Apps
Wenn die Smartphone-Kamera dem menschlichen Auge hilft
Smartphones sind für viele unverzichtbar – besonders hilfreich kann das mobile Gerät für Menschen mit Handicap sein. Apps, die als Hilfsmittel konzipiert wurden, gibt es für die unterschiedlichsten körperliche Einschränkungen. Doch wie viel Barrierefreiheit schaffen die kleinen Helfer wirklich?
Die ersten barrierefreien Funktionen des Bildschirmlesers und der Bildschirmvergrößerungs-Software für Sehbehinderte sind bereits in einigen Mobilgeräten integriert. Sie können herkömmliche und teure Hilfsmittel ersetzten. Zahlreiche Apps gleichen die fehlende Funktion der Augen mit Technik aus: Texterkennung ist mit diversen Apps möglich. Diese funktionieren mit Schrifterkennung und sind in der Lage, Textdateien wie E-Books, abfotografierte Dokumente, Websites oder selbst Geschriebenes per Screen-Reader-Stimme vorzulesen (z.B. TalkBack oder VoxDox). Allerdings gibt es einen Haken, auf den der Nutzer „Blind Gänger“ im App-Store aufmerksam macht: „Ohne Internet geht nichts. Ich frage mich, wie man darauf kommt, dass jeder überall über ein Netz verfügt?“ Ein gutes Netz ist also gerade für solche Hilfsmittel Pflicht.
Diese App „sieht für Dich”
Auch Banknoten oder Barcodes können von einigen Apps gelesen werden, um sie als Einkaufshilfe für Produkterkennung, zum Auffinden von Gegenständen zu Hause oder zum Sortieren von Akten am Arbeitsplatz zu nutzen. Wenn der Betroffene nicht weiß, welches Getränk in einer Flasche enthalten ist, kann er ein Foto davon aufnehmen und die App TapTapSee für ihn sehen lassen. Sie spuckt dann auf Basis einer großen Produktdatenbank und den dort enthaltenen Beschreibungen deutsch-englische Sätze aus wie „Picture is Flasche mit transparent Flüssigkeit“. Eine überzeugte Nutzerin bewertet die App im Store unter dem Nutzernamen „Sabine“ und kommentiert: „Sensationell, eine riesen Hilfe für meinen blinden Sohn. Die App erkennt sogar Gemüse und benennt diese mit Farbe, also z.B. „rote Paprika“. Für einen Blinden, dem z.B. eine Socke abhandengekommen ist, ist das eine tolle Sache. Eine Toilette findet die App ebenso gut.“
Persönliche Gegenstände erfassen
Mit ähnlichem Prinzip arbeitet die App LookTel Recognizer, mit der man persönliche Gegenstände fotografieren und mit Text- oder Audio-Etiketten versehen kann. Wenn ein in dieser Weise erfasster Gegenstand bei geöffneter App vor die Kameralinse kommt, zeigt die App die dazu gespeicherten Informationen an oder liest sie vor – eventuell hilfreich beim Identifizieren von CDs, der Kundenkarte oder Dokumenten. Navigations-Apps wie „Ariadne GPS“ erleichtern blinden Menschen die Orientierung, indem sie den aktuellen Standort über GPS oder das Handy-Signal ermitteln und bei Berührung ansagen, welche Straßen vor oder hinter der Person liegen.
So kannst Du helfen
Eine der neuesten Ideen ist das Crowdsourcing zum Ausgleich visueller Defizite. Mit der App VizWiz fotografiert man Situationen, fügt eine gesprochene Frage hinzu und sendet beide an eine Internet-Community. Unter dem Motto lend your eyes to the blind (Leih deine Augen den Blinden) verbindet auch die Non-Profit-App Be my Eyes (Sei meine Augen) Menschen mit und ohne Sehbehinderung in einem Netzwerk. Per Klick auf einen Button kann der Mensch, der Sehhilfe benötigt, einen Videochat initiieren und seine Umgebung filmen. Knapp 10.000 Menschen stehen derzeit 915 Menschen mit Sehschwäche zur Verfügung und helfen ihnen Alltagssituationen zu meistern. Der Sozialreferent des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands, Reiner Delgado, erklärte im Spiegel-Interview, dass er sich seine Post gewöhnlich elektronisch vorlesen lässt, mit einem QR-Code-Reader Lebensmittel identifizieren kann und meistens Familie oder Nachbarn zur Hilfe stehen. Prinzipiell oder für einen Notfall halte er die App aber für eine gute Idee.
Spannend sind die Beispiele auf jeden Fall, auch wenn viele Entwicklungen noch nicht ausgereift scheinen. Was meinst Du? Sind Apps hier wirklich sinnvoll oder sind sie vielmehr eine Farce als eine Hilfe?