Tribes of Europa, Netflix
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Bild aus Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim
Plakat zum Musical-Film Wicked

Tribes of Europa bei Netflix: Die Kritik zur Survival-Serie

In der neuen dystopis­chen Serie „Tribes of Europa” malt Net­flix das Bild ein­er postapoka­lyp­tis­chen Welt, die das nack­te Über­leben zum einzi­gen Sinn des Lebens macht. Warum dies dem For­mat lei­der eher schlecht als recht gelingt, ver­rat­en wir in unser­er Kritik.

Gute Unter­hal­tung speist sich im 21. Jahrhun­dert schon seit ger­aumer Zeit aus der Fasz­i­na­tion für Wel­tun­ter­gangsszenar­ien und apoka­lyp­tis­chen Alp­träu­men – und für die abstrusen Wel­ten, die sie poten­ziell her­vor­brin­gen kön­nten. Stock­dus­tere Dystopi­en wie The Handmaid’s Tale – Der Report der Magd, Black Mir­ror, West­world, Altered Car­bon oder The Man in the High Cas­tle spie­len mit alter­na­tiv­en Geschichtss­chrei­bun­gen oder neuen Reset-Modi nach ein­er gescheit­erten Wel­tord­nung im Zeichen des Materialismus. 

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An dieses Erfol­gskonzept dockt nun auch ein weit­eres deutsches Net­flix-Serieno­rig­i­nal an, das sich vor allem an der dystopis­chen Prämisse der Block­buster-Rei­he Die Trib­ute von Panem ori­en­tiert. Die Roman­ver­fil­mungen aus der Fed­er der US-Autorin Suzanne Collins mit Hol­ly­wood-Star Jen­nifer Lawrence in der weib­lichen Haup­trol­le spiel­ten weltweit knapp drei Mil­liar­den US-Dol­lar an den inter­na­tionalen Kinokassen ein.

Die deutschen Serien­pro­duzen­ten Max Wiede­mann und Quirin Berg, ihres Zeichens Schöpfer des ersten deutschen Net­flix-Orig­i­nals Dark, ließen sich für Tribes of Europa recht unver­hohlen von dem dystopis­chen Nor­dameri­ka-Staat Panem und von Lawrence’ beachtlich verkör­pert­er Haupt­fig­ur Kat­niss Everdeen inspiri­eren. Ob das wohl gut gehen kann?

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Tribes of Europa die Handlung: Ein vorindustrielles Europa im Banden-Chaos

Net­flix schreibt das Jahr 2074 in Europa: Nach einem glob­alen Stro­maus­fall liegen die men­schliche Zivil­i­sa­tion und all ihre Errun­gen­schaften brach. Im soge­nan­nten Schwarzen Dezem­ber des Jahres 2029 geschah dieses mys­ter­iöse Unglück, das die Europäer sich nach wie vor nicht logisch erk­lären können. 

Seit­dem ist die alte Welt” mit all ihren tech­nis­chen Fortschrit­ten passé. Lediglich die soge­nan­nten Atlantier, die irgend­wo außer­halb von Europa leben, scheinen dem Unglück entkom­men zu sein. Europa und seine Städte sind ver­lassen. Es haben sich eine Vielzahl unter­schiedlich­ster Stämme gebildet, die ihre ganz eige­nen Ord­nun­gen, Geset­ze und Bräuche pfle­gen. Manche kämpfen um die alleinige Vorherrschaft auf dem Kon­ti­nent, andere ums nack­te Überleben.

Henriette Confurius als Liv und Emilio Sakraya als Kiano in Netflix' Tribes of Europa

Liv (Hen­ri­ette Con­fu­rius) als Liv, Elja (David Ali Rashed) und Kiano (Emilio Skraya) müssen sich in Net­flix’ Tribes of Europa durch Endzeit­szenar­ien kämpfen. — Bild: Net­flix

So auch der Stamm der Orig­ines, dem die jugendlichen Geschwis­ter Liv (Hen­ri­ette Con­fu­rius), Kiano (Emilio Sakraya) und Elja (David Ali Rashed) ange­hören. Gemein­sam mit ihrem Vater leben sie in der naturkundlichen Gesellschaft der Orig­ines, die sich nach der Apoka­lypse in die Wälder flüchtete und dort ihr Leben als friedliche Jäger und Samm­ler fort­set­zten. Mit „Out­sidern” will man hier nichts zu tun haben. 

Doch das lässt sich eines Tages nicht mehr ver­mei­den, als ein Atlantier unweit des Refugiums der Orig­ines mit seinem High-Tech-Flugzeug abstürzt. Elja bekommt von dem ver­let­zten Piloten einen soge­nan­nten Cube aus­ge­händigt, der niemals in falsche Hände ger­at­en darf. Der Junge flüchtet mit dem rät­sel­haften Objekt, während seine Fam­i­lie von dem blutrün­sti­gen Stamm der Crows ange­grif­f­en wird, die es eben­falls auf den Cube abge­se­hen haben. Elja, Kiano und Liv sind gezwun­gen, getren­nte Wege einzuschla­gen, um sich selb­st und ihre Fam­i­lien­mit­glieder zu retten …

Tribes of Europa wurde von Regis­seur Philip Koch (Pic­co) in Szene geset­zt und von der Wiede­mann & Berg Film­pro­duk­tion pro­duziert. Die Serie beste­ht aus sechs Fol­gen und startet am 19. Feb­ru­ar auf Netflix. 

Tribes of Europe-Star Emilio Sakraya im Fea­tured-Inter­view: Über Lieblingsmo­mente am Set, Stunts und Boot Camps!

Talentierter Cast kämpft auf Dialog-Holzwegen

Die neueste Vari­a­tion der dystopis­chen Hor­rorszenar­ien set­zt sich in Tribes of Europa in erster Lin­ie aus gängi­gen Endzeit-Arte­fak­ten und -Hand­lungse­le­menten zusam­men, die aber in sich wenig Wert zu tra­gen scheinen. Hier wird entliehen und zusam­menge­flickt bis die Orig­ine-Medi­z­in­frau kommt die übri­gens selb­st nicht ein­mal die erste Folge überlebt. 

David Ali Rashed als Elja in Netflix' Tribes of Europa

Elja (David Ali Rashed) nimmt den Cube genauer unter die Lupe. — Bild: Net­flix

Immer­hin schaf­fen das die Hauptcharak­tere: Drei Geschwis­ter, die nicht nur optisch alles andere als aus dem gle­ichen Cast­ing-Holz geschnitzt wur­den, son­dern deren Darsteller keine glaub­hafte brüder­lich-schwest­er­liche Chemie zu entwick­eln ver­mö­gen. Die Inter­ak­tio­nen der drei Jungschaus­piel­er sind vor allem von gener­isch-hölz­er­nen Dialo­gen und sichtlichem Schaus­piel geprägt. 

Doch das ist ein­deutig nicht den Schaus­piel­ern geschuldet: Ins­beson­dere Liv-Darstel­lerin und Bam­bi-Gewin­ner­in Hen­ri­ette Con­fu­rius und Kiano-Darsteller Emilio Sakraya kon­nten ihr Tal­ent in den ver­gan­genen Jahren bere­its mit eini­gen inter­es­san­ten Film- und Serien­pro­jek­ten unter Beweis stellen. Sie sind nicht die Einzi­gen inner­halb der Beset­zung, die mit den gener­ischen und klis­chee­be­hafteten Dialogzeilen an die Gren­zen ihres Kön­nens stoßen. Hinzu kom­men diverse Stereo­type von Fam­i­lien- und Beziehungse­le­menten, die inner­halb weniger Sekun­den wieder­holt angeris­sen und dann an der Ober­fläche den Erzählstrom hin­unter treiben.

Der Teufel trägt Plateau

Da ist zum Beispiel der Sohn, der sich gegenüber dem Vater im Schat­ten sein­er Schwest­er ver­haftet fühlt. Weil es sich bei ihm aber immer­hin um ein jugendlich­es und attrak­tives Kerlchen han­delt, muss noch rasch am Anfang die oblig­a­torische Knutschszene mit ein­er Bekan­ntschaft einge­fädelt wer­den, die seichte 30 Sekun­den dauert und sämtliche Szenen-Sub­stanz mei­det wie der Teufel das Weihwasser. 

Melika Foroutan als Lord Varvara in Netflix' Tribes of Europa

Ist haupt­beru­flich so richtig, richtig böse: Lord Var­vara (Meli­ka Foroutan). — Bild: Net­flix

Die eben­so ober­fläch­liche, beina­he schon amüsante Ein­führung der Bösewichte des Crow-Stammes, dem Tyran­nosaurus Rex unter den Europa-Stäm­men, lebt eben­falls von dem Geiste eines abge­laufe­nen Schurken-Gener­ikums. Ein paar sil­berne Kettchen in Nasen und Ohren, ein biss­chen Lieblings­farbe ins Gesicht (bei den Wilden aus Brave­heart hat das schließlich auch funk­tion­iert) und eine ordentliche Prise hohläugiger Over-the-Top-Bösar­tigkeit sollte den Endgeg­n­er doch glaub­würdig genug machen. Motive? Klaro: Weltherrschaft! Damit es nicht allzu gener­isch wird, bekommt der allerü­bel­ste Schurken­boss immer­hin noch einen Geh­stock, eine Bal­le­ri­na-Frisur, einen Satz Plateau-Schühchen ver­passt und ein paar pseudobedrohliche Zeilen in den Mund gelegt. Et voilà! 

Es ver­wun­dert zuse­hends, dass die Crow-Anführerin Lord Var­vara (Meli­ka Foroutan), die vor lauter Bösar­tigkeit keinen Muskel im Gesicht mehr regen kann, ihren Ober­be­fehlshaber tat­säch­lich als Leit­wolf akzep­tiert. Ähn­lich über­raschend ist auch der Umstand, dass Pow­er­girl Liv, die als eine Art Kat­niss Everdeen 2.0 fungieren soll, sich jeman­dem anschließt, der eben­so wenig Glaub­würdigkeit inner­halb seines Fig­uren­pro­fils als Pio­nier des Crim­son-Stammes ausstrahlt. Bei ihrem Offizier han­delt es sich näm­lich mit Abstand um den verza­gtesten Sol­dat­en seit es den Euroko­rps gibt.

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Geisterstädte und Gladiatorenkämpfe

Das postapoka­lyp­tis­che Europa set­zt sich atmo­sphärisch vor allem aus Wald­land­schaften und ani­mierten Geis­ter­städten zusam­men. Wer den Berlin­er Pots­damer Platz 40 Jahre nach einem Stro­maus­fall sehen will, kommt hier auf seine Kosten, auch wenn Plan­et der Affen schon lange vor Tribes of Europa-Zeit­en einen ähn­lichen Anspruch umfassender erfüllte.

Woran es bei Tribes of Europa aber am meis­ten hakt, ist die toll­patschige Art, Gen­res miteinan­der zu ver­mis­chen, die die Serie wie aus min­destens drei vol­lkom­men unter­schiedlichen Güssen erscheinen lässt: Wenn extrem bru­tale Kampf­szenen mit Egoshoot­er-Vibe nur wenig später mit Bud­dy-Road-Movie-Szenen gekreuzt wer­den, schürt dies beim Zuschauer kein Inter­esse, son­dern vor allem Irritation. 

Emilio Sakraya als Kiano und Netflix' Tribes of Europa

Wird Kiano (Emilio Skaraya) sich auf die Seite der Crows schla­gen, um zu über­leben? — Bild: Net­flix

Fig­uren, die bier­ernst auftreten, wer­den mit anderen Charak­teren kom­biniert, die an beina­he par­o­dis­tis­ch­er Slap­stick-Überze­ich­nung kaum noch zu über­bi­eten sind. Parade­beispiele sind Schrot­thändler Moses, im Grunde genom­men her­vor­ra­gend verkör­pert von Dark-Star Oliv­er Masuc­ci oder Über-Bösewichtin Lord Var­vara, gespielt von Meli­ka Foroutan. So kommt es, dass Tribes of Europa wieder und wieder ein wenig zu frei zwis­chen Gemet­zel, Bud­dy-Komödie und Sci-Fi-Saga wankt und dabei auch noch ver­gisst, vor lauter abge­laufe­nen Plot-Pfaden seine Fig­uren zu ergrün­den. Die kämpfen sich den­noch uner­müdlich für ihre Autoren durch Glad­i­a­torenkämpfe, Sklaven­lager und Hin­ter­halte, ohne jemals wirk­lich etwas von sich preis­geben zu dürfen.

Wenn es also um das Prinzip des Sur­vival of the Fittest im Kor­pus der Film- und Serien-Dystopi­en geht, dann kommt man iro­nis­cher­weise nicht umhin, Tribes of Europa ein vorzeit­iges Game-over zu attestieren. 

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