Die Stars aus "Die Vorkosterinnen" posieren auf dem Roten Teppich für die Kamera.
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Selena Gomez, Steve Martin und Martin Short in Only Murders in the Building Staffel 5
Koch Steffen Henssler posiert für "The Taste 2025" am Set für die Kamera.

Die Vorkosterinnen: Steckt eine wahre Geschichte hinter dem Filmdrama?

15 junge Frauen wer­den in der Nazi-Zeit gezwun­gen, täglich ihr Leben zu riskieren: Sie müssen Hitlers Essen vorkosten, um zu testen, ob es vergiftet ist. Doch ob hin­ter „Die Vorkos­terin­nen” tat­säch­lich eine wahre Geschichte steckt, erk­lären wir Dir hier. 

Die Vorkosterinnen: Ein bewegender Film – und die Geschichte dahinter

Rosa Sauer (Elisa Schlott) find­et 1943 in einem 300-See­len-Dorf in Ost­preußen Zuflucht. Ihr Mann kämpft an der Front, ihre Woh­nung in Berlin ist aus­ge­bombt. Was sie nicht weiß: Ganz in der Nähe und tief im Wald ver­steckt liegt Adolf Hitlers „Wolf­ss­chanze” – sein geheimes Haup­tquarti­er an der Ostfront.

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Die SS zwingt Rosa und 14 andere Frauen, Hitlers Speisen vorzukosten. Während im Krieg über­all in Europa Men­schen hungern, essen sie Spargel, Obst, Gemüse und Nudeln. Aber mit jedem Hap­pen riskieren sie ihr Leben: Denn falls die Lebens­mit­tel vergiftet sind, ster­ben sie – und nicht Hitler.

Diese Geschichte erzählt der Film „Die Vorkos­terin­nen”. Der ital­ienisch-schweiz­erische Regis­seur Sil­vio Sol­di­ni („Brot und Tulpen”) hat dafür den gle­ich­nami­gen Best­seller-Roman von Rosel­la Pos­tori­no (2018) verfilmt.

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Aber: Han­delt es sich bei „Die Vorkos­terin­nen” um eine wahre Geschichte? Buch und Film basieren auf den Erleb­nis­sen von Mar­got Woelk, die erst mit 95 Jahren in einem Zeitungsin­ter­view davon erzählte. Die Sto­ry lehnt sich an Woelks Erin­nerun­gen an, ist aber teil­weise fik­tion­al­isiert. Die Haupt­fig­ur heißt Rosa und nicht Mar­got. Auch ihre Beziehung zu dem SS-Mann im Film ist erfunden.

Wer ist Margot Woelk?

Mar­got Woelk kommt im Dezem­ber 1917 in Berlin zur Welt. Ihr Vater weigert sich, der NSDAP beizutreten, sie geht nicht zum Bund Deutsch­er Mädel (BDM). 1939 heiratet sie Karl, einen Sol­dat­en der Wehrma­cht. Zu Beginn des Zweit­en Weltkriegs arbeit­et die junge Frau als Sekretärin. 1942 zer­stören Bomben die Woh­nung, in der sie aufgewach­sen ist, und Mar­got flieht aus der Stadt.

Ihr Ehe­mann ist zu dieser Zeit als Sol­dat in der Ukraine. Doch seine Eltern wohnen im ost­preußis­chen Dorf Groß-Partsch. Dor­thin zieht die 24-Jährige. Nur 2,5 Kilo­me­ter ent­fer­nt befind­et sich als Teil eines Bunker­sys­tems das Führerhaup­tquarti­er Wolf­ss­chanze. Das ist eines der mil­itärischen Lagezen­tren des Führungsstabes der deutschen Wehrma­cht. Hitler ver­bringt dort während des Zweit­en Weltkriegs mehr als 800 Tage.

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Das ist auch der Grund, warum die SS nach kurz­er Zeit nicht nur Mar­got, son­dern auch 14 andere junge Frauen abholt. Sie wer­den zu ein­er Baracke in der Nähe gebracht, nicht in die Wolf­ss­chanze selb­st. Die Nazis haben Angst, dass die Alli­ierten oder andere Feinde Hitler vergiften kön­nten. Darum zwin­gen sie die Frauen, seine Speisen vorzukosten. Falls etwas beigemis­cht wäre, würde eine von ihnen ster­ben und nicht er. Alle Vorkos­terin­nen sind zwis­chen 20 und 30 Jahre alt. Eine weit­ere Anforderung der SS: Sie müssen gesund sein.

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Das vergessene Leiden der Vorkosterinnen

Jeden Mor­gen wer­den die Frauen mit einem Bus abge­holt und zur Baracke gebracht, aber nur, wenn sich Hitler tat­säch­lich im Haup­tquarti­er befind­et. Dann wird ihnen ein Gericht vorge­set­zt, das ihm später serviert wer­den soll. Eine Diätköchin bere­it­et die veg­e­tarischen Speisen frisch zu.

„Es gab meist Gemüse, nie Fleisch, sel­ten Sup­pen”, erin­nert sich Mar­got Woelk viele Jahre später in dem Inter­view mit der B.Z., in dem sie die wahre Geschichte der Vorkos­terin­nen erst­mals erzählt. „Wir fühlten uns wie Ver­such­skan­inchen”, ergänzt sie.

Die Frauen wis­sen nie, ob sie die Mahlzeit über­ste­hen wer­den. In der Reportage „Hitlers Vorkos­terin” des RBB sagt sie: „Manchen liefen schon beim Essen die Trä­nen runter.” Eine Stunde müssen sie sitzen­bleiben, bevor sie auf­ste­hen dür­fen. Danach „haben wir geheult wie die Schlosshunde, dass wir’s über­lebt haben”.

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Am 20. Juli 1944 deponiert Claus Schenk Graf von Stauf­fen­berg eine Sprengladung in der Wolf­ss­chanze, die Hitler töten soll. Doch der über­lebt mit leicht­en Ver­let­zun­gen. Für die Vorkos­terin­nen hat das Atten­tat Fol­gen: Sie müssen nun in ein­er leer ste­hen­den Schule in der Nähe wohnen. Mehr als 2,5 Jahre testen die Frauen unter Lebens­ge­fahr das Essen des „Führers”.

Als die Rote Armee im Herb­st 1944 nur noch wenige Kilo­me­ter ent­fer­nt ist, hil­ft Mar­got ein Ober­leut­nant, damit sie in let­zter Minute nach Berlin fliehen kann. Nach dem Krieg erzählt er ihr, dass sow­jetis­che Sol­dat­en die anderen 14 Vorkos­terin­nen erschossen haben.

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Die wahre Geschichte der Vorkosterinnen: Warum Margot Woelk jahrzehntelang schweigt

In Berlin ver­steckt sich Mar­got Woelk bei einem Arzt, der sie vor der SS ret­tet. Später wird sie von Sol­dat­en der Roten Armee zwei Wochen lang fest­ge­hal­ten und verge­waltigt. Sie erlei­det dabei so schwere Ver­let­zun­gen, dass sie keine Kinder mehr bekom­men kann. 1946 find­en sich der tot geglaubte Karl und Mar­got wieder. Die bei­den leben zusam­men in der Woh­nung ihrer Eltern, bis er stirbt.

Die ehe­ma­lige Vorkos­terin spricht lange nicht über das, was sie erlebt hat. Auch ihr Mann weiß nichts davon. Erst als sie 95 Jahre alt ist, erzählt sie einem Reporter von ihrem Schick­sal. Der erin­nert sich später: „Eigentlich war unser The­ma, dass sie ein Leben lang in ihrer Woh­nung lebte.” Doch dann habe sie plöt­zlich gesagt: „Da ist noch etwas …” (via B.Z.).

In der RBB-Reportage erk­lärt sie, warum sie so lange geschwiegen hat: „Auf ein­mal habe ich gedacht, das muss eigentlich mal raus – vielle­icht, weil ich immer Alb­träume hat­te.” Vorher habe sie vergessen wollen, was vorge­fall­en ist.

Adolf Hitler hat Mar­got Woelk nach eigen­er Aus­sage nie gese­hen – aber fast jeden Tag dessen Schäfer­hund. „Blondie” spielte vor der Baracke, in der Hitlers Vorkos­terin­nen das Essen testen mussten.

Im April 2014 stirbt Mar­got Woelk im Alter von 97 Jahren in Berlin.

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Die wahre Geschichte von Hitlers Vorkosterinnen

Nach­dem 2014 die RBB-Reportage über Mar­got Woelk erschien war, äußert sich ein His­torik­er und Jour­nal­ist kri­tisch. Das Essen für Hitler sei im Inneren der Wolf­ss­chanze zubere­it­et wor­den, in einem streng abgeriegel­ten Bere­ich, heißt es in einem Artikel der Welt. Es sei nicht sin­nvoll gewe­sen, das Essen nach außen zu trans­portieren. Zudem gebe es nir­gend­wo son­st Hin­weise auf die Vorkosterinnen.

Ein ander­er His­torik­er schreibt ein Buch über Hitlers Jahre in der Wolf­ss­chanze. In einem Gespräch mit der Deutschen Welle sagt Felix Bohr, dass er bei seinen Recherchen keine Quellen gefun­den habe, die Mar­got Woelks Geschichte und die Exis­tenz von Hitlers Vorkos­terin­nen bestäti­gen – aber auch keine, die das Gegen­teil beweisen.


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