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The Aeronauts auf Amazon: Wahrheit oder Fiktion?
Im Drama The Aeronauts, das am 20. Dezember bei Amazon startet, geht es hoch hinaus: Es handelt von einem Meteorologen und einer Pilotin, die 1862 eine so gefährliche wie rekordverdächtige Expedition in einem Gasballon unternehmen. Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit, doch nicht alles entspricht den tatsächlichen Fakten. Wir klären auf, was Wahrheit und was Fiktion ist.
The Aeronauts auf Amazon: Handlung und Besetzung
Ein Mann, eine Frau, ein Gasballon und die Unendlichkeit des Himmels: Es könnte so romantisch sein, doch der ehrgeizige James Glaisher und die forsche Amelia Wren sind in The Aeronauts nicht im Auftrag der Liebe, sondern im Namen der Wissenschaft unterwegs.
Im Jahr 1862 wagen sich die beiden auf eine gefährliche Expedition in über 8000 Meter Höhe, um meteorologische Erkenntnisse zu gewinnen und nebenbei den Höhenrekord zu brechen. Auf dem Flug lernt sich das ungleiche Duo nicht nur näher kennen, sondern muss auch bald ums nackte Überleben kämpfen.
In die Rollen von Glaisher und Wren schlüpften Oscargewinner Eddie Redmayne und Felicity Jones, die 2014 bereits für das Drama Die Entdeckung der Unendlichkeit gemeinsam vor der Kamera standen. In The Aeronauts dürfen die beiden nun erneut ihre stimmige Chemie unter Beweis stellen. Prominente Unterstützung bekommen sie dabei von Yesterday-Star Himesh Patel, der Glaishers Assistenten John Trew verkörpert.
Die realen Hintergründe von The Aeronauts
Wer die spektakuläre Ballonfahrt im Film schon ins Reich der Fabeln verbannt hat, dem sei gesagt: Die gewagte Mission geschah tatsächlich. Am 5. September 1862 stieg James Glaisher in die Lüfte. Seine Begleitung war jedoch keine Frau namens Amelia Wren, sondern der erfahrene Ballonpilot Henry Tracey Coxwell.
Gemeinsam unternahmen die beiden Briten innerhalb weniger Jahre insgesamt 28 wissenschaftliche Ballonfahrten. Ihre siebte davon sollte in die Geschichte eingehen und fast 160 Jahre später als Grundlage für The Aeronauts dienen. Die einschneidendste Veränderung für die Verfilmung der Ereignisse findet also bereits bei einer der Hauptfiguren statt.
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Gab es Amelia Wren, gespielt von Felicity Jones, wirklich?
Die kurze und ehrliche Antwort auf diese Frage: Nein. Tatsächlich existierte die im Film präsentierte Pilotin Amelia Wren nicht in Wirklichkeit, sondern wurde speziell für The Aeronauts erfunden. Allerdings steckt dahinter natürlich mehr als reine Fantasie.
Laut Regisseur Tom Harper (Wild Rose) dienten gleich mehrere ikonische Frauen der Luftfahrtgeschichte als Inspiration für die Figur. Die offensichtlichste hiervon lässt sich schon am Namen erkennen: Amelia Earhart gilt als die wohl berühmteste Flugpionierin der Welt und stellte diverse Höhen- und Geschwindigkeitsrekorde auf.
Ebenso basiert Felicity Jones’ Charakter auf den professionellen Ballonfahrerinnen Margaret Graham und Sophie Blanchard. Letztere weist dabei die größten Gemeinsamkeiten zu Amelia Wren im Film auf. So ist diese - genau wie Blanchard - früh zur Witwe geworden und besitzt eine Neigung zu spektakulären Showeinlagen in der Luft.
Doch weshalb entschied sich Harper überhaupt dafür, Henry Tracey Coxwell durch eine fiktive Figur zu ersetzen? Die Antwort darauf lieferte er kürzlich dem Time Magazine:
Ich denke, wir brauchen mehr starke, brillante und interessante weibliche Charaktere. Und die Wissenschaft - genau wie die Filmindustrie - ist schon lange Zeit Gegenstand von geschlechtsspezifischen Verzerrungen. Wir sollten aktiver in unserem Bestreben werden, das wiedergutzumachen.
Dem kreativen Beschluss liegt also eine ehrenwerte Absicht zugrunde, ist aber dennoch zumindest diskussionswürdig. Warum, erklären wir weiter unten im Artikel.
Wer war James Glaisher?
Der von Eddie Redmayne dargestellte Wissenschaftler James Glaisher wurde 1809 geboren (und war damit zum Zeitpunkt der besagten Ballonfahrt deutlich älter als seine Filmversion). Glaisher widmete sein Leben der Meteorologie und Aerologie, um die Atmosphäre gründlich erforschen und somit Wettervorhersagen treffen zu können.
Im Zuge dessen ging er eine äußerst erfolgreiche Partnerschaft mit dem Ballonfahrer Henry Tracey Coxwell ein, der als einer der besten seines Fachs galt. Gemeinsam stiegen sie zwischen 1862 und 1866 ganze 28 Mal in die Lüfte. Ihren ersten Flug unternahmen sie am 17. Juli 1862, der sie innerhalb von 12 Minuten buchstäblich über die Wolken brachte.
Dabei machte Glaisher wichtige Entdeckungen bezüglich Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck und Windgeschwindigkeit auf verschiedenen Höhenmetern. Allerdings wurden besonders seine Temperaturmessungen später als fehlerhaft nachgewiesen, da seine Instrumente zu stark von der Sonneneinstrahlung beeinflusst wurden.
Zum schicksalhaftesten und populärsten Flug der beiden Pioniere kam es dann schließlich am 5. September 1862.
So verlief der Ballonflug von Glaisher und Coxwell
Um kurz nach 13:00 Uhr war es an diesem Tag schließlich so weit: Glaisher und Coxwell starteten im englischen Wolverhampton ihre bedeutende Expedition, die sie berühmt machen sollte. An Bord führten sie neben den benötigten Messgeräten und einem Kompass mehrere Flaschen Brandy und sechs Tauben mit.
Die Vögel ließ Glaisher aus Testzwecken in unterschiedlichen Höhen frei. Was die ersten beiden Tauben noch schadlos überstanden, brachte der dritten den Tod. Auf 8000 Meter Höhe fiel das geflügelte Tier wie ein Stein nach unten. Die beiden Männer hätten dies wohl als Warnung verstehen sollen, denn auch für sie verlief die restliche Ballonfahrt äußerst gefährlich.
Als sie nach etwa 45 Minuten die 8000-Meter-Grenze erreichten, hatte Coxwell bereits mit Atemproblemen zu kämpfen. Nur wenig später begann Glaishers Körper zu streiken. Es fiel ihm zunehmend schwerer, die Werte auf seinen Instrumenten abzulesen, da sich sein Sehvermögen rapide verschlechterte. Zudem verlor er das Gefühl in seinen Armen und Beinen, was bei Temperaturen von Minus 20 Grad kein Wunder war.
Auch Coxwell spürte aufgrund der Kälte seine Hände nicht mehr, die sich allmählich sogar schwarz färbten. Schließlich wurde Glaisher bewusstlos, kurz nachdem sein Sprachzentrum versagte. Spätestens jetzt wurde Coxwell klar, dass sie den Ballon schnellstmöglich wieder absinken lassen mussten.
Die dafür notwendige Ventilleine verfing sich allerdings in den restlichen Seilen, weshalb Coxwell todesmutig aus dem Korb klettern musste, um es zu entwirren. Da auch er der Bewusstlosigkeit nahe war, fasste er die Ventilleine mit den Zähnen und zog mit letzter Kraft daran. Kurz danach - und zum Glück für die beiden Männer - begann der Ballon zu sinken.
Glaisher kam wieder zu sich und machte sich in seinem unerschöpflichen Forschertrieb sofort wieder an seine Messgeräte. Nach insgesamt zweieinhalb Stunden Flug landeten die beiden sicher auf der Erde. Von den ursprünglichen sechs Tauben blieb nur ein stark traumatisiertes Exemplar bis zum Ende bei ihnen.
Noch höher hinaus geht es übrigens in den 10 besten Science Fiction-Filmen, die im Weltraum spielen.
Was passierte nach der Ballonexpedition?
Neben den vielen bahnbrechenden Beobachtungen (u. a. über Wolkenformationen und Regen), die Glaisher während des Flugs sammelte, stellten die beiden einen zur damaligen Zeit neuen Höhenrekord auf. Jedoch halten Experten die von Glaisher geschätzte Höhe von 11.000 Metern für unrealistisch und vermuten diese eher bei ca. 8 800 Metern.
Nichtsdestotrotz erlangten die beiden nach ihrer Landung große Anerkennung. Gemeinsam stiegen sie noch viele weitere Male in einen Ballon. Ihr Rekord wurde erst 32 Jahre später von Arthur Berson gebrochen.
Glaisher veröffentlichte seine Erkenntnisse 1871 in seinem Buch Travels in the Air, das anderen Wissenschaftlern neue Einsichten in die Meteorologie lieferte. Er starb 1903 im Alter von 93 Jahren.
Coxwell berichtete ebenfalls in mehreren Schriften und Vorlesungen von seinen Flügen, bevor er 1900 mit 80 Jahren verstarb. Der Umstand, dass er in The Aeronauts komplett gestrichen und durch eine fiktive Figur ersetzt wurde, ist angesichts seiner heldenhaften Tat während des Flugs etwas fragwürdig.
Die Macher nahmen es also besonders in diesem Punkt mit der absoluten Wahrheit nicht so genau. Dennoch entführt The Aeronauts den Zuschauer glaubhaft in eine Zeit, bevor Flugzeugreisen zum Alltag gehörten. Authentizität und Abenteuer-Action halten sich hier gekonnt die Waage.
Wann startet The Aeronauts auf Amazon und im Kino?
The Aeronauts läuft ab dem 20. Dezember 2019 bei Amazon Prime und verzückt dort die Streaming-Zuschauerschaft zu Hause. Ab dem 9. Januar 2020 wird der Film aber auch in vereinzelten Kinos in Deutschland gezeigt.
Mehr Amazon-Highlights findest du übrigens in unserer großen Serien-Übersicht 2020 mit allen Neustarts und Staffeln auf Amazon.