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The Trial of the Chicago 7: Das ist die wahre Geschichte hinter dem Netflix-Drama
Am 16. Oktober startet mit „The Trial of the Chicago 7” ein hochkarätig besetztes Drama bei Netflix, dem jetzt schon Oscar-Chancen eingeräumt werden. Regisseur Aaron Sorkin erzählt darin die wahre Geschichte einer Gruppe Demonstranten, denen nach einem aus dem Ruder gelaufenen Kriegsprotest der Prozess vor Gericht gemacht wird. Wir klären Dich über die Hintergründe des spektakulären Ereignisses auf.
Oscarpreisträger Aaron Sorkin („The Social Network”) hat sich für seine zweite Regiearbeit ein anspruchsvolles Thema ausgesucht. In „The Trial of the Chicago 7” widmet er sich dem titelgebenden Prozess, der im Jahr 1969 für große mediale Aufmerksamkeit sorgte und ein dramatisches Kapitel der amerikanischen Geschichte darstellt.
Für seine Verfilmung der Ereignisse hat Sorkin eine exquisite Besetzung zusammengetrommelt, zu der unter anderem Stars wie Eddie Redmayne, Sacha Baron Cohen, Joseph Gordon-Levitt, Mark Rylance, Michael Keaton und William Hurt gehören. Wie das Zusammenspiel der Darsteller funktioniert und ob der Film seinen Oscar-Vorschusslorbeeren gerecht wird, kannst Du ab dem 16. Oktober bei Netflix oder über die Netflix-Option von GigaTV sehen.
Doch was genau geschah damals eigentlich in Chicago? Welche Personen waren involviert? In diesem Artikel erfährst Du alles, was Du zu den wahren Hintergründen des Films wissen musst.
Kampf gegen das System: Wer waren die Chicago Seven?
Diese Frage muss zunächst mit einer Korrektur beantwortet werden, denn die Chicago Seven waren ursprünglich acht Personen: Abbie Hoffman, Tom Hayden, Jerry Rubin, John Froines, David Dellinger, Lee Weiner, Rennie Davis und Bobby Seale. Letzterer wurde später vom Verfahren ausgeschlossen, weshalb die Bezeichnung der Gruppe auf Chicago Seven abgeändert wurde. Warum, erfährst Du weiter unten im Artikel.
Bei den acht Männern handelte es sich um politische Aktivisten, die jeweils verschiedenen Bürgerrechtsbewegungen angehörten und auf unterschiedliche Weise regelmäßig gegen das System protestierten bzw. für den Frieden demonstrierten.
Der wohl bekannteste unter ihnen war der engagierte Kriegsgegner und Sozialaktivist Abbie Hoffman (im Film dargestellt von Sacha Baron Cohen), der aufgrund seiner aufsehenerregenden und gelegentlich radikalen Protestaktionen ohnehin ein Dorn im Auge der Regierung war. Hoffman war Mitgründer der Youth International Party, deren Mitglieder „Yippies” genannt wurden und für ihre medienwirksamen Kampagnen berühmt-berüchtigt waren.
Er und die anderen oben genannten Protestler nahmen an den Antikriegsdemonstrationen Ende August 1968 teil, was ihr Leben entscheidend verändern sollte.
Zu den Filmen „The Irishman” und „The Aeronauts” haben wir ebenfalls die wahren Geschichten dahinter ausführlich erläutert.
Konflikt mit blutigem Ende: So verliefen die Proteste in Chicago
Besagte Demos fanden kurz vor und während des Parteitages der Demokraten insgesamt acht Tage lang im August 1968 in Chicago statt und richteten sich vordergründig gegen den Vietnamkrieg. Schon weit im Vorfeld kündigten mehrere Protestgruppen ihr Erscheinen und verschiedene Aktionen an, um ihren Ansichten Nachdruck zu verleihen.
Die Polizei und Politiker der Stadt bereiteten sich ihrerseits darauf vor und versprachen der Bevölkerung, dass Ruhe und Ordnung gewährleistet werden würden. Ein Wunschgedanke, der der Wirklichkeit nicht standhalten konnte.
Nachdem bereits in den Tagen zuvor erste Verhaftungen sowie gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten stattfanden, eskalierte die Situation am 28. August 1968 vollends.
In der später als „Battle of Michigan Avenue“ bezeichneten Konfrontation verlor die Polizei jegliche Kontrolle und griff die protestierende Masse mit Schlagstöcken und Tränengas an. Ein gewaltvolles und undurchschaubares Chaos entstand, in dem auch unbeteiligte Zivilisten zu Schaden kamen.
Am Ende der brutalen Zusammenstöße wurden insgesamt rund 600 Verhaftungen sowie über 200 Verletzte auf beiden Seiten vermeldet. Obwohl das äußerst drastische Vorgehen der Polizei vielerorts für Entsetzen sorgte, hatten die Aktivisten, insbesondere die Chicago Seven, weitaus schlimmere Konsequenzen zu tragen.
The Trial of the Chicago 7: Ein Prozess sorgt für Aufsehen
Um ein Exempel zu statuieren, wurden Hoffman, Hayden, Rubin, Froines, Seale, Dellinger, Weiner und Davis angeklagt und etwa ein Jahr später vor Gericht gestellt. Die Anklagepunkte lauteten Aufruhr und Verschwörung. Die Verhandlung, die am 24. September 1969 begann, entwickelte sich zu einem Schauprozess, der die Gegenkultur öffentlichkeitswirksam in die Schranken weisen sollte.
Das Gerichtsverfahren wurde von Beginn an von einer intensiven Berichterstattung der Medien begleitet, die von gefühlt jedem in dem politisch gespaltenen Land mit Spannung verfolgt wurde. Außerhalb des Gerichtssaals herrschte große Unruhe in der Bevölkerung. Der Vietnamkrieg war weiterhin allgegenwärtig. Demonstrationen, Rassismus und Gewalt waren an der Tagesordnung, weshalb die politische und gesellschaftliche Bedeutung der Verhandlung stetig anwuchs.
Der Prozess entpuppte sich als nicht weniger ereignisreich. Die Angeklagten um Hoffman und Rubin führten ihren Protest auch im Gerichtssaal weiter und provozierten Richter Julius Hoffman (im Film gespielt von Frank Langella) mit betont überspitzten Aktionen. So erschienen beide beispielsweise an einem Tag in richterlichen Roben oder empfahlen Hoffman einen Dealer, bei dem er LSD kaufen könne.
Black Panther-Mitglied Bobby Seale (Darsteller: Yahya Abdul-Mateen II) ging noch deutlich wütender vor und beschimpfte den Richter kontinuierlich als Rassisten oder Faschisten. Der ihm ohnehin nicht wohlgesonnene Hoffman ließ Seale daraufhin zunächst knebeln und fesseln, bis er ihn schließlich wegen Missachtung des Gerichts sogar vom Verfahren ausschloss und zu vier Jahren Gefängnis verurteilte.
Aus den Chicago Eight wurden deshalb die Chicago Seven, deren Prozess noch fast fünf Monate andauerte.
Schuldig oder nicht? So lauteten die Urteile für die Angeklagten
Nachdem zahlreiche Zeugen beider Seiten angehört wurden, verkündeten die Geschworenen am 18. Februar 1970 das Urteil: Bis auf Froines und Weiner wurden alle Angeklagten der Volksaufruhr für schuldig befunden und zu fünf Jahren Haft sowie 5000 Dollar Geldstrafe verurteilt. Vom Vorwurf der Verschwörung wurden alle sieben Männer jedoch freigesprochen.
Der Ärger über den Urteilsspruch währte allerdings nicht lange, da das Berufungsverfahren erfolgreich verlief. Im November 1972 wurden sämtliche Verurteilungen aufgehoben, was vor allem mit dem teils groben Fehlverhalten von Richter Hoffman begründet wurde.
Für die Chicago Seven nahm der Prozess letztendlich also doch noch ein gutes Ende. Dass auf Seiten der Polizei niemand angeklagt und verurteilt wurde, warf allerdings einen dunklen Schatten auf das Justizministerium der USA.
Schockierend, aber wahr: Das trifft auch auf die Geschichte des Films „Der Fall Richard Jewell” zu, die wir für Dich beleuchtet haben.
Nach dem Prozess: Das wurde aus den Chicago Seven und Bobby Seale
Von den acht Angeklagten sind heute noch vier am Leben: John Froines, Lee Weiner, Rennie Davis und Bobby Seale.
Froines, der einen Doktortitel in Chemie besitzt, unterrichtete später an Schulen und Universitäten, ehe er 2011 in den Ruhestand ging. Lee Weiner widmete sich weiterhin dem Kampf für Bürgerrechte und setzte sich unter anderem für bessere AIDS-Forschung ein.
Rennie Davis erregte in den Siebzigerjahren mit seiner Konvertierung zum Spiritualismus Aufmerksamkeit, für den er sich auf zahlreichen Reisen durch die USA stark machte. Bobby Seale wurde wenige Jahre nach dem Prozess von den Black Panthers ausgeschlossen. Heute verdient er sein Geld unter anderem als erfolgreicher Autor und Fernsehkoch.
David Dellinger und Thomas Hayden starben beide in hohem Alter, setzten sich aber bis zu ihrem Tod weiterhin für mehr Gerechtigkeit und soziale Gleichheit ein. Jerry Rubin wandelte sich nach dem Ende des Vietnamkrieges vom Aktivisten zum Geschäftsmann, investierte früh in Apple-Aktien und wurde so zum Multimillionär. 1994 wurde er von einem Auto angefahren und erlag zwei Wochen später seinen Verletzungen.
Abbie Hoffman blieb bis zu seinem Suizid im April 1989 ein überzeugter Politaktivist, der mit systemkritischen Artikeln und Protestaktionen für Aufruhr sorgte und dafür mehrmals verhaftet wurde.
Wurde die wahre Geschichte in „The Trial of the Chicago 7” im Netflix-Film gut umgesetzt? Verrate uns Deine Meinung in den Kommentaren!