Auto mit Animierend auf Autobahn
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Auf ein Wort

Das oberste Ziel bei V2X ist, die Sicherheit zu erhöhen

Was V2X eigentlich bedeutet und was sich für Autofahrer mit der neuen Technologie ändern wird, verraten Sten-Olaf Wilkening von Continental und Michael Bösinger von Vodafone im Interview.

Ein Bild von Sten-Olaf Wilkening im Anzug
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Sten-Olaf Wilkening ist Director of Innovation & Communication bei Continental und beschäftigt sich dort mit Vernetzung sowie Navigation, Multimedia und Radio im Auto.

Was ist V2X eigentlich?

Sten-Olaf Wilkening: V2X bezeichnet eine Technologie, mit der Fahrzeuge sich untereinander, aber auch mit anderen Verkehrsteilnehmern und der Infrastruktur im Straßenverkehr unterhalten können.

Dies funktioniert entweder als Ad-hoc-Kommunikation über eine direkte Verbindung oder über das Mobilfunknetz. Für die zweite Variante braucht es zusätzlich einen V2X-Server, der die Kommunikation zwischen den beteiligten Playern regelt.

Welchen Einfluss hat der 5G-Mobilfunkstandard auf V2X?

Sten-Olaf Wilkening: 5G wird massiven Einfluss auf die Mobilität der Zukunft haben. So wird es möglich sein, große Datenmengen der vernetzten Autos extrem schnell auszuwerten. In Ansätzen gibt es diese Technologie schon im 4G-Netz, aber durch 5G wird sie deutlich leistungsfähiger.

Bild von Michael Boesinger in einem Anzug
© Vodafone

Michael Bösinger ist als Head of Technology Innovation Development & Projects bei Vodafone dafür zuständig, neue Technologien für Endkunden nutzbar zu machen.

Eine weitere spannende Anwendung ist das „See-Through“: Dabei wird beispielsweise vor einem Überholvorgang das Kamerabild des vorausfahrenden Fahrzeugs übertragen, um Gegenverkehr frühzeitig zu erkennen – als würde man durch den Vordermann hindurchschauen. Das ist eine der spannenden neuen Funktionen, die durch die sehr kurze Latenzzeit und die hohe Bandbreite von 5G erst möglich werden.

Welche Technologien lassen sich heute schon einsetzen?

Sten-Olaf Wilkening: Informationsaustausch über das Mobilfunknetz findet schon heute statt. Wenn es zum Beispiel darum geht, Ampelphasen zu kommunizieren, ist LTE ausreichend, dieser Vorgang ist ja eher langsam und regelmäßig. Gleiches gilt für Baustellen, diese kann man im Kartensystem festhalten, sodass das Navigationssystem im Auto bereits im Vorfeld die Route entsprechend anpasst. 

Geschieht ein Unfall, besteht die Möglichkeit, eine Rettungsgassenwarnung an die nachfolgenden Autos zu senden, sodass die Hilfskräfte viel schneller an ihren Einsatzort gelangen. 

Der einfachste Fall, der bereits am Markt existiert, ist die Schlechtwetterwarnung: Wenn die Sensorik eines vorausfahrenden Fahrzeugs irgendwo starken Regen, Glatteis oder Ähnliches feststellt, werden die nachfolgenden Fahrer gewarnt. 

Michael Bösinger: Was sehr wichtig ist: Die verschiedenen Systeme müssen miteinander kompatibel sein. Daran arbeitet die Industrie momentan. Zu dem Thema gibt es den Arbeitskreis 5GAA, 5G Automotive Association. Das ist ein internationales Forum, in dem es nicht nur darum geht, die Technik so abzustimmen, dass sie weltweit kompatibel ist, sondern auch darum, wie man diese Entwicklungen in Businessmodelle übersetzt, um die neue Technik zu finanzieren.

Ampel, alle drei Farben leuchten
© Getty Images
Ampel, alle drei Farben leuchten
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Straßenkreuzung Verkehr, Miniatureffekt
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Im Stadtverkehr kann V2X gerade an viel befahrenen Kreuzungen für einen effizienteren Verkehrsfluss sorgen.

Straßenkreuzung Verkehr, Miniatureffekt
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Im Stadtverkehr kann V2X gerade an viel befahrenen Kreuzungen für einen effizienteren Verkehrsfluss sorgen.

„Das ist genau unser Job: Dafür zu sorgen, dass es mit V2X für Autofahrer nicht komplizierter, sondern einfacher wird.“

Sten-Olaf Wilkening

Ist die Sorge berechtigt, dass die ganze Technik das Autofahren furchtbar kompliziert macht?

Sten-Olaf Wilkening: Das ist ja genau unser Job: Dafür zu sorgen, dass es nicht komplizierter, sondern einfacher wird. Der Fahrer nutzt heute schon Navigation und Außenspiegel, um sich im Verkehr zurechtzufinden – in Zukunft wird zum Beispiel im Head-Up-Display eine Warnung erscheinen, wenn sich etwa ein Radfahrer im toten Winkel befindet.

Michael Bösinger: Natürlich ist das oberste Ziel bei V2X, die Sicherheit zu erhöhen. Bei einigen der neuen Sicherheitsfunktionen sieht man allerdings, dass sie gewöhnungsbedürftig und anspruchsvoll in der Bedienung sind. Vielleicht fällt den Menschen aber der Zugang über Funktionen leichter, die zunächst den Komfort erhöhen: So wird es V2X-basierte Ampelphasenanzeigen im Fahrzeug geben, die beispielsweise über die Restdauer einer Rotphase informieren oder die optimale Geschwindigkeit anzeigen, um die nächste Ampel bei Grün zu erreichen. Wenn man mehr Informationen hat, was um einen herum los ist, kann man sein Fahrverhalten daran anpassen und entspannter fahren. Das Gleiche gilt für Navigationssysteme: Diese werden mit V2X deutlich zuverlässiger.

Rettungswagen in Seitenspiegel von Auto
© Getty Images

Auf der Autobahn sorgen V2X-Technologien wie Rettungsgassen- und Schlechtwetterwarnung für mehr Sicherheit.

Rettungswagen in Seitenspiegel von Auto
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Auf der Autobahn sorgen V2X-Technologien wie Rettungsgassen- und Schlechtwetterwarnung für mehr Sicherheit.

Autobahn verregnet
© Getty Images
Autobahn verregnet
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„Jetzt geht es darum, die Technik so abzustimmen, dass sie weltweit kompatibel ist.“

Michael Bösinger

Bei V2X wird auch künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen. Können Sie sagen, wie sie konkret genutzt wird?

Michael Bösinger: Stellen wir uns eine Kreuzung vor: Einerseits senden die Verkehrsteilnehmer Bilder ihrer eingebauten Kameras in eine Edge Cloud, andererseits gibt es in Zukunft auch fest installierte Kameras an der Kreuzung, die das Verkehrsgeschehen aus einer anderen Perspektive betrachten. Aus all diesen Bildern will man nur die Informationen herausfiltern, die für die Autofahrer relevant sind. An dieser Stelle kommt künstliche Intelligenz in der Edge Cloud zum Einsatz: Sie filtert die Informationen, ordnet sie ein und sendet gezielt nur die Informationen an den Verkehrsteilnehmer, die genau für diesen relevant sind.

Sten-Olaf Wilkening: Wir glauben, dass 5G eine ganz spannende Technologie ist, weil wir sehen, dass wir im Auto nur eine begrenzte Rechenleistung zur Verfügung haben. Wenn wir aber komplexe Funktionen wie Bildanalyseverfahren mithilfe künstlicher Intelligenz durchführen wollen, dann kriegen wir das im Auto nicht in Echtzeit hin. Die Mobile Edge Cloud löst dieses Problem. Die wesentlichen Informationen werden dort verarbeitet und dann an das Auto zurückgesendet, das extrem schnell reagieren kann. Diese Technik ermöglicht uns, in der Zukunft weitere innovative Funktionen für V2X zu entwickeln.

Wie 5G, MEC und Co. alle Verkehrsteilnehmer miteinander vernetzen: