Bad Surgeon - Liebe unter dem Messer: Paolo Macchiarini: Ein Mann mittleren Alters mit grauen Haaren hält eine künstliche Luftröhre in der Hand und scheint etwas darüber zu erklären.
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Lisa Wagner, Florian Lukas
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Bad Surgeon auf Netflix: Die wahre Geschichte von Dr. Paolo Macchiarini

Dr. Pao­lo Mac­chiari­ni wurde vom gefeierten Medi­zin­er zu einem Sym­bol für Kon­tro­ver­sen in der medi­zinis­chen Ethik. Gle­ich mehrere Men­schen soll sein fahrläs­siges Han­deln das Leben gekostet haben. Hier erfährst Du die wahre Geschichte hin­ter der Net­flix-Doku „Bad Sur­geon: Liebe unter dem Mess­er“. 

In der Welt der Unter­hal­tung faszinieren und erschreck­en wahre Geschicht­en das Pub­likum oft min­destens eben­so wie fik­tionale Erzäh­lun­gen. Die Net­flix-Doku­men­ta­tion Bad Sur­geon: Liebe unter dem Mess­er ist ein solch­es Werk. 

Sie befasst sich mit der erschüt­tern­den Real­ität hin­ter den Schlagzeilen über einen umstrit­te­nen Chirur­gen. Dr. Pao­lo Mac­chiari­ni geri­et nach mehreren exper­i­mentellen Oper­a­tio­nen ins Kreuzfeuer der Jus­tiz. 

Dieser Artikel erzählt die wahre Geschichte hin­ter dem Auf­stieg und Fall eines Chirur­gen, der einst als Visionär gefeiert wurde. 

Wer ist Dr. Paolo Macchiarini?

Der in der Schweiz geborene Chirurg Dr. Pao­lo Mac­chiari­ni absolviert sein Medi­zin­studi­um in Ital­ien und ver­tieft seine chirur­gis­chen Ken­nt­nisse in ver­schiede­nen Län­dern, darunter Deutsch­land, Frankre­ich und Spanien. Sein Spezial­ge­bi­et ist die regen­er­a­tive Medi­zin, die sich vor allem mit der Wieder­her­stel­lung funk­tion­s­gestörter Zellen, Gewebe und Organe befasst.

Beson­dere Aufmerk­samkeit erre­gen seine schein­bar rev­o­lu­tionären Meth­o­d­en der Luftröhren­trans­plan­ta­tion. Mac­chiari­ni trans­plantiert kün­stliche und organ­is­che Luftröhren ver­stor­ben­er Spender:innen und behan­delt diese mit Stam­mzellen der Empfänger:innen. 

2008 erlangt Mac­chiari­ni mit dieser Tech­nik Wel­truhm. Clau­dia Lore­na Castil­lo Sánchez litt jahre­lang unter Atem­beschw­er­den und dro­hte auf­grund ein­er schw­eren Tuberku­lose-Infek­tion des linken Haupt­bronchus einen Lun­gen­flügel zu ver­lieren. Rund vier Monate nach der Oper­a­tion befind­et sich die 30-jährige Kolumbianer­in ohne Kom­p­lika­tio­nen auf dem Weg der Besserung.

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Dr. Macchiarinis revolutionäre Transplantationstechnik

Seine Tech­nik soll die Abstoßungsrate bei Trans­plan­ta­tio­nen ver­ringern und die Leben­squal­ität der Empfänger:innen verbessern. Zwei Jahre nach der erfol­gre­ichen Oper­a­tion von Clau­dia Sánchez arbeit­et Mac­chiari­ni am renom­mierten Karolin­s­ka-Insti­tut (KI) in Schwe­den und an der rus­sis­chen Kuban Uni­ver­sität in Krasnodar.

Das KI ist eines der renom­miertesten medi­zinis­chen Insti­tute Europas und Sitz der Nobelver­samm­lung, die jährlich den Nobel­preis für Phys­i­olo­gie oder Medi­zin vergibt. 2011 sorgt Mac­chiari­ni erneut für Schlagzeilen. Ande­mari­am Tek­le­sen­bet Beyene, ein Stu­dent aus Eritrea, erhält nach ein­er Kreb­s­be­hand­lung eine voll­syn­thetis­che Luftröhre, die mit seinen eige­nen Markzellen besiedelt wor­den ist. 

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Die Medi­en bericht­en aus­führlich über die Oper­a­tion. Der 36-Jährige lei­det an einem Speis­eröhren­tu­mor von der Größe eines Golf­balls, der die Luftröhre block­iert. Dr. Mac­chiari­ni und sein Team verpflanzen ihm ein syn­thetis­ches Luftröhrengerüst, das zuvor mit Beyenes Stam­mzellen bestückt und 36 Stun­den lang in einem Biore­ak­tor kul­tiviert wor­den war.

In ein­er zwölf­stündi­gen Oper­a­tion wird der Tumor ent­fer­nt und die kün­stliche Luftröhre einge­set­zt. Nach Angaben des Karolin­s­ka-Insti­tuts ist dieses Ver­fahren zu diesem Zeit­punkt einzi­gar­tig in der Medi­zingeschichte. Nach zwei Monat­en kann Beyene das Kranken­haus ver­lassen und seine Dok­torar­beit abschließen. Ein Hap­py End soll es jedoch nicht geben.

Erste Zweifel an Macchiarinis Methoden

Mac­chiari­nis Erfolge gel­ten zu diesem Zeit­punkt als Meilen­stein in der Trans­plan­ta­tion­s­medi­zin. Die von ihm entwick­el­ten Ver­fahren scheinen das Poten­zial zu haben, das Leben von Tausenden von Men­schen mit schw­eren Atemwegserkrankun­gen zu verbessern.

Doch die strahlende Fas­sade bekommt Risse, als Berichte über post­op­er­a­tive Kom­p­lika­tio­nen und Zweifel an der Valid­ität sein­er Forschungsergeb­nisse auf­tauchen. Die Wis­senschaft begin­nt langsam, die langfristige Wirk­samkeit und Sicher­heit von Mac­chiari­nis Meth­o­d­en in Frage zu stellen.

Bad Surgeon - Liebe unter dem Messer: Eine Gruppe Chirurgen in OP-Kleidung führt eine Operation an einem Patienten durch.

Dr. Pao­lo Mac­chiari­ni war lange Zeit ein ange­se­hen­er Chirurg und machte mit seinen rev­o­lu­tionären Luftröhren­trans­plan­tat­en auf sich aufmerk­sam. — Bild: Net­flix

2014 leg­en Kolleg:innen offiziell Beschw­erde gegen Mac­chiari­ni ein. Er habe schwere Kom­p­lika­tio­nen in den Unter­la­gen absichtlich ver­schwiegen und nie eine ord­nungs­gemäße ethis­che Genehmi­gung für die Oper­a­tio­nen einge­holt. Auch eine Tierver­suchsstudie zu sein­er Tech­nik wird kri­tisiert.

Es kommt zu exter­nen Unter­suchun­gen, die das Fehlver­hal­ten Mac­chiari­nis 2015 bestäti­gen. Den­noch darf er seine Arbeit zunächst fort­set­zen und die Uni­ver­sität­sleitung weist sämtliche Vor­würfe zurück. Mac­chiari­ni habe während der Unter­suchung alle Fra­gen zufrieden­stel­lend beant­wortet.

Macchiarini sorgt für Skandal am Karolinska-Institut

Diese Entwick­lun­gen sollen allerd­ings bald zu einem Skan­dal am Karolin­s­ka-Insti­tut führen. Der schwedis­che Fernsehsender SVT deckt 2016 auf, dass zwei von drei Patient:innen von Mac­chiari­ni nach seinen Oper­a­tio­nen in Stock­holm star­ben.

Es kommt erneut zu Unter­suchun­gen, die den ursprünglichen Ver­dacht bestäti­gen. Im Novem­ber 2016 entlässt das Karolin­s­ka-Insti­tut Dr. Pao­lo Mac­chiari­ni. Ein Jahr später erhebt die schwedis­che Staat­san­waltschaft Anklage gegen den ehe­ma­li­gen Starchirur­gen.

Der Fall führt auch zu ein­er Rei­he von Kündi­gun­gen und Rück­trit­ten am Karolin­s­ka-Insti­tut. Im Feb­ru­ar 2017 tritt der Sekretär des Nobelkomi­tees für Medi­zin, Urban Lendahl, zurück. 

Kurz darauf fol­gen Anders Ham­sten, Vizekan­zler des Insti­tuts, und Vizekan­z­lerin Har­ri­et Wall­berg. Der Vor­wurf: Die Führungsmit­glieder des Gremi­ums hät­ten es ver­säumt zu han­deln, als die ersten Zweifel an Mac­chiari­ni aufka­men.

Die Opfer: Sieben Behandlungen verlaufen tödlich

Es stellt sich her­aus, dass Mac­chiari­nis Meth­o­d­en bei weit­em nicht so erfol­gre­ich waren, wie er und seine Anhänger:innen behaupteten. Die Ver­wen­dung syn­thetis­ch­er Luftröhren, die mit Stam­mzellen besiedelt sind, hat sich als nicht so sich­er und wirk­sam erwiesen, wie in seinen Veröf­fentlichun­gen dargestellt.

Sieben Men­schen star­ben nach den Ein­grif­f­en Mac­chiari­nis. Unter den Opfern ist auch Han­nah War­ren, ein zwei­jähriges Mäd­chen, das ohne Luftröhre geboren wurde. Sie erhielt im April 2013 eine mit Stam­mzellen besiedelte, voll­syn­thetis­che Luftröhre. Trotz ein­er weit­eren Oper­a­tion starb sie im Juli 2013 an Kom­p­lika­tio­nen.

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Auch Ande­mari­am Tek­le­sen­bet Beyene, der 2011 operiert wor­den war, starb im Jan­u­ar 2013 nach zahlre­ichen Behand­lun­gen am KI. Eine Autop­sie zeigt, dass sich die kün­stliche Luftröhre gelöst hat­te. 2017 ver­stirbt auch die 26-jährige Yes­im Cetir nach Ein­grif­f­en in den Jahren 2012 und 2013.

Neben sein­er Tätigkeit am Karolin­s­ka-Insti­tut führte Mac­cha­ri­ni auch vier Oper­a­tio­nen in Rus­s­land durch. Die Patient:innen Yulia Tuu­lik, Alek­san­dr Zozulya und Sadiq Kanaan star­ben nach ihren Oper­a­tio­nen. Nur Dim­it­ry Onog­da über­lebt, nach­dem ihm das Implan­tat 2014 wieder ent­fer­nt wor­den war. 

Bad Surgeon: Erstes Verfahren im Fall Dr. Macchiarini

Der Fall Dr. Mac­chiari­ni wird zum Bren­npunkt ein­er Debat­te über medi­zinis­che Ethik und die Ver­ant­wor­tung von Wissenschaftler:innen gegenüber ihren Patient:innen. Im April 2022 begin­nt der Prozess gegen den mit­tler­weile 63-jähri­gen Chirur­gen. 

Der Vor­wurf: Schwere Kör­per­ver­let­zung in drei Fällen in den Jahren 2011 und 2012, verur­sacht durch ein gefährlich­es exper­i­mentelles Ver­fahren. Die Staat­san­waltschaft wirft Mac­chiari­ni vor, Patien­ten­sicher­heit und ethis­che Stan­dards mis­sachtet zu haben. Die Vertei­di­gung hinge­gen argu­men­tiert, Mac­chiari­ni habe im besten Inter­esse sein­er Patient:innen gehan­delt.

Bad Surgeon - Liebe unter dem Messer: Ein Mann mittleren Alters mit schwarzem Anzug steht in der Ecke eines Fahrstuhls und legt besorgt den Kopf an die Wand.

Die Luft wird dün­ner für den ein­sti­gen Star-Chirur­gen Pao­lo Mac­chiari­ni, als 2022 der Prozess gegen ihn begin­nt. — Bild: Net­flix

Die fol­gen­den Prozesse dauern mehr als ein Jahr. In erster Instanz wird Mac­chiari­ni nur in einem von drei Fällen schuldig gesprochen und zu ein­er Bewährungsstrafe verurteilt. Zwar seien die Ein­griffe nicht im Ein­klang mit der Wis­senschaft durchge­führt wor­den, doch könne Mac­chiari­ni auf­grund der anfänglich lebens­bedrohlichen Prog­nosen der Patient:innen nicht zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen wer­den.

Für den Tatbe­stand der schw­eren Kör­per­ver­let­zung fehlen dem Gericht ein­deutige Beweise dafür, dass der Chirurg die Fol­gen der Ein­griffe gle­ichgültig hin­nahm. Stattdessen wurde Mac­chiari­ni der Fahrläs­sigkeit und Kör­per­ver­let­zung schuldig gesprochen. 

Endgültiges Urteil: Macchiarini geht ins Gefängnis

Sowohl die Staat­san­waltschaft, die fünf Jahre Haft gefordert hat, als auch die Vertei­di­gung gehen in Beru­fung. Kritiker:innen und Fach­leute sind entset­zt. Expert:innen hal­ten das Straf­maß für zu ger­ing und fordern eine Anklage wegen Totschlags.

Mac­chiari­nis ehe­ma­liger Kol­lege am Karolin­s­ka-Insti­tut, Matthias Cor­bas­cio, zeigt sich nach dem Urteil empört: „Manche Leute gehen für fünf Jahre ins Gefäng­nis, weil sie ihre Steuern nicht bezahlen. Dieser Typ hat Men­schen ver­stüm­melt.“ Cor­bas­cio ist ein­er der fünf Kol­le­gen, die 2014 beim KI offiziell Beschw­erde gegen Mac­chiari­nis Meth­o­d­en ein­re­icht­en. 

Im Juni 2023 fällt das Stock­holmer Beru­fungs­gericht erneut ein Urteil – und dies­mal trifft es Mac­chiari­ni härter. Der Arzt wird wegen schw­er­er Kör­per­ver­let­zung in allen drei Fällen zu zweiein­halb Jahren Haft verurteilt. 

Alles über die wahren Begeben­heit­en hin­ter den Mur­daugh-Mor­den liest Du hier.

Die Staat­san­waltschaft kann beweisen, dass zwei der Patient:innen durch weniger exper­i­mentelle Ein­griffe hät­ten über­leben kön­nen. Auch im drit­ten Fall sei der Ein­griff trotz Not­fall­si­t­u­a­tion unver­ant­wortlich gewe­sen. Rich­terin Maria Hol­cke erk­lärt zudem, dass Mac­chiari­ni vorsät­zlich gehan­delt habe.

Wahre Geschichte: Macchiarini auch privat ein Schwindler

Dr. Pao­lo Mac­chiari­ni gerät durch seine Beziehung zu der NBC-Pro­duzentin Beni­ta Alexan­der auch in einen per­sön­lichen Skan­dal. Alexan­der lernte Mac­chiari­ni während der Drehar­beit­en zu ein­er NBC-Doku ken­nen und ver­liebte sich in ihn. 

Die Beziehung nimmt eine ern­ste Wen­dung, als Mac­chiari­ni ihr einen Heirat­santrag macht. Er plant 2013 eine Märchen-Hochzeit in Ital­ien, bei der Papst Franziskus höch­st­per­sön­lich die Zer­e­monie leit­en soll. Mac­chiari­ni behauptet, dessen Pri­vatarzt zu sein und eine enge per­sön­liche Bindung zu Franziskus zu haben. 

Bad Surgeon - Liebe unter dem Messer: Ein Mann mittleren Alters in einem weißen Hemd senkt den Kopf und grinst, während ihm eine Frau mit schwarzen Haaren einen Kuss auf die Wange drückt.

Mac­chiari­ni (links) hielt es auch im Pri­vatleben nicht mit der Wahrheit und bel­og seine Ver­lobte Beni­ta Alexan­der (rechts) nach Strich und Faden. — Bild: Net­flix

Zudem sei er gut mit dem ehe­ma­li­gen US-Präsi­den­ten Bill Clin­ton befre­un­det und spiele regelmäßig mit ihm Ten­nis. Auf die Gästeliste schreibt er große Namen wie die Beck­hams, die Oba­mas und sog­ar Schaus­piel­er Rus­sel Crowe. Für die musikalis­che Unter­malung soll Star-Tenor Andrea Bocel­li und die Pop-Sänger John Leg­end und Elton John sor­gen.

Zeit­gle­ich mit den Unter­suchun­gen gegen Mac­chiari­nis medi­zinis­ches Fehlver­hal­ten begin­nt aber auch die pri­vate Fas­sade zu bröck­eln. Alexan­der ent­deckt, dass viele Details, die Mac­chiari­ni über die Hochzeit­spläne und sein Pri­vatleben geliefert hat, schlicht erfun­den waren. Mac­chiari­ni ist zu diesem Zeit­punkt sog­ar noch mit ein­er anderen Frau ver­heiratet.

Ein Artikel im Mag­a­zin Van­i­ty Fair, der sich mit dem Fall Macchiarini/Alexander auseinan­der­set­zt, wirft dem gefal­l­enen Medi­zin­er unter anderem vor, auch in seinem Lebenslauf bei sein­er Bewer­bung für das KI gel­o­gen zu haben. Es beste­ht also die Möglichkeit, dass Mac­chiari­nis Kar­riere von Beginn an auf einem Lügenkon­strukt basiert.

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