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Horse Girl: Die Erklärung des Endes
Alison Bries neuer Film „Horse Girl“ erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die schleichend einer psychischen Krankheit zum Opfer fällt. Damit der Abschluss des skurrilen Psychodramas Dich nicht auch noch in den Wahnsinn treibt, liefern wir Dir eine Erklärung des Endes von „Horse Girl“.
Das Phänomen „Pferdemädchen“ speiste sich bisher in unseren heimischen Gefilden vor allem aus pinken „Wendy“-Magazinen, weichgewaschenen „Bibi und Tina“-Hörspielen und überzuckerter „Immenhof“-Idylle. Hollywood-Schauspielerin Alison Brie bringt nun mit ihrem neuen Netflix-Film „Horse Girl“ frischen Wind ins Genre – auch wenn dieses exzentrische Werk letztlich auf etwas ganz anderes hinauswill als auf das sprichwörtliche Glück auf Pferderücken.
„Horse Girl“ ist bei Netflix zu sehen, was Du über GigaTV hinzubuchen kannst. So erhältst Du Zugriff auf das gesamte Angebot des Anbieters.
Die Protagonistin durchlebt in zunehmend wirreren Sequenzen den Verlauf einer schweren psychotischen Krankheit, die Realität und Wahnsinn miteinander vermischt. „Ich wäre schockiert, wenn es über diesen Film keine heißen Diskussionen bei Reddit gäbe“, teasert „Glow“-Star Alison Brie gegenüber dem Online-Magazin Vulture, die in dem Indie-Psychodrama ein Stück eigene Familiengeschichte verarbeitet.
Tatsächlich fährt das tragisch-komische Netflix-Werk mit einem Ende auf, das so manchen Zuschauer ordentlich zum Grübeln bringen dürfte. Keine Sorge, wir liefern die Erklärung des Endes von „Horse Girl“, damit Du Dich nicht auf Holzwegen vergaloppierst.
Du liebst Filme mit einer gewissen Tragik? Bei diesen Streifen bleibt kein Augen trocken.
„Horse Girl” – die Handlung: Pferdemädchen auf geistigen Abwegen
Sarah (Alison Brie) ist der Inbegriff eines sozial gehemmten Mauerblümchens. Die junge Frau lebt in ihrer ganz eigenen und einsamen Welt. In einem Bastelgeschäft berät sie Kunden peinlich detailliert über die Unterschiede zwischen Acryl- und Temperafarben und verliert sich gerne in belanglosen Pläuschen mit der Kollegin.
In ihrer freien Zeit besucht die stille Außenseiterin mit ihrem uralten Volvo regelmäßig ihr ehemaliges Pferd Willow und gibt deren neuer Reiterin ungefragt Tipps rund um den fachmännischen Umgang mit dem Tier. Ab und an bekommt die Stute von ihrer Ex-Besitzerin sogar noch selbstgeflochtene Bändchen in die Mähne eingearbeitet. Ihre Abende verbringt Sarah vor dem Fernseher. Fantasy-Krimiserien mit Titeln wie „Purgatory“ haben es ihr angetan.
Während ihre selbstbewusste und coole Mitbewohnerin Nikki (Debby Ryan) mit ihrem Freund Brian (Jake Picking) um die Häuser zieht, fertigt Sarah lieber Fußbändchen vor dem Fernseher an. Doch an ihrem Geburtstag scheint sich das Blatt zu wenden. Nikki und Brian stellen der schüchternen Sarah Brians Kumpel Darren (John Reynolds) vor, der sich prompt für die nerdige Eigenbrötlerin begeistert.
Doch nach einer gemeinsamen und wild durchfeierten Geburtstagsnacht häufen sich eigenartige Vorfälle. Sarah beginnt, eigenartige Stimmen zu hören, leidet unter beunruhigenden Träumen und fängt an, „Probleme mit der Zeit“ zu registrieren. Die Verkäuferin beginnt immer mehr, an ihrem Verstand zu zweifeln. Schon Sarahs Großmutter litt an Wahnvorstellungen und sprach mit Wänden. Holt dieses Schicksal jetzt auch Sarah ein?
Alison Bries Familiengeschichte: „Meine Großmutter litt an Schizophrenie“
„‘Horse Girl‘ ist ein künstlerischer Ausdruck meiner Angst vor den psychischen Krankheiten, die in meiner Familie liegen. Und er verbildlicht die schreckliche Erkenntnis darüber, was es heißt, seinen eigenen Sinnen nicht mehr trauen zu können“, fasst Sarah-Darstellerin Alison Brie die Intention hinter ihrem Werk gegenüber dem Magazin Cinema zusammen.
Kein Wunder, dass die 37-Jährige neben Jeff Baena („I Heart Huckabees“) als Co-Autorin von „Horse Girl“ fungierte. „Meine Großmutter litt an paranoider Schizophrenie. Ich wuchs mit den Geschichten meiner Mutter über ihre Kindheit mit dieser psychisch kranken Mutter auf […] Irgendwann begann ich, mehr darüber nachzudenken, dass diese Art Krankheit auch vererbbar ist.“
Das wird auch Protagonistin Sarah im Verlaufe des mit skurrilen und traumartigen Sci-Fi-Sequenzen gespickten Films immer klarer. Sie erkundigt sich nach den Symptomen ihrer Großmutter, sorgt sich um ihren Geisteszustand. Dennoch: Genauso schleichend wie unaufhaltsam verliert Sarah ihre Fähigkeit, zwischen Wahn und Wirklichkeit zu unterscheiden.
„Horse Girl”: Die Erklärung des Endes
Alison Bries „Horse Girl“ fährt mit zahlreichen Metaphern und Anspielungen auf. Die wichtigsten Symbole erklären wir Dir hier.
Das Pferd als Symbol: Therapie-Tier und spiritueller Seelenfreund
Auch wenn die Pferdethematik in Bries surrealem Psychodrama nur am Rande stattfindet, sollte die Bedeutung für die Geschichte dennoch nicht unterschätzt werden.
Da wäre zum Beispiel der Umstand zu erwähnen, dass es sich bei Pferden unter anderem auch um beliebte Therapie-Tiere handelt, die gesundheitlich beeinträchtigten Menschen sowohl körperliche als auch geistige Hilfe und Unterstützung leisten können. Ein erster metaphorischer Hinweis auf Sarahs Leiden.
Darüber hinaus verrät Hauptdarstellerin Alison Brie im Interview mit Cinema: „Das Pferd repräsentiert Sarahs Kindheit. Die Zeit, in der sie sich am glücklichsten und am sichersten in ihrem Leben fühlte, bevor sie einige Traumata durchmachen musste. Außerdem symbolisiert es eine gewisse soziale Isoliertheit. Dafür hat sie aber eine spirituelle Verbindung zu diesem Pferd.“
Sarahs eigenbrötlerische Natur als sogenanntes Pferdemädchen erläuterte Brie außerdem gegenüber dem Online-Magazin MovieMaker folgendermaßen: „Uns kam diese Idee, dass Pferdemädchen sich eher außerhalb einer festgelegten sozialen Struktur wie zum Beispiel in einer Schule aufhalten, weil sie andere Interessen haben. Sie sind völlig zufrieden, ihre Leben ganz und gar auf diese Interessen auszurichten. Das verleiht ihnen eine faszinierende Selbstsicherheit.“
Das Ende von „Horse Girl”: Der Respekt vor dem Wahnsinn
Schon bald wird Sarah durch wirre Träume zutiefst verängstigt. Im Verlaufe der sich zunehmend zuspitzenden Krankheit bleibt die Erzählung allerdings stets auf Sarahs Seite, stempelt sie niemals bewusst als wahnsinnig ab. Ganz im Gegenteil: Die Handlung dreht sich vor allem darum, dem Erzähler einen Einblick in Sarahs Gedanken und Ableitungsprozesse zu schenken.
Skurrile Situationen wie die der splitternackten Sarah mitten im Bastelladen oder in der Nacht an einer öffentlichen Telefonzelle werden letztlich nie restlos erklärt, die Zeitsprünge nicht chronologisiert. Auch die Protagonistin ist dazu nicht mehr im Stande. Sie recherchiert und schlussfolgert, sie müsse unter einer Kohlenmonoxidvergiftung leiden. Oder von Aliens gekidnappt und in die unterschiedlichsten Situationen hineingebeamt worden sein. Nein, anders: Es muss sich bei ihr selbst um einen Klon ihrer eigenen Großmutter handeln – einer jüngeren Version versteht sich.
„Horse Girl“ gelingt so mit seinem Storytelling das Kunststück, eine verständnisvolle und empathische Erkenntnis im Zuschauer zu manifestieren. Ihre schleichende Krankheit, die nie beim Namen genannt wird, lässt für eine einst gesunde, junge Frau etwas Unwirkliches zu etwas Wahrem, zu einer absolut logischen Realität werden. „Horse Girl“ veranschaulicht darüber hinaus die Verzweiflung und die Einsamkeit, welche diese andere Realität mit sich bringt, die sonst niemand versteht. Dennoch geht Bries Drama stets sehr respektvoll mit Sarahs subjektiver Realität um, in welch exzentrische Sphären sie sich gegen Ende auch schwingen mag.
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Sarahs subjektive Realität: Alles ist relativ
Die Endszene, in der Sarah ihr Pferd loslässt und von Außerirdischen oder einer unsichtbaren Macht hoch in den Himmel emporgehoben wird, symbolisiert in erster Linie den vollständigen Ausbruch der Krankheit – und somit auch Sarahs vollständige Loslösung von jeglichem Realitätsbezug.
Auch hier behandelt der Film seine Hauptfigur fair, in dem er durch die Sichtung des Pferdes durch Sarahs Kollegin Joan durch das Fenster des Bastelladens etwas andeutet: Abermals überschneiden sich Teile von Sarahs wahnhafter Realität und der objektiven Realität, wenn sie sich verkleidet wie ihre Großmutter und sich mit ihrem Pferd auf den Weg macht.
„Ob das alles wirklich passiert, ist Interpretationssache“, schließt „Horse Girl“-Autor Jeff Baena gegenüber MovieMaker: „Es gibt nichts im Film, was in der objektiven Realität passiert. Alles hier geschieht in einer subjektiven Realität.“
„Horse Girls“ Botschaft: Für genau diese subjektive Realität, und sei sie noch so abgehoben, gilt es mehr Verständnis und Empathie zu entwickeln.
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Titelbild: © Netflix