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Auto Chess: Das steckt hinter dem Hype
Kaum ein Videospiel erobert die Herzen der Spieler derzeit so schnell wie Auto Chess, aber warum eigentlich? Setze ein paar Figuren auf ein Schachbrett-ähnliches Spielfeld und schaue zu, wie sich die Einheiten vollautomatisch eins auf die Mütze geben. Das klingt zunächst nicht allzu spannend – doch die Mechaniken sind erstaunlich komplex.
4. Januar 2019: Die chinesischen Indie-Entwickler von Drodo Studio veröffentlichen eine Modifikation („Mod”) für Dota 2 namens Dota Auto Chess: Auf einer separaten Karte erleben Spieler so ganz neue Mechaniken, die mit der Multiplayer Online Battle Arena (MOBA) selbst kaum noch etwas gemein haben – ein Spiel im Spiel.
Schon im Mai 2019 verzeichnet Dota Auto Chess über acht Millionen Spieler weltweit, ein Hit – und ein brandneues Genre. Der Erfolg rief schnell Nachahmer auf den Plan: Teamfight Tactis von den League-of-Legends-Machern Riot Games sowie Dota Underlords von den Dota-Schöpfern Valve selbst. Drodo Studio haben inzwischen ihrerseits eine eigenständige Fassung herausgebracht, die nicht mehr Dota 2 benötigt und einfach „Auto Chess” heißt. Um Verwechslungen von den Drodo-Werken vorzubeugen ist bei Auto-Chess-Spielen im allgemeinen oft von „Auto-Battlern” die Rede.
Video: Youtube / Henry - german lets plays
Kaum Hürden beim Einstieg
Während in MOBAs wie Dota oder in Echtzeit-Strategiespielen wie Starcraft 2 taktisches Geschick ebenso entscheidend ist wie schnelle Reaktionen, ist es bei Auto Chess respektive Auto-Battlern egal, wie viele Klicks pro Minute Du schaffst und wie präzise Deine Mauseingaben sind. Vor jedem Match legst Du die Aufstellung Deiner Truppen fest und lässt sie dann auf die Gegner los – vollautomatisch. Acht Spieler treten so pro Runde in mehreren Matches gegeneinander an, bis nach rund einer halben Stunde ein Sieger feststeht. Der Zufall spielt stets eine große Rolle, etwa welche Einheiten Dir zum Kauf angeboten werden. Der Trick besteht darin, aus den gegebenen Umständen das Beste zu machen und entweder Risiken einzugehen oder die sichere Schiene zu fahren.
Bislang sind alle Auto-Battler Free-to-Play, wobei Du gegen Echtgeld nur kosmetische Gegenstände erhältst. Die Einstiegshürde liegt also auch in finanzieller Hinsicht tief.
Video: Youtube / Dadosch
Leicht zu lernen, schwierig zu meistern
Der Erfolg dürfte auf mehrere Faktoren zurückzuführen sein, etwa das eingangs erwähnte Spielprinzip, das der Inbegriff von „leicht zu lernen, schwierig zu meistern“ ist. Du stellst ein Team aus zufällig ausgewählten Figuren auf, lässt sie gegen die Mannschaft eines Mitspielers antreten und verdienst Gold. Die Einnahmen investierst Du wiederum in neue Kämpfer und Ausrüstung oder lässt es im Tresor liegen, um Zinsen zu erhalten. Schnell wird klar: Mit Schach hat das Ganze nur rudimentär etwas zu tun. Beim Spiel der Könige siegt derjenige, der die nächsten Züge am besten plant – sowohl die eigenen als auch die des Gegners.
In Auto Battlern besteht das eigentliche Gameplay ebenfalls daraus, sich auf die nächsten Schlachten vorzubereiten. Es geht darum, die richtigen Entscheidungen zu treffen: Welche Kämpfer hole ich in mein Team? Welche Synergien lohnen sich? Nutze ich den Krieger, um die Flanke zu decken? Lasse ich mein Gold besser auf der Bank? Die Masse an Möglichkeiten lädt zum Ausprobieren ein und umso größer kann die Freude sein, wenn ein Plan aufgeht.
Stelle die richtigen Einheiten zusammen
Alle Einheiten in Auto-Chess-Spielen sind aufgeteilt in unterschiedliche Rassen und Klassen – von Druiden-Zauberern über Ork-Krieger und elfische Dämonenjäger bis hin zu Naga-Assassinen. Sie besitzen eigene Fähigkeiten, Stärken und Schwächen. Drei gleiche Figuren lassen sich zu einer stärkeren Variante verschmelzen; drei dieser Level-2-Figuren wiederum werden zu einer noch mächtigeren Level-3-Figur – Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ob sich eine Einheit upgraden lässt, hängt auch vom Glück ab: Die Anzahl der zum Kauf stehenden Exemplare ist begrenzt und alle Spieler teilen sich den Pool. Solltest Du also jemandem begegnen, der bereits viele gleiche Figuren besitzt, dürften nicht mehr viele weitere gleiche Kämpfer zu erwarten sein. Tatsächlich haben sich die Entwickler von Drodo Studio auch vom chinesischen Spiel Mahjong inspirieren lassen, das Ähnlichkeiten mit Rommé besitzt. Auch hier gilt es, gleichartige Steine, beziehungsweise Karten, zu sammeln, deren Menge insgesamt aber begrenzt ist.
Elementar sind auch Klassen- und Spezies-Kombos. Einheiten erhalten Boni, wenn sie mit bestimmten anderen Gruppen auf dem Feld stehen. Beispiele aus Dota Auto Chess: Befinden sich mehrere Zwerge in der Schlacht, steigt deren Angriffsradius. Druiden wiederum benötigen nur zwei Einheiten, um zu einer stärkeren Variante zu verschmelzen. Ähnliche Kombos finden sich in allen Auto-Battlern und sind ein wesentlicher Bestandteil des Genres.
Die Preise für die Einheiten in Dota Auto Chess rangieren von ein bis fünf Goldstücke, wobei Dir teurere Einheiten seltener angeboten werden.
Bis Du alle Figuren mit ihren Eigenheiten kennst, vergeht einige Zeit – ganz zu schweigen von den zahlreichen Ausrüstungsgegenständen von unterschiedlicher Seltenheit, denn die gibt es nämlich auch noch. Insgesamt besteht der Einheiten-Fundus in den meisten Genrevertretern aus über 50 Figuren. Mal heißen sie Helden, mal Champions. Inzwischen hat sich der allgemeine Begriff „Chesses” etabliert, kurz für „Chess pieces”, also „Schachfiguren”.
Überdies erweisen sich manche Einheiten als empfehlenswert zu Spielbeginn, während sich andere wiederum im Mid- und Late-Game als vorteilhaft erweisen. Die Community erstellt daher immer wieder sogenannte Tier Lists (von Engl. „tier”: „Rang”). Hier siehst Du Tier Lists für Dota Auto Chess und für Teamfight Tactics. Dabei sei angemerkt, dass Patches die Listen mit einem Mal gehörig durcheinanderwürfeln können.
Auto Battler funktionieren sogar per Chat
Da Auto Battler kaum Eingaben erfordern, lassen sie sich sich sogar per Chat spielen: So exisitert im Rahmen von Twitch Play TFT ein Channel, in dem die Community des Streaming-Portals Teamfight Tactics via Bot spielt – Befehle erfolgen also allein über Texteingabe als Kommentar zum laufenden Spiel. Was chaotisch klingt, funktioniert offenbar erstaunlich gut: Ende Juli 2019 rangiert der chatgesteuerte Account unter den 11 Prozent der besten Spieler. Über Tastaturbefehle spielten sich die Chat-Teilnehmer durch die Eisen-, Bronze- und Silber-Ränge und stehen derzeit (Stand: 25. Juli 2019) in Gold 4, also einen Schritt vor der nächsthöheren Stufe Platin. Ob es dann noch für Platin, Diamant, Meister und Großmeister reicht, bleibt abzuwarten.
Übrigens: Als Teamfight Tactics Ende Juni 2019 veröffentlicht wurde, gingen die EU-Server in die Knie. Offenbar wollten vor allem Deutsche Spieler wissen, wie sich der Auto-Battler im League-of-Legends-Universum schlägt. Anders als etwa Dota Underlords ist Teamfight Tactics übrigens ausschließlich als eigenständiger Modus des PC-MOBAs spielbar, eine App für Android oder iOS existiert bisher nicht.
Hey EUW,
Turns out there’s still some shenanigans that we’re running into as a result of how many of you are trying to play. There’s more of you that want to try TFT than anywhere else in world which is neat, but there’s so many of you we can’t get all of you into games 🙁
— Richard Henkel (@RiotMapleNectar) 27. Juni 2019
Auto Battler halten im esport Einzug
Unterdessen schickt sich Auto Chess an, auch im esport-Bereich Fuß zu fassen. Im Rahmen von Twitch Rivals fand am 17. und 18. Juli ein großes Teamfight-Tactics-Turnier statt – Preisgeld: 125.000 US-Dollar. Drodo Studio hat indes größere Pläne: So ist für Oktober 2019 mit dem „Auto Chess Invitational” ein Event in Shanghai geplant, bei dem insgesamt Preise im Wert von einer Million US-Dollar ausgeschüttet werden sollen. Erste Qualifizierungsmatches sind für August angesetzt. Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass esports-Teams bereits spezielle Auto-Battler-Spieler anheuern.
Auto Chess, Dota Underlords, Teamfight Tactics und Co.
Inzwischen sind auch andere Firmen auf den Auto-Chess-Zug aufgesprungen: Drodo Studio selbst hat eine mobile App für iOS und Android namens „Auto Chess” veröffentlicht, während Valve und Riot Games mit Dota Underlords und Teamfight Tactics ihrerseits eigenständige Games herausbrachten. Näheres erfährst Du in unserem Artikel zu den besten Auto-Chess-Spielen. Drodos App ist inzwischen auch als Beta für den PC erschienen und hat optisch einiges zu bieten. Im unten verlinkten Video kannst Du Dir selbst ein Bild davon machen.
Video: Youtube / MMOJACKX57
Indes schickt auch der chinesische Konzern Tencent einen Vertreter in den Ring: Chess Rush, so der Name, ist vorerst nur für Android erhältlich. Die Grundmechaniken sind sehr ähnlich, doch wartet das Spiel mit einem Turbo-Modus auf. Eine Runde soll so nur zehn Minuten dauern, weshalb es besser für zwischendurch geeignet sei. Neu ist auch ein Koop-Modus, bei dem Du mit einem Freund gegen zwei Kontrahenten gleichzeitig antrittst. Nebenbei erwähnt: Tencent besitzt auch große Anteile an Riot Games, die ja mit Teamfight Tactics selbst einen der größten Konkurrenten stellen.
Video: Youtube / nickatnyte
Apropos Turbo-Modus: Der erste Auto-Battler mit einem ähnlichen System war Arena of Evolution: Red Tides, das ebenfalls erst seit kurzem um die Gunst der Spieler buhlt. „Blitz” heißt der Modus für kurz angebundene hier. Erhältlich für iOS und für Android, wartet es mit einigen Eigenheiten auf: So gibt es etwa Beschwörer, die Verstärkung sogar während eines Kampfes von der Reservebank aufs Spielfeld holen können. Zudem existieren fliegende Einheiten, die sich von Boden-Einheiten unterscheiden. Arena of Evolution ist ein Spinoff des F2P-Strategiespiels Art of War: Red Tides, das derzeit als Early-Access-Fassung auf Steam spielbar ist und seinerseits durch die Starcraft-2-Mod Desert Strike inspiriert ist.
Eine weitere Alternative ist Hero Chess: Teamfight Auto, ebenfalls in Apples App Store sowie im Play Store erhältlich. Eine Runde dauert hier auch im Schnitt keine 20 Minuten. Statt Gegenständen gibt’s eine Goldmine, die regelmäßiges Einkommen generiert und sich upgraden lässt.
Bleibt die Frage, ob beispielsweise auch World-of-Warcraft-Macher Blizzard an einem Auto-Battler werkeln, die ja ebenfalls ein MOBA betreiben: Heroes of the Storm steht zwar im Schatten von Dota und LoL, aber vielleicht ändert sich das ja mit dem nächsten Auto-Chess-Game.
Abschließend bleibt nur eines zu sagen: Solltest Du Auto-Battler zum ersten Mal spielen und verlieren, dann mach Dir nichts draus, das geht vielen so.
Spielst Du Auto Chess? Welches Game ist Deine Favorit und warum? Teil Deine Meinung in den Kommentaren.
Titelbild: Eigenkreation / Pexels (Александар Цветановић)