Digital Life
Interview: Die starke Frau hinter Change.org
Unsere Umwelt wird immer digitaler. Im Urlaub, beim Fernsehen aber auch im Beruf. Das sisterMAG-Team möchte wissen, wie sich die Digitalisierung auf klassische Berufsbilder auswirkt, und besucht deshalb für Dich Frauen und Männer aus der digitalen Kreativwirtschaft.
Unser erster Besuch führt uns ins Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. Jedoch geht es für uns nicht in den aus Fernsehen und Zeitungen bekannten Raum der politischen Pressekonferenzen, sondern ins Büro von Change.org. Dort leitet Jeannette Gusko die Abteilung Kommunikation für den deutschsprachigen Raum der weltweit größten Online-Petitionsplattform. Um tagtäglich über den ganzen Globus hinweg die Arbeit von 250 Mitarbeitern und die Nutzung der Plattform für über 95 Millionen Nutzer zu garantieren, agiert und arbeitet Change.org (fast) rein digital.
Wir und die sisterMAG-Redaktion wollen von Jeannette zunächst wissen, was Change.org eigentlich ist. „Change.org ist eine Plattform, die jeder Mensch mit Internetanschluss weltweit nutzen kann, um auf soziale Kampagnen oder Anliegen hinzuweisen, die für ihn oder sie persönlich wichtig sind. Jeder Mensch hat eine Stimme und sollte diese selbstbewusst einsetzen können – das ist die Grundidee hinter Change.org.“
Jeannette begann vor etwa zweieinhalb Jahren als Senior Campaignerin bei Change.org. Sie betreute Petitionsstarter beim Einstellen von Kampagnen. Seit einem Jahr ist sie verantwortlich dafür, Change.org im deutschsprachigen Raum bekannter zu machen: „Möglichst viele Menschen sollen von den Geschichten auf unserer Seite hören. Ich spreche zudem noch immer mit vielen Petitionsstartern und berate sie im Prozess, Entscheidungsträger auf ihre Kampagnen aufmerksam zu machen. Ich glaube, dass wir eine Generation sind, die unbedingt teilen möchte, was uns antreibt. Vielleicht stellen wir die großen Fragen auch schon etwas früher, weil wir uns als Teil eines (digitalen) Netzwerks sehen, das sich stets untereinander austauscht. Mich treibt zudem ein sehr großes Bedürfnis nach sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit an, das ich auch ausdrücken möchte – das ist meine Motivation, für Change.org zu arbeiten.“
Bei Change.org werden Kampagnen zu verschiedenen sozialen Themen angestoßen. Als Managerin der Kommunikation muss man deshalb definitiv vielseitig interessiert sein. Jeannette startete ihren Werdegang im Bereich Wirtschaftskommunikation und - management. Nach Stationen wie der Financial Times und der Werbebranche entschied sie sich schließlich für Change.org, weil sie das Modell des Unternehmens einfach überragend fand. „Eine Meinung zu haben bedeutet ein Risiko einzugehen, weil man dafür öffentlich einsteht. Das fasziniert mich. Ich finde toll, dass wir dies mit unserer Technologie unterstützen können.Change.org ist eine offene Plattform. Unser Versprechen an die Nutzer ist, dass sie die Seite weltweit und jederzeit nutzen können.“
Mit Büros in Indonesien, Japan, Mexiko und einem großen Hub in Brasilien spielt Technologie auch in der täglichen Zusammenarbeit eine große Rolle. Um in Kontakt zu bleiben, gibt es einmal in der Woche ein Meeting, an dem alle Change.org-Teams weltweit zusammen kommen. „Den Kollegen über Skype oder Google Hangouts nah zu sein und mit ihnen in Echtzeit sprechen zu können ist heute ganz normal, aber auch einfach faszinierend.“
Für viele Menschen hat das Wort „Digital Office“ sofort eine kalte Anmutung. Viel Arbeit und ständiges online sein kommt in den Sinn. Bei Change.org jedoch scheint die digitale Zusammenarbeit auch eine ganz neue interne Unternehmenskultur hervorgebracht zu haben: gegenseitiges, stetes Vertrauen, das große Distanzen überwindet. „Ein starkes Vertrauensverhältnis untereinander ist besonders dann wichtig, wenn man als Team über den ganzen Globus in unterschiedlichen Zeitzonen zusammenarbeitet. Zudem wird Offenheit und die Fähigkeit groß zu denken wertgeschätzt, und wir nehmen Spaß sehr ernst. Das ist besonders wichtig, denn zuweilen sind die Themen auf der Plattform wirklich tragisch, wenn es beispielsweise um eine Kampagne einer Mutter für ihre verstorbene Tochter geht.“ Ganz praktisch erfolgt die Arbeit in Jeannettes Team in Kollaborativ-Dokumenten. „Wir versuchen stets, den effektivsten Weg der Kommunikation zu finden – was ist zum Beispiel am besten per E-Mail und was per Skype zu lösen? Das Schicken von Anhängen würde uns wohl wahnsinnig machen, weshalb wir gemeinsam in Dokumenten arbeiten. Wenn ich um 19 Uhr meine Arbeit beende, fangen die amerikanischen Kollegen in den Dokumenten erst an.“
Der Schreibtisch
sisterMAG: Erzähl uns von Deinem Arbeitsplatz.
Mein Arbeitsplatz gibt mir durch seine klare Struktur Raum zu denken. Es ist im Alltag häufig wichtig, einen Schritt zurück zu gehen, um große Ideen zu entwickeln. Er ist für mich ein Ankerpunkt. Ich bin definitiv ein Mensch, der seinen eigenen Schreibtisch braucht. Mein Arbeitsplatz ist meine kleine Zentrale. Er ist immer aufgeräumt. Ich habe jedoch zu viele Zeitungen – das ist meine kleine Macke.
sisterMAG: Was darf auf Deinem Schreibtisch nicht fehlen?
Ich arbeite sehr gerne mit einem Bildschirm am Laptop. Mein Handy, ein Kaffee, Visitenkarten und Post-it-Notizzettel für kleine Ideen zwischendurch dürfen auf keinen Fall fehlen.
sisterMAG: Steht Dein Schreibtisch bewusst an dem Ort, an dem er gerade steht?
Ja, denn der Blick nach draußen ist mir wichtig. Hinter mir stehen zudem unsere Werte: „We think big. We embrace openness. We serve with passion. We offer solutions. We demand excellence. We love and understand. We take fun seriously.“
So komisch das auch klingt: Die Worte stärken mich. Ich finde es schön, in einer Organisation mit Haltung zu arbeiten. Mich motiviert zudem ungemein, was Leute durch uns schon erreicht haben.
Interview: sisterMAG – Luisa Sancelean
Text: Thea Neubauer
Fotos: Ryan Hursh