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Barbaren auf Netflix: Die Kritik zur deutschen Historienserie
„Barbaren” lautet der so schlichte wie vielversprechende Titel der neuen deutschen Serienhoffnung auf Netflix, die sich um die historische Schlacht im Teutoburger Wald zwischen den Römern und den Germanen im Jahr 9 nach Christus dreht. In unserer Kritik erfährst Du, ob sich die Serie lohnt oder nicht.
Die deutsche Serienlandschaft hat sich in den vergangenen Jahren dank Produktionen wie „Dark”, „Babylon Berlin” und „4 Blocks” auch international einen guten Ruf erarbeitet. Kein Wunder, dass die am 23. Oktober startende Netflix-Serie „Barbaren” bereits im Vorfeld als das deutsche „Vikings” bezeichnet wird.
Dieser Vergleich liegt zwar aufgrund des historischen Settings nahe, doch sind das natürlich recht große Fußstapfen, die „Barbaren” da auszufüllen hat. Warum sich die Serie vor dem kanadischen Quasi-Pendant allerdings keinesfalls verstecken muss, liest Du in den folgenden Zeilen.
„Barbaren” kannst Du übrigens auf Deinem Netflix-Account auch mit Vodafones GigaTV anschauen.
Die Handlung von Barbaren: Rebellische Germanen und beleidigte Römer
Im Jahr 9 nach Christus besetzt das Römische Reich Teile Germaniens und fordert von den betroffenen Stämmen existenzbedrohende Tribute. Darunter leidet auch das Volk der Cherusker, deren Oberhaupt Segimer (Nicki von Tempelhoff) machtlos zusehen muss, wie seinem Stamm immer mehr die Lebensgrundlage genommen wird.
Da er es nicht schafft, die untereinander verfeindeten germanischen Stämme zu vereinigen, um so eine Rebellion gegen die römischen Besatzer einleiten zu können, ergreifen die cheruskische Fürstentochter Thusnelda (Jeanne Goursaud) und deren heimlicher Geliebter Folkwin Wolfspeer (David Schütter) die Initiative:
Sie schleichen sich eines Nachts in das römische Lager und stehlen die symbolträchtige Standarte des Feindes, um diesen öffentlich zu demütigen. Durch die gewagte Aktion erhoffen sie sich eine Art Initialzündung für einen Aufstand der Germanen, der der römischen Herrschaft ein Ende setzen soll.
Statthalter Varus (Gaetano Aronica) entsendet daraufhin seinen Ziehsohn und Offizier Arminius (Laurence Rupp), der die Aufständischen in ihre Schranken weisen soll. Doch der Vertraute des römischen Regenten teilt mit Thusnelda und Folkwin eine gemeinsame Vergangenheit, die für die später folgende legendäre Varusschlacht im Teutoburger Wald von großer Bedeutung sein wird.
Ebenfalls mit Spannung erwartet: Das „Vikings”-Spin-off „Valhalla”, über das Du hier alle wichtigen Infos erhältst.
Menschliche Dilemmata statt mythische Verklärung
Dass bezüglich besagter Schlacht und den beteiligten Personen nicht alles hundertprozentig historisch belegbar ist, erwies sich für die „Barbaren”-Showrunner Jan Martin Scharf und Arne Nolting als günstige Gelegenheit, ihrer auf überlieferten Ereignissen beruhenden Serie eine unterhaltsame (und fiktionale) Geschichte beizumischen.
Diese künstlerische Freiheit nutzen die Macher clever, indem sie „Barbaren” nicht zum trockenen Geschichtsunterricht mit Metzelszenen verkommen lassen, sondern um eine spannende und relevante Dreiecksgeschichte über Loyalität, Liebe und Leid erweitern.
So werden die drei Hauptfiguren Thusnelda, Arminius und Folkwin zum Motor einer Erzählung, die zwar nicht gerade vor Innovation strotzt, aber mit steigender Episodenzahl zunehmend mitreißt. Als historisch halbwegs bewanderter Zuschauer weiß man natürlich, auf welches Ereignis Handlung und Charaktere zusteuern. Dass man trotzdem interessiert bei der Stange bleibt, zeugt von handwerklich geschicktem Storytelling.
Gewissermaßen kreiert „Barbaren” sogar einen eigenen Mythos um die historischen Figuren Thusnelda und Arminius. Letzterer entpuppt sich als durch und durch tragischer Held, der seine Identität zwischen Grausamkeit und Gnade, Pflichtbewusstsein und Bauchgefühl sowie Gegenwart und Vergangenheit erst noch finden muss. Ein Schicksal, das ihn entgegen der überlieferten Hermann-Legende menschlich und nahbar macht.
Während seine Charakterzeichnung mehr in der Realität verankert ist, hört man bei Thusneldas Auftritten förmlich das Anschlagen der Autorentastatur. Ihre Entwicklung zur kühnen Kriegerin fasziniert zwar ebenso, ist aber deutlich spürbar dem Wunsch untergeordnet, eine eigene Lagertha-Version von „Vikings” kreieren zu wollen.
Die Melange aus historischer Authentizität und Spektakellust funktioniert jedoch zum Großteil und zeigt, dass die Macher die Erzählmaschinerien des Unterhaltungsmediums Serie bestens verstehen. Etwas mehr als die gedrehten sechs Episoden hätten der Geschichte zwar mehr Tiefe verliehen, im Gegenzug sorgt das Mini-Format aber für knackige Kurzweil beim Anschauen.
Nur ein bärtiger Barbar ist ein guter Barbar
Als historische Abenteuerserie ist es fast schon unmöglich, bestimmte Klischees zu vermeiden. Auch „Barbaren” stellt da keine Ausnahme dar: Männer mit imposanten Rauschebärten grunzen und grölen Kriegsparolen in die Nacht hinein, während ihnen der Bierschaum vom Kinn tropft. Massive Schwerter und Äxte, die begleitet von Kampfschreien im Lagerfeuerlicht in die Höhe gereckt werden. Robuste Körper und kantige Gesichter, die mit Blut und Schlamm besudelt sind.
Vorhersehbare Bilder, auf die man aber als Zuschauer zugegebenermaßen nicht verzichten möchte. Hin und wieder wird der Service für Genre-Fans jedoch übertrieben: Wenn in einer Szene nach einem Kampf die abgetrennten Hoden des Feindes verspeist werden, soll schließlich auch dem letzten Unwissenden klargemacht werden, dass er es hier mit echten Barbaren zu tun hat. Das ist nicht sonderlich subtil und hat die Serie auch gar nicht nötig.
Die erforderliche Authentizität erreicht „Barbaren” nämlich vor allem über die Detailverliebtheit in puncto Ausstattung, Kostüme und Setting, die sich wirklich sehen lassen kann. Zudem sorgt die mutige Entscheidung, die Römer originalgetreu Latein sprechen zu lassen, für ein zusätzliches Maß an Glaubwürdigkeit.
Grandiose Darsteller und Germanen-Slang
Als Volltreffer erweist sich darüber hinaus der Cast der Netflix-Serie. Die Macher verzichteten auf große Stars und setzten stattdessen auf eine wohldurchdachte Mischung von Darstellern, die ihre Rollen perfekt ausfüllen
Der Österreicher Laurence Rupp („Cops”) spielt den Arminius als nachdenklichen Mann zwischen zwei Welten, der von Selbstzweifeln geplagt wird und nicht als reinen heroischen Kriegsstrategen. Der profilierte Theaterdarsteller versteht es ausgezeichnet, Arminius’ Fassade der Distanziertheit in den entscheidenden Momenten bröckeln zu lassen, um so den emotionalen Kern seiner Figur freizulegen.
Die große positive Überraschung ist allerdings Jeanne Goursaud („Der Lehrer”), die mit ihrer starken Performance ihr bisheriges Dasein als TV-Nebendarstellerin beendet haben dürfte. Als Thusnelda legt sie einen wahren Tour de Force-Auftritt hin: Ob als leidende Liebende, forsche Fürstentochter oder abgebrühte Amazone, Goursaud wirft alles in die Rolle hinein und macht dabei immer eine gute Figur.
Noch mehr Freiheiten in der darstellerischen Herangehensweise wurden David Schütter („Werk ohne Autor”) ermöglicht, da sein Folkwin Wolfspeer ein gänzlich fiktiver Charakter ist. Mit seinem lässig-heiseren Nuscheln lässt er den schicksalsgebeutelten Krieger bisweilen wie einen betrunkenen Kneipengast klingen, doch entwickelt das mit der Zeit durchaus seinen ganz eigenen Charme.
Überhaupt tanzt die Serie mit ihrem erstaunlich lockeren Jargon aus der Reihe. Zwar gibt es auch hier den ein oder anderen gestelzten (für das Genre jedoch angemessenen) Dialog, meistens herrscht aber ein eher umgangssprachlicher Ton unter den Barbaren. Das kann man nun als störend oder erfrischend empfinden, anders ist es in jedem Fall.
Epik in Slow Motion
Dieser Mut zur Andersartigkeit fehlt „Barbaren” hingegen über die meiste Zeit. Artig bedient die Serie die an das Genre gestellten Erwartungen und wächst so nie über den Status einer netten Samstagabendunterhaltung hinaus.
Das Prädikat „episch” verdient sich das Historiendrama tatsächlich erst, wenn die alles entscheidende Varusschlacht stattfindet. Diese präsentiert sich nämlich als meisterhaft inszeniertes Feuerwerk, brutal und ästhetisch zugleich, in dem sich spritzendes Blut und lodernde Flammen vereinen und Schwerterklingen in Zeitlupe klirrend aufeinanderkrachen.
Hier fühlt man sich direkt an die sehenswerten Schlachten in „Game of Thrones” oder „Vikings” erinnert, was eventuell auch daran liegen mag, dass mit Steve Saint Leger ein Regisseur der Wikingerserie die betreffende Episode in „Barbaren” inszenierte. In Sachen Optik kann die deutsche Produktion also ganz besonders im Finale mit der internationalen Konkurrenz mithalten.
Am Ende der sechs Episoden überwiegt definitiv das Gefühl, dass „Barbaren” den Ruf von deutschen Serien nicht geschädigt hat. Folglich haben die Macher wohl vieles richtig gemacht. Mit ihrer unterhaltsamen Mischung aus Fakten und Fiktion erfinden sie das Genre-Rad aber auch keinesfalls neu.
Doch vielleicht klappt das ja in einer zweiten Staffel, die durch mehrere offene Konflikte unter den Figuren angedeutet oder vielmehr forciert wird, was praktisch zur goldenen Regel einer erfolgreichen Serie gehört. Bekanntlich war die Varusschlacht ja erst der Anfang von Arminius’ Geschichte…
Du willst noch mehr über die Entstehung von „Barbaren” wissen? Unser Interview mit den drei Hauptdarstellern gibt es hier:
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