Autor Johann Scheerer
© Christian Charisius/dpa
Der Cast von Barbaren
Zwei Frauen feiern
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Wir sind dann wohl die Angehörigen: Die wahre Geschichte

Ab dem 3. Novem­ber 2022 kannst Du das Krim­idra­ma „Wir sind dann wohl die Ange­höri­gen“ im Kino sehen. Regis­seur Hans-Chris­t­ian Schmid („Crazy”, „Requiem”) hat das gle­ich­namige Buch von Johann Scheer­er ver­filmt. Scheer­er ist der Sohn des 1996 ent­führten Mil­lionener­ben Jan Philipp Reemts­ma. Film und Buch the­ma­tisieren die Ent­führung aus Sicht der Fam­i­lie. Hier liest Du die wahre Geschichte hin­ter „Wir sind dann wohl die Ange­höri­gen“.

Die wahre Geschichte hinter „Wir sind dann wohl die Angehörigen”: Wer ist Jan Philipp Reemtsma?

Am Tag sein­er Ent­führung am 25. März 1996 ist Jan Philipp Reemts­ma 43 Jahre alt, ver­heiratet und hat einen 13 Jahre alten Sohn: Johann Scheer­er. 2018 veröf­fentlicht Scheer­er den Roman, auf dem der Film „Wir sind dann wohl die Ange­höri­gen” basiert. Im Film übern­immt Philipp Hauß die Rolle von Jan Philipp Reemts­ma. Sein Sohn Johann wird von Claude Hein­rich gespielt. Adi­na Vet­ter schlüpft in die Rolle der Mut­ter Ann Kathrin Scheer­er.

Doch wer ist die Fam­i­lie eigentlich? Jan Philipp Reemts­ma ist Grün­der des Ham­burg­er Insti­tuts für Sozial­forschung und Nachkomme ein­er ver­mö­gen­den Indus­triel­len­fam­i­lie. Der Lit­er­atur­wis­senschaftler verkaufte seine Anteile an dem Unternehmen bere­its im Alter von 26 Jahren und wurde dadurch zum Mul­ti­mil­lionär. Er gehört zu den reich­sten Men­schen Deutsch­lands.

Die Fam­i­lie Reemts­ma wohnt auf einem großzügi­gen Grund­stück im Ham­burg­er Stadt­teil Blanke­nese. Am Abend des 25. März ver­lässt Reemts­ma das Wohn­haus, um sich in seinem eben­falls auf dem Grund­stück befind­lichen Arbeit­shaus zu entspan­nen. In einem Gebüsch auf dem Grund­stück der Fam­i­lie lauern zwei Män­ner. Und dann passiert es.

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Die wahre Geschichte der Entführung

Die Ent­führer über­wälti­gen Reemts­ma, fes­seln ihn und wer­fen den hil­flosen Mann in den Kof­fer­raum ihres Wagens. Die Namen der Krim­inellen: Thomas Drach und Wolf­gang Kosz­ics. Sie haben Monate zuvor ein Haus in einem nord­deutschen Dorf namens Garl­st­edt angemietet, in das sie Reemts­ma ver­schlep­pen.

Am Abend des Ent­führungstages find­et Reemts­mas Frau Ann Kathrin Scheer­er auf ein­er Mauer vor dem Wohn­haus einen Brief. Die Ent­führer haben das Stück Papi­er mit ein­er Hand­granate beschw­ert. In dem Erpresser­brief fordern die Kid­nap­per 20 Mil­lio­nen D-Mark Lösegeld. Die Dro­hung: Wenn die Fam­i­lie Polizei oder Medi­en informiert, wird Jan Philipp Reemts­ma ermordet.

Ann Kathrin Scheer­er lässt sich jedoch nicht ein­schüchtern und informiert nachts die Polizei. Wenige Tage später arbeit­en rund 200 Ein­satzkräfte am Ent­führungs­fall Reemts­ma.

Die Polizei appel­liert an die Medi­en, den Fall noch nicht pub­lik zu machen. Alle eingewei­ht­en Redak­tio­nen hal­ten sich an diese Bitte.

So lief die Kontaktaufnahme ab

Im Erpresser­brief geben die Krim­inellen Anweisun­gen, wie die Kon­tak­tauf­nah­men stat­tfind­en soll: Ann Kathrin Scheer­er soll in der Zeitung Ham­burg­er Mor­gen­post eine Anzeige schal­ten. Der Inhalt: „Alles Gute, Ann Kathrin“ und eine Faxnum­mer, über die die Ent­führer mit ihr kom­mu­nizieren kön­nen.

Über Kleinanzeigen ver­sucht die Polizei in den kom­menden Wochen immer wieder, mit den Ent­führern in Kon­takt zu treten. Für Unbeteiligte völ­lig harm­lose Grußbotschaften sollen die Bere­itschaft der Fam­i­lie sig­nal­isieren, das geforderte Lösegeld zu zahlen: „Alles Gute, Ann Kathrin. Laßt uns nicht so lange warten. Es ist doch alles bere­it. Melde Dich!“, inseriert die Polizei unter anderem in der Ham­burg­er Gruß­post. Und irgend­wann klappt es.

Die Geldübergabe scheitert

Am 3. April 1996 soll in der Nähe von Ham­burg das Lösegeld übergeben wer­den. Ann Kathrin Scheer­er und der Anwalt Johann Schwenn sollen das Geld über­brin­gen. Doch die Über­gabe scheit­ert.

Auch die zweite Geldüber­gabe am 13. April 1996 scheit­ert, da Schwenn den Sack mit Geld zu spät am Über­gabepunkt abliefert. Jan Philipp Reemts­ma sitzt mit­tler­weile fast 20 Tage in seinem engen Ver­lies in dem unauf­fäl­li­gen Haus mit Reet­dach in Garl­st­edt.

Jan Philipp Reemtsma kommt frei

Die Ent­führer melden sich bei dem Ham­burg­er Pas­tor Chris­t­ian Arndt und dem Sozi­olo­giepro­fes­sor Lars Clausen. Bei­de Män­ner sind Fre­unde von Jan Philipp Reemts­ma. Sie sollen die Geldüber­gabe übernehmen. Doch mit­tler­weile wollen die Ent­führer mehr Geld: 30 Mil­lio­nen D-Mark Lösegeld soll die Fam­i­lie zahlen.

Am 24. April gelingt die Geldüber­gabe schließlich. Die bei­den Reemts­ma-Ver­traut­en Arndt und Clausen parken nahe Krefeld ihren Wagen an einem Ack­er. Im Gepäck haben sie zwei Reise­taschen voller Geld.

Endlich: Die Ent­führer melden sich und bestäti­gen den Erhalt des Geldes. In der Nacht zum 27. April 1996 lassen sie Jan Philipp Reemts­ma frei. Der ori­en­tierungslose Mann läuft durch die dun­kle Nacht und find­et schließlich ein Wohn­haus. Er meldet sich bei sein­er Frau per Tele­fon: „Ich bin’s. Ich bin frei“.

Der Lit­er­atur­wis­senschaftler und Indus­trie-Erbe Jan Philipp Reemts­ma wurde 1996 ent­führt und tage­lang gefan­gen gehal­ten. Hier auf einem Foto von 2019. — Bild: pic­ture alliance/dpa | Chris­t­ian Chari­sius

Die Jagd nach den Tätern beginnt

Am Tag nach der Freilas­sung spielt die Polizei im Rah­men ein­er Pressekon­ferenz Tonauf­nah­men der Ent­führer ab. Und tat­säch­lich: Mith­il­fe der Auf­nah­men lassen sich zwei Täter iden­ti­fizieren: Die Polizei ver­haftet Wolf­gang Kosz­ics und Peter Richter. Als Drahtzieher iden­ti­fiziert die Polizei Thomas Drach – er hat das Haus in Garl­st­edt gemietet. Drach set­zt sich nach Argen­tinien ab, wird jedoch 1998 nach Deutsch­land aus­geliefert. Ein weit­er­er Mit­täter, Piotr Laskows­ki, stellt sich 1999 selb­st der Polizei.

Alle an der Tat beteiligten Män­ner erhal­ten teils langjährige Haft­strafen. Laskows­ki wird nach sein­er Haft­strafe 2002 in sein Heimat­land Polen abgeschoben. Am 10. Feb­ru­ar 2014 taucht Wolf­gang Kosz­ics’ Leiche im Meer vor der por­tugiesis­chen Algarve auf. Die Polizei geht von Suizid aus.

Das Bild zeigt den Sprecher der Polizei Hamburg 1996 bei einer Pressekonferenz

Polizeis­prech­er Wern­er Jan­tosch zeigt 1996 in Ham­burg eine von Jan Philipp Reemts­ma ange­fer­tigte Skizze des Keller­raums, in dem der Mil­lionenerbe fast fünf Wochen lang einges­per­rt war. — Bild: pic­ture-alliance / dpa | Carsten_Rehder

Wo ist das Lösegeld geblieben? Das sagt die wahre Geschichte hinter „Wir sind dann wohl die Angehörigen”

Jahre nach der Ver­haf­tung und Verurteilung der Kid­nap­per ste­ht die Jus­tiz immer noch vor einem Rät­sel: Ein großer Teil des Lösegelds ist bis heute nicht wieder aufge­taucht. Nur (umgerech­net) 1,3 Mil­lio­nen Euro des Geldes machen die Behör­den aus­find­ig. Die Polizei ver­mutet zunächst, dass die fehlende Geld­summe im Rock­er­m­i­lieu gewaschen wurde. Doch dies erweist sich als Fehlannahme.

Heute gehen die Behör­den davon aus, dass der Brud­er von Drahtzieher Thomas Drach das Geld entwed­er ver­prasst oder bei einem gescheit­erten Dro­gen­deal ver­loren hat.

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