schätzungen deshalb so bald nicht zurückgehen. Selbst in Metropolen wie Berlin und Hamburg wächst der private Fahrzeugbestand weiter an. Gleichzeitig werden mehr Ladestationen für den steigenden Anteil der Elektrofahrzeuge gebraucht. Für E-Bikes könnten Abstellplätze ein Thema werden, die möglichst diebstahlsicher sind.
Mittelfristig könnte autonomer Verkehr eine Synthese aus öffentlichem Personennah- und Individualverkehr bringen. Der selbstfahrende Micro-Bus bringt den Fahrgast direkt aus der City bis vor die Haustür und liefert abends die Pizza oder den Online-Einkauf nach Hause.
Gut möglich, dass in Städten daher viele Büros zukünftig ungenutzt bleiben und Unternehmen ihre Büroflächen verkleinern, neu organisieren oder wieder aus den Städten herausnehmen. Große Unternehmen könnten ihre Firmenzentralen auf viele Standorte verteilen und digital per Grüner Cloud verknüpfen. Arbeitsplätze werden dann zentral als Workplace as a Service distribuiert.
So sind für die Mitarbeiter:innen kürzere Wegen zwischen Wohn- und Arbeitsorten möglich. Das wiederum macht es leichter, in Zeiten des Fachkräftemangels hochqualifizierte Arbeitskräfte zu finden, die nicht mehr bereit sind, jeden Tag aus dem Umland in die Metropole zu pendeln.
Der Bedarf an innerstädtischen Büro- und Gewerbeflächen wird also voraussichtlich sinken, während der Wunsch nach Wohnungen mit mehr Räumen steigen könnte. Das ist auch kein neuer Trend. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist der private Platzverbrauch in Deutschland fast stetig angestiegen. Von einst rund 15 Quadratmetern in den 50er-Jahren auf heute fast 50 Quadratmetern pro Kopf. Auch die Versingelung der Gesellschaft trägt dazu bei. Ein Paradox der Moderne: Obwohl wir immer mehr kostbaren, innerstädtischen Raum verbrauchen, fühlen wir uns zugleich immer beengter.
Daher wird auch das Umland von Großstädten wieder begehrter, nicht nur für Familien mit Kindern. Das bedeutet für Infrastruktur-Anbieter wie Vodafone: Den Netzausbau weiter vorantreiben und noch mehr schnelles Internet überall bereitstellen.

Das multifunktionale Gebäude: Vielfalt ist Trumpf

Architekt:innen planen ihre Bauwerke für Jahrzehnte, nicht selten für Jahrhunderte. In Zeiten des permanenten Wandels und Umbruchs kann dies nur bedeuten, Gebäude multifunktional zu gestalten und so spätere Nutzungsänderungen zu erleichtern. Statik beispielsweise muss so gedacht werden, dass sie ebenso kleinteiliges Wohnen und Arbeiten wie auch große Versammlungs- und Begegnungsräume in derselben Gebäudehülle ermöglicht.
Denn so wie viele Innenstädte heute vor der Herausforderung stehen, Anker-Architektur wie die großen Warenhaus-Tempel der 30er bis 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts neu mit Leben zu füllen, wird auch die Architektur der Zukunft immer wieder neue Nutzungsformen für ihre Bauwerke finden müssen. Idealerweise sind diese Gebäude auch noch nachhaltig konstruiert, energetisch autark und dabei intelligent vernetzt, Stichwort: Smart Building. Die Photovoltaik-Fassade wird zur Horten-Kachel des 21. Jahrhunderts.
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Immer wichtiger ist dabei auch der Schutz vor möglichen Folgen des Klimawandels. Wo ist die Architektur der Zukunft durch Stürme, Starkregenereignisse oder Hochwasser besonders herausgefordert? Wie können Klimaveränderungen beim Gebäudemanagement berücksichtig werden? Stichwort: Beheizung und Beschattung von Gebäuden oder Energiegewinnung über die Gebäudehülle bei sich veränderndem städtischen Mikroklima?
Und wie leben und arbeiten wir in diesen Gebäuden? Schon heute zeichnet sich ab: Wo die Menschen ihren grundlegenden Bedarf zunehmend online decken, müssen die Stadt und die Architektur der Zukunft andere Bedürfnisse bedienen: Gastronomie, Unterhaltung und Begegnung gewinnen an Bedeutung. Generationen begegnen sich. Digitale und analoge Welten fließen wieder zusammen, wenn Architektur zum Verweilen einlädt und Lebensräume schafft.
Die Stadt wird so von der Einkaufsgelegenheit wieder zur klassischen Agora der Antike. Die Architektur der Zukunft: Sie ist wohl zum guten Teil auch die Wiederentdeckung des Bewährten.

Das Wichtigste zur Architektur der Zukunft in Kürze

  • Immer mehr Menschen arbeiten von zu Hause aus und ziehen von der Stadt in ländliche Regionen.
  • Erwartungen an ein professionelles Homeoffice-Umfeld steigen. Daher sind Meetings vom Küchentisch aus keine Dauerlösung.
  • Rund 50 Prozent Computerarbeitsplätze in Deutschland lassen sich schon jetzt weitgehend an den Wohnort verlagern.
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