Kaitlyn Dever in einer Szene von "Apple Cider Vinegar"
© 2024 Netflix,Inc
Auf dem Gruppenbild zum Dschungelcamp 2025 sind alle Kandidatinnen und Kandidaten zu sehen, umgeben von dichtem tropischem Blattwerk.
Szenenbild aus Sonic the Hedgehog 3

Apple Cider Vinegar: Die wahre Geschichte von Belle Gibson

Die wahre Geschichte hin­ter „Apple Cider Vine­gar”: Die Net­flix-Serie über eine aus­tralis­che Influ­encerin zeigt, was soziale Medi­en anricht­en kön­nen – und wie gern sich die Öffentlichkeit mit schö­nen Bildern und Emo­tio­nen dazu ver­führen lässt, selb­st lebens­ge­fährlichen Blödsinn zu glauben.

Das Wichtigste in Kürze

  • Apple Cider Vine­gar basiert auf dem Buch „The Woman Who Fooled the World” von Beau Don­nel­ly und Nick Toscano.
  • Die Influ­encerin Belle Gib­son belügt die ganze Welt, indem sie unter anderem behauptet, Krebs zu haben.
  • Seit ihr Lügenkon­strukt aufge­flo­gen ist, ist Belle Gib­son abge­taucht und nicht auffindbar.

Darum geht es in der Netflix-Serie

Die junge Belle Gib­son erhält eine nieder­schmetternde Diag­nose: Sie hat einen Hirn­tu­mor und nur noch wenige Wochen zu leben. Nach zwei Monat­en Chemother­a­pie und Bestrahlung will sie nichts mehr von der Schul­medi­zin wissen.

Belle ver­sucht es stattdessen mit gesun­der Ernährung und alter­na­tiv­en Behand­lungs­for­men. Und das Wun­der geschieht: Sie begin­nt sich zu erholen. Der Krebs scheint besiegt, und kurz darauf wird sie mit ihrem ersten Kind schwanger.

Was für eine Geschichte! Aber eben nur eine Geschichte. Denn wie später her­auskommt, hat­te Belle Gib­son nie Krebs – aber sehr wohl eine Idee, wie sich mit dieser Lüge viel Geld machen lässt.

Die Net­flix-Minis­erie Apple Cider Vine­gar (Start: 6. Feb­ru­ar 2025), erzählt, wie eine junge Frau ein bizarres Netz aus Falschbe­haup­tun­gen, Täuschungs­man­övern und Betrug auswirft, um damit zu Ruhm und Reich­tum zu gelan­gen. Doch am Ende ver­fängt sie sich selb­st darin.

Apple Cider Vine­gar han­delt also von ein­er wahren Geschichte, die auf ein­er Lüge basiert. Auch wenn noch immer etliche Fra­gen im Fall Belle Gib­son ungek­lärt sind, liegen die wichtig­sten Fak­ten doch auf dem Tisch.

Die Serie basiert auf dem Buch The Woman Who Fooled the World von Beau Don­nel­ly und Nick Toscano. Die Sto­ry der sech­steili­gen Net­flix-Serie entspricht in ihren Grundzü­gen den Erken­nt­nis­sen aus dem Buch, einzelne Charak­tere und Ereignisse sind jedoch fik­tiv. Die Haup­trol­le spielt Kait­lyn Dev­er („Dopesick”).

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Apple Cider Vinegar: Die wahre Geschichte hinter der Netflix-Serie

Nach der Heilung ihres ange­blichen Hirn­tu­mors startet Belle Gib­son Anfang 2013 einen Insta­gram-Account, auf dem sie Ernährungstipps und Ver­hal­tensweisen teilt, die zu ihrer ange­blichen Gene­sung beige­tra­gen haben. Sehr schnell hat sie Tausende Follower:innen, und sehr schnell geht es auch um Geld. Noch im sel­ben Jahr bringt die damals 22-Jährige eine App auf den Markt.

„The Whole Pantry”, so der Name der Anwen­dung, wird kurz darauf als beste iOS-App im Bere­ich Essen und Getränke aus­geze­ich­net. 2014 veröf­fentlicht Gib­son ein beglei­t­en­des gle­ich­namiges Kochbuch bei einem renom­mierten Ver­lag, voll mit Rezepten ohne Gluten, Zuck­er und Milch­pro­duk­te. Die Umsätze mit App und Buch wer­den Anfang 2015 auf rund 1 Mil­lion US-Dol­lar geschätzt.

Apple möchte ihre App sog­ar als Stan­dar­d­an­wen­dung auf die Apple Watch brin­gen. Und das Buch soll auch in den USA und in Großbri­tan­nien erscheinen. Belle Gib­son wird in ihrer Heimat Aus­tralien als Well­ness­gu­ru gefeiert.

Kaitlyn Dever als Belle Gibson in "Apple Cider Vinegar"

Belle Gib­son (gespielt von Kait­lyn Dev­er) lässt sich als großer Star feiern. — Bild: 2024 Netflix,Inc

Aber nicht nur ihre Follower:innen im Netz sind begeis­tert, auch tra­di­tionelle Medi­en steigen auf die Geschichte ein, etwa die Cos­mopoli­tan und Elle Aus­tralia. Mitte 2014 scheint diese Erfol­gs­geschichte aber ern­sthaft in Gefahr zu sein: Gib­son berichtet online, der Krebs sei zurück, er habe in andere Organe gestreut.

Zuvor hat­te sie zudem behauptet, sie sei mehrere Male am Herzen operiert wor­den, dabei dem Tode nahe gewe­sen und habe auch noch einen Schla­gan­fall erlit­ten. Ein Wider­spruch: In ihrem Ende 2014 erschiene­nen Kochbuch schreibt Gib­son im Vor­wort, der Krebs habe sich nicht aus­ge­bre­it­et und ihr Zus­tand sei stabil.

Dort nen­nt sie auch den ange­blichen Grund für die Kreb­serkrankung: Die sei eine Reak­tion auf eine Imp­fung gegen Gebär­mut­ter­hal­skrebs gewe­sen. Gib­son emp­fiehlt ihren Fans daher statt medika­men­tös­er Behand­lung ernährung­sori­en­tierte Kreb­s­ther­a­pi­en, die allerd­ings erwiesen­er­maßen wirkungs­los sind – und sog­ar lebens­ge­fährlich sein können.

Die Wohltätigkeitslüge fliegt auf

Im März 2015 schließlich deck­en Journalist:innen des aus­tralis­chen Ver­lags Fair­fax Media auf, dass Belle Gib­son eine Betrügerin ist. Denn ent­ge­gen ihren Behaup­tun­gen in sozialen Medi­en, viele Tausend Dol­lar an wohltätige Organ­i­sa­tio­nen gespendet zu haben, find­en die Journalist:innen her­aus, dass viele dieser Organ­i­sa­tio­nen noch keinen einzi­gen Cent von Gib­son erhal­ten haben.

Wenig später bricht das gesamte Kon­strukt aus Lei­dens­geschichte, Wun­der­heilung und Start-up-Erfolg zusam­men. Im April 2015 gibt Gib­son in einem Zeitungsin­ter­view zu, niemals Krebs gehabt zu haben. Dann tauchen Hin­weise auf, dass auch viele ihrer anderen Behaup­tun­gen nicht der Wahrheit entsprechen, etwa Angaben zu ihrer Biografie und zu den ange­blichen Herz-OPs.

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Apple been­det die Zusam­me­nar­beit, der Ver­lag nimmt das Kochbuch vom Markt, Belle Gib­sons Social-Media-Kon­ten ver­schwinden aus dem Netz. Im Sep­tem­ber 2017 wird Gib­son zu ein­er Geld­strafe von umgerech­net 410.000 US-Dol­lar verurteilt – wegen falsch­er Angaben zu Spenden an wohltätige Organ­i­sa­tio­nen. Doch damit ist die wahre Geschichte, die hin­ter Apple Cider Vine­gar steckt, noch lange nicht zu Ende erzählt.

Zunächst: Gib­son behauptet 2019, sie sei nicht in der Lage, die Strafe zu zahlen. Auch das ist wahrschein­lich eine Lüge, denn behördliche Ermit­tlun­gen ergeben, dass sie in den knapp zwei Jahren nach der Urteilsverkün­dung pri­vat Zehn­tausende Dol­lar verjubelte.

Im Jan­u­ar 2020 und im Mai 2021 wird ihr Haus durch­sucht, um Geld und Wert­ge­gen­stände sicherzustellen, die ihre Strafe begle­ichen sollen. Belle Gib­son ist sei­ther abge­taucht. Ihr Aufen­thalt­sort ist unbekan­nt – im Inter­net, dem sie ihren „Erfolg” ver­dankt, find­et sich keine Spur der ein­sti­gen Star-Influencerin.

Kaitlyn Dever als Belle Gibson in "Apple Cider Vinegar"

Als klar wird, dass ihre Masche aufge­flo­gen ist, taucht Belle Gib­son ab. — Bild: 2024 Netflix,Inc

Warum belog Belle Gibson die ganze Welt?

So warten auch heute noch viele (bet­ro­gene) Fans und ehe­ma­lige Geschäftspartner:innen auf die Antworten auf etliche Fra­gen, die um die Per­son Belle Gib­son und ihr Geschäftsmod­ell kreisen. Zumal Gib­son nicht bei ihrem Prozess anwe­send war und bei den Ermit­tlun­gen nicht kooperierte.

Antworten kön­nte ihre Ver­gan­gen­heit liefern, aber auch da scheint es nur wenige ver­lässliche Angaben zu geben. Gib­son selb­st führt ihr betrügerisches Ver­hal­ten auf ihre schwierige Kind­heit zurück. In dem Inter­view, in dem sie zugibt, über ihre Kreb­serkrankung gel­o­gen zu haben, erzählt sie: Sie sei seit ihrem fün­ften Leben­s­jahr gezwun­gen gewe­sen, für sich, ihren autis­tis­chen Brud­er und ihre an Mul­ti­pler Sklerose erkrank­ten Mut­ter zu sorgen.

Stimmt nicht, behauptet wiederum ihre Mut­ter Natal­ie Da-Bel­lo, eben­falls per Inter­view. Sie sei zwar an MS erkrankt, habe aber bis zur Selb­stauf­gabe für ihre Kinder gesorgt, auch für Belle. Ihr Brud­er sei nicht autis­tisch, und Belle habe in ihrem Leben kaum eine Minute Hausar­beit gemacht.

Unbe­strit­ten ist, dass Belle schon mit zwölf Jahren von zu Hause fortzieht, allerd­ings mit Unter­stützung ihrer Mut­ter. Der abwe­sende Vater, wech­sel­nde Part­ner der Mut­ter und deren Erkrankung – es gibt sich­er Kind­heit­en, die sor­glos­er ver­laufen. Aber woher hat Belle bloß ihre krim­inelle Energie?

Hatte Belle Gibson psychische Probleme?

Natal­ie Da-Bel­lo liefert eine mögliche Erk­lärung. Belle habe schon immer über ihre Ver­hält­nisse leben wollen. Sie sei nie glück­lich mit dem gewe­sen, was sie hat­te, entwick­elte einen teuren Geschmack. Zudem sei sie süchtig nach Social Media gewe­sen. Belles Brud­er Nick wiederum behauptet, es gin­ge ihr um Aufmerksamkeit.

Nach den Enthül­lun­gen über Belle Gib­son äußern Expert:innen den Ver­dacht, die Influ­encerin lei­de an ein­er Form des Münch­hausen-Syn­droms. Men­schen mit diesem Syn­drom täuschen (schwere) Krankheit­en vor, um auf sich aufmerk­sam zu machen, und gehen dabei sehr ein­falls- und ken­nt­nis­re­ich vor.

Die Gründe für dieses Ver­hal­ten sind unklar, aber die Forschung bringt sie unter anderem in Verbindung mit erkrank­ten Ange­höri­gen. Das ist eine Diag­nose, die möglicher­weise auf Belle Gib­son zutr­e­f­fen könnte.

Aber sie erk­lärt nicht, warum so viele Men­schen, naive Fans genau­so wie Medi­en­profis und Großkonz­erne, auf diesen Betrug here­in­fall­en kon­nten. Die wahre Geschichte hin­ter Apple Cider Vine­gar sollte eine Mah­nung sein: Schein­bar spek­takuläre Behaup­tun­gen von Influencer:innen, Inter­net­stars und selb­st ernan­nten Expert:innen bei Insta­gram, Tik­Tok und Co. sind mit Vor­sicht zu genießen – erst recht, wenn es um die Gesund­heit geht.


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