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Drachenreiter in der featured-Filmkritik: Drachen nachahmen leichtgemacht
Auf der Suche nach einem Zufluchtsort verwickelt Jungdrache Lung den Waisenjungen Ben in ein fantastisches Abenteuer. Warum die Adaption des Fantasyromans von Cornelia Funke für uns eher mittelprächtig funktioniert, erfährst Du in der featured-Filmkritik zu Drachenreiter.
Seit 2005 wurden bereits zehn Romane von Cornelia Funke als Kinofilm adaptiert. Mit „Drachenreiter“ kommt nun der erste Animationsfilm, der auf einem ihrer Werke basiert, ins Kino. Wie so oft wurden dafür prominente anstelle professioneller Synchronsprecher verpflichtet. Ob sich der Gang ins Kino dafür lohnt, erfährst Du in unserer Filmkritik.
Drachenretter: Der Saum des Himmels
Drachen dürfen nicht fliegen. Drachen dürfen kein Feuer spucken. Eigentlich dürfen die einst so mächtigen Wesen gar nichts mehr, damit sie nicht auffallen. Um sich vor der Menschheit zu verstecken, hausen sie, mit Kobolden und anderen magischen Kreaturen, in einem Stück Dschungel. Als auch dieser Rückzugsort droht von ihren Widersachern gefunden zu werden, machen sich Jungdrache „Lung“ (gesprochen von Julien Bam) und Koboldmädchen „Schwefelfell“ (gesprochen von Dagi Bee) auf die Suche nach dem „Saum des Himmels“, einem sagenumwobenen Zufluchtsort für Drachen.
Auf ihrem Weg treffen sie auf den obdachlosen Jungen Ben (gesprochen von Mike Singer), der sich spontan als „Drachenreiter“, eine mystische Figur in der Welt der Drachen, ausgibt. Schnell wird klar, dass nicht nur die Menschheit eine Gefahr für das ungewöhnliche Trio darstellt. Auch das drachenartige Geschöpf „Nesselbrand“ (gesprochen von Rick Kavanian) ist ihnen auf den Fersen. Das alchemistisch geschaffene Maschinenmonster hat nur ein Ziel: alle Drachen fressen!
Story schreiben leichtgemacht – Part I: Das Problem mit der Vorlage
Dank einfacher Sprache und klar gezeichneten Charakteren holen Bücher wie „Drachenreiter“ oder „Tintenherz“ den Leser ab. Einmal drin, gibt es im Roman „Drachenreiter“ eine in sich stimmige und moderne Fantasiewelt zu entdecken. Ein besonderer Aspekt der Buchvorlage ist, dass die Kapitel aus der Perspektive wechselnder Charaktere geschrieben sind. Leider hat man sich bei der filmischen Adaption dagegen entschieden und auf das bekannte Schema, die Geschichte aus einer Perspektive zu erzählen, zurückgegriffen. Der Umstand selbst macht den Film nicht schlechter als andere Animationsfilme der gleichen Bauart. Es ist nur schade, dass hier eine Chance für ein Alleinstellungsmerkmal ausgelassen wurde. Zumal einige Charaktere, wie der Doppelagent „Fliegenbein“, sicherlich interessante Blickwinkel geboten hätten.

Das ungewöhnliche Trio: Schwefelfell, Lung und Ben machen sich gemeinsam auf die Suche nach dem „Saum des Himmels“. — Bild: 2020 Constantin Film Verleih GmbH
Story schreiben leichtgemacht – Part II: Worldbuilding
Auch an anderer Stelle entfernt sich das Drehbuch weit von seiner Vorlage und das, um sich popkulturellen Querverweisen hinzugeben. So zum Beispiel, als Ben sich bei einer „Drachenzähmen leicht gemacht“-Premiere herumschleicht. An sich ein hübscher Gag auf der Metaebene. Dass das offizielle Plakat zu „Drachenreiter“ im Stil von „Drachenzähmen leicht gemacht“ gestaltet wurde, ist wiederum ärgerlich. So entsteht der Eindruck, man hätte es mit einem Abklatsch zu tun. Dabei erschien die Buchvorlage von Cornelia Funke bereits 1997, die zu „Drachenzähmen leicht gemacht“ erst 2003.
Ein weiterer popkultureller Querverweis, der nach hinten los gegangen ist, ist zum Beispiel, wenn das Monster „Nesselbrand“ sich via Smartphone bei einer Partnerbörse anmeldet. Das ist für den Moment vielleicht lustig, passt aber nicht in die Fantasiewelt, in der die Geschichte spielt. Der Reiz liegt zum großen Teil darauf, dass die Menschheit eben nichts (mehr) von den Fabelwesen weiß. Daher wirkt diese Szene eher plump und sorgt nur für einen kurzen, aber nicht nachhaltigen Lacher.
Prominente Synchronsprecher: Gewalt an Stimmen
Bei der deutschen Synchronfassung haben wir einen Flashback. Wir erinnern uns an unsere Filmkritiken zu den Animationsfilmen „Pets 2“ und „Spione Undercover“. Denn auch hier leihen TV- und Web-Prominente den Protagonisten ihre Stimmen. Die Youtube-Stars Julien Bam und Dagi Bee leisten zweifelsfrei in der Webvideoproduktion beträchtliche Arbeit. Hier stellt sich aber die Frage, ob sie das auch zur Arbeit eines Synchronsprechers qualifiziert. Das ewig emotionslose Gezeter von Dagi Bees Koboldmädchen „Schwefelfell“ erinnert eher an günstige Heimvideo-Animationsfilme, gleiches gilt für Julien Bams Drachen „Lung“. Noch deutlicher wird das im Vergleich zu Rick Kavanian oder Kayar Yanar. Obwohl beide als Schauspieler und Comedian angefangen haben, sind sie mittlerweile etablierte Synchronsprecher.
Drachenreiter: Im Windschatten der großen Produktionen
Mit seiner ständigen Action wird „Drachenreiter“ gerade die jüngeren Zuschauer begeistern können. Es tauchen immer wieder neue Figuren auf und auch Nesselbrand und seine Freunde sorgen für Gags. Echte Emotionen, Entwicklungen und Spannungskurven, eben all das was potenziell auch Jugendliche und erwachsenes Publikum interessieren könnte – siehe Pixar – fehlt „Drachenreiter“ leider. Die Chancen stehen hingegen gut, dass die englische Synchronfassung überzeugender ist.
Drachenreiter | |
Originaltitel: | Dragon Rider |
Genre: | Animation / Abenteuer / Familie |
Bundesstart: | 15.10.2020 (Kino) |
Laufzeit: | 91 Minuten |
FSK: | Ab 0 Jahren |
Regie: | Tomer Eshed |
Drehbuch: | Johnny Smith |
Vorlage: | „Drachenreiter“ von Cornelia Funke |
„Drachenzähmen“ oder „Drachenreiter“? Erzähl uns, bei welchem Drachenfilm Dir das Herz aufgeht!