Zwei Frauen umarmen sich
© Netflix
Szene aus der Animeserie "Naruto"
Gen V
:

Escaping Twin Flames: Die wahre Geschichte hinter der Dating-Plattform

Jed­er find­et das große Liebesglück, wenn er sich nur genug bemüht, oder? Das jeden­falls ver­spricht eine US-Online-Com­mu­ni­ty seinen Mit­gliedern. Eine Net­flix-Doku (Start: 8. Novem­ber 2023) schaut jet­zt hin­ter die Kulis­sen. Hier liest Du die wahre Geschichte hin­ter „Escap­ing Twin Flames”. 

Die Suche nach dem Seelenverwandten 

Die Idee ist wirk­lich nicht neu, aber sie fasziniert immer wieder neue Gen­er­a­tio­nen von Men­schen, die auf der Suche nach Liebe und Gebor­gen­heit sind: Irgend­wo da draußen gibt es für jeden den per­fek­ten Part­ner, die per­fek­te Part­ner­in, den See­len­ver­wandten oder die Zwill­ings­flamme – die „twin flame”.  

Dieses Konzept mag auf ein­er roman­tisch verk­lärten Täuschung beruhen, aber die Suche nach dieser einen Per­son, die wie keine andere zu uns passt, ist zunächst ein­mal legit­im. Prob­lema­tisch wird es, wenn Gurus und Geschäftemach­er aus dieser manch­mal verzweifel­ten Suche Kap­i­tal schla­gen.  

Pain Hus­tlers: Die wahre Geschichte hin­ter dem Net­flix-Film

Genau darum geht es bei dem soge­nan­nten Twin Flame Uni­verse; ein­er Online-Gemein­schaft, die seit eini­gen Jahren in den USA für Schlagzeilen sorgt. Diese von Jeff und Shaleia Ayan betriebene Com­mu­ni­ty ver­spricht, jedes Mit­glied mit seinem oder ihrem See­len­ver­wandten zusam­men­zubrin­gen. 

Die Ayans nutzen für ihre Aktiv­itäten übri­gens nicht ihren Fam­i­li­en­na­men, son­dern nen­nen sich lieber Jeff und Shaleia Divine, also „göt­tlich”.  2020 veröf­fentlichte die Jour­nal­istin Alice Hines in dem US-Mag­a­zin Van­i­ty Fair nach lan­gen Recherchen eine Geschichte über die bei­den und ihre Com­mu­ni­ty.  

Hines kommt zu dem Schluss, dass es sich beim Twin Flames Uni­ver­sum um eine Art Sek­te han­delt. Zum Pro­gramm gehören laut der Jour­nal­istin unmoralis­che Prak­tiken, Manip­u­la­tion und ein höchst frag­würdi­ges Geschäftsmod­ell. 

Das Twin Flames Universe 

Die Sto­ry der Zwill­ings­flam­men begin­nt mit Liebe: Jeff und Shaleia ler­nen sich 2012 online ken­nen. Bald darauf ziehen sie zusam­men und begin­nen, Videos über ihre Beziehung zu drehen. Sie starten zudem einen Blog mit Beziehungstipps.  

Schließlich führen ihre Liebes­botschaften zu einem neuen, größeren Pro­jekt: Sie grün­den das Twin Flames Uni­verse und wollen Men­schen helfen, ihre wahre Liebe zu find­en. Shaleia übern­immt dabei den spir­ituellen Part, Jeff küm­mert sich eher um das Geschäftliche.  

Ihre Videos erre­ichen 2017 auf YouTube mehr als 150.000 Aufrufe, die Zahl der Face­book-Fans erre­icht schnell mehr als 10.000. Doch bei Tipps und bun­ten Bildern bleibt es nicht: Die Ayans ziehen ein Unternehmen auf.  

Der Fall Jens Söring: Die wahre Geschichte hin­ter der True-Crime-Doku

Sie bieten kostenpflichtige Onlinekurse und indi­vidu­elle Coach­ings an. Jeff und Shaleia verkaufen gewis­ser­maßen ihr pri­vates Liebesglück allen, die noch auf der Suche nach der großen Liebe sind.  

Das Mot­to dabei lautet: Was wir gefun­den haben, kön­nt Ihr auch find­en – und wir helfen Euch dabei. Aber Liebe hat auch ihren Preis. Wer das kom­plette Liebe­san­bah­nung­spro­gramm der Ayans bucht, zahlt weit über 4.000 US-Dol­lar.  

Die Ayans weit­en ihr Uni­ver­sum außer­dem mit ein­er Art Schnee­ball­sys­tem aus. Sie heuern einzelne Mit­glieder ihrer Com­mu­ni­ty als Coach­es an, die wiederum Kurse an weit­ere Mit­glieder verkaufen. Und die Coach­es rekru­tieren weit­ere Liebeslehrkräfte.

Die Trainer:innen dür­fen zwar ihre Ein­nah­men behal­ten. Sie müssen aber, bevor sie ihre Kar­riere im Twin Flames Uni­verse starten, zunächst das kom­plette Lehr­ma­te­r­i­al der Ayans kaufen und durch­laufen.  

Bitte akzeptieren Sie die Nutzung von Drittanbieter-Einbindungen mit einem Klick auf den folgenden Button:

Die wahre Geschichte hinter Escaping Twin Flames 

Das Geschäft lohnt sich, zumin­d­est für Jeff und Shaleia. Das Paar resi­diert schon bald in ein­er Luxusvil­la mit Pool in Michi­gan. Alles Schwindel oder empathis­che Leben­shil­fe? Kluge, aber möglicher­weise nut­zlose Ratschläge gegen Geld zu verkaufen, wäre jeden­falls noch nicht unbe­d­ingt ver­w­er­flich.  

Die wahre Geschichte hin­ter Escap­ing Twin Flames sieht aber anders aus, wie Alice Hines beschreibt. Eine zen­trale Rolle spielt dabei die soge­nan­nte Spiegelübung. Die Idee dahin­ter ist, als Suchende:r nach der großen Liebe selb­st die Ver­ant­wor­tung für das bish­erige Scheit­ern zu übernehmen.  

Nicht die ablehnende Hal­tung des See­len­ver­wandten sei etwa schuld daran, wenn sich die ersehnte per­fek­te Zweisamkeit nicht ein­stelle, son­dern man­gel­ndes Engage­ment des Suchen­den. Das Konzept der See­len­ver­wandtschaft ist – so verkaufen es die Ayans – aber gottgegeben.  

Und wer oder was kann schon etwas gegen Gottes Wille aus­richt­en? Um die göt­tliche Weisung Wirk­lichkeit wer­den zu lassen, müssen zur Not auch rabi­ate Meth­o­d­en her. Die Ayans ermuntern ihre Mit­glieder jeden­falls, Gren­zen bei der Part­ner­suche zu über­schre­it­en – geset­zliche sowie moralis­che.  

Bod­ies: Das Ende der Net­flix-Minis­erie erk­lärt

Hines berichtet von dem Fall ein­er Frau, die ihrer „Zwill­ings­flamme” der­art mas­siv nach­stellte, dass der Mann eine einst­weilige Ver­fü­gung gegen sie erwirk­te. In anderen Fällen drängten die Ayans Mit­glieder ihrer Com­mu­ni­ty sog­ar dazu, ihre sex­uelle Ori­en­tierung zu ändern.  

Sie legten etwa het­ero­sex­uellen Frauen nahe, die ein­fach nicht den Mann ihrer Träume find­en beziehungsweise für sich gewin­nen kon­nten, ihr Glück doch lieber mit ein­er Frau zu ver­suchen.  

Andere Mit­glieder reagierten auf eine frus­tri­erende Suche nach dem oder der Richti­gen noch drastis­ch­er. Sie änderten ihren Namen und ihre Garder­obe und out­eten sich vor Fam­i­lie und Kollge:innen als Trans­gen­der – überzeugt davon, dass Gott zusam­men­fügt, was zusam­menge­hört.  

Die Community wächst 

Mit­tler­weile gibt es etliche Aussteiger:innen aus dem Uni­ver­sum der Ayans. Sie haben ihr Glück nicht gefun­den und das auch noch teuer bezahlt. Aber es gibt auch eine wach­sende Zahl von Anhänger:innen. Die lan­gen Covid-Lock­downs haben offen­bar als Ver­stärk­er gewirkt.  

Mehr denn je waren in den ver­gan­genen Jahren Men­schen online unter­wegs, und Part­ner­suche war zeitweise im analo­gen Leben ziem­lich schwierig bis unmöglich. Und so wächst die Com­mu­ni­ty bis heute. Bei Face­book fol­gen den Liebesgu­rus jet­zt rund 40.000 Men­schen. 

Eine wahre Geschichte, zwei Dokus: Das Twin Flame Universum

Dem­sel­ben The­ma wid­met sich übri­gens auch eine dre­it­eilige Dokuserie bei Ama­zon Prime Video, die am 6. Okto­ber 2023 bei dem Stream­ing­di­enst erschien. An „See­len­ver­wandter verzweifelt gesucht – die Tück­en des Twin Flames Uni­ver­sums” wirk­te Alice Hines sog­ar per­sön­lich mit.  

Die Net­flix-Doku Escap­ing Twin Flames umfasst eben­falls drei Teile. Die Filmemacher:innen Cecil­ia Peck und Inbal B. Lesner („Seduced: Inside the NXIVM Cult”, Ama­zon Prime Video) recher­chierten drei Jahre lang für ihre Doku und inter­viewten dafür ehe­ma­lige Mit­glieder der Com­mu­ni­ty und Ange­hörige von Geschädigten. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte Dich auch interessieren