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The Coldest Game-Kritik: Bill Pullmann als amerikanischer „Superheld“ bei Netflix
Im neuen Netflix-Spionagethriller „The Coldest Game“ wird ein gealterter US-Schachmeister in die gefährlichen Wirren des Kalten Krieges hineingezogen. Doch reichen diese Prämisse und The Sinner-Star Bill Pullman aus, um zu überzeugen? Wir verraten es Dir in unserer Kritik.
Ob im getrennten Berlin, in Moskau, auf der großen politischen Bühne oder in verrauchten Hinterzimmern: Der Kalte Krieg wurde an vielen Fronten ausgefochten. Selbst im Kino trat mit Rocky Balboa der große amerikanische Traum gegen seinen sowjetischen Konterpart an.
Auch das Schachspiel blieb von diesem grotesken Ringen der Großmächte nicht verschont. Als der US-Meister Bobby Fisher 1972 gegen den Russen Boris Spassky antrat, wurde das Duell der beiden Schachtitanen zur ideologischen Schlacht beider Systeme hochstilisiert.
Dieses bemerkenswerte Ereignis ist nun wohl auch die historische Inspirationsquelle für den neuesten Netflix-Thriller „The Coldest Game“, in der eine Schachweltmeisterpartie zwischen Ost und West nicht nur Fans des gehobenen Denksports, sondern auch jede Menge Spione, Doppelagenten und Giftmischer anzieht.
Die Handlung von The Coldest Game
Der amerikanische Professor Josh Mansky (Bill Pullman) ist ein Genie und brillanter Schachspieler, der seinen guten Ruf aber längst an den Alkohol verloren hat. Die meiste Zeit wankt er von einer Bar oder Spielhölle zur nächsten.
Als jedoch der aktuelle Schachmeister der USA vor einem wichtigen Duell gegen den Sowjetchamp unter mysteriösen Umständen stirbt, soll Mansky einspringen. Denn es steht viel mehr auf dem Spiel, als eine verlorene Schachpartie.
Für die CIA soll Mansky den Wettbewerb im Warschauer Kultur- und Wissenschaftspalast nutzen, um einen sowjetischen Überläufer zu identifizieren und so an einen Mikrofilm zu gelangen.
Nur mit den darauf enthaltenen Informationen kann eine drohende Eskalation der Kubakrise aufgehalten werden. Doch die Sowjets sind ihren amerikanischen Konkurrenten schon dicht auf den Fersen…
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The Coldest Game: Spannender Mix mit holpriger Umsetzung
Die Prämisse von „The Coldest Game“ klingt eigentlich sehr vielversprechend: Der drohende Schatten einer historischen Krise, ein nervenzerreißendes Verwirrspiel aus Spionage und Intrigen verbunden mit der notorisch exzentrischen Welt des Profischachs.
Warum also will der Funken nicht überspringen? Das liegt zum einen an dem unbeholfenen Drehbuch, das seine Hauptfigur gegen irritierende Handlungsstränge und jede Menge Unglaubwürdigkeiten ankämpfen lässt.
Dazwischen herrscht auch mal gähnende Leere, während sich die Geschichte seltsam orientierungslos und doch geradezu hektisch dem nächsten Handlungspunkt entgegenhangelt.
Erst im letzten Drittel schafft es der Film mithilfe einer tatsächlich schlagkräftigen Wendung, das Ruder noch einmal herumzureißen und den Thriller in zwar weitgehend vorhersehbare aber doch geordnete Bahnen zu lenken.
Lichtblick Bill Pullman
Wo das Drehbuch scheitert, schafft es dagegen Hauptdarsteller Bill Pullman, das Ganze zusammenzuhalten.
Der mittlerweile 66-Jährige, der mit der Thriller-Serie „The Sinner” sein großes Comeback feierte, glänzt als verschrobener Professor, dessen Genie trotz oder gerade wegen seines Alkoholismus immer wieder durchscheint.
Man kauft Pullmans Mansky den inneren Sturm schlichtweg ab, wenn seine Blicke immer wieder ein Wechselbad aus sozialer Isolierung, Unsicherheit und Verwirrung, dann wieder Intelligenz und verschmitztem Scharfsinn verraten.
Auf diese Weise fungiert seine Figur als motivierender Ankerpunkt in der unsteten Handlung von „The Coldest Game“, der selbst den unglaubwürdigsten Storyeinfällen standhält.
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Josh Mansky: Amerikanischer Superheld mit Alkoholkräften
So klassisch und bodenständig die Spionagegeschichte erstmal erscheint, ist sie nämlich keineswegs. Das fängt schon bei dem Helden selbst an. Denn wie wir schon früh erfahren, ist sein dauerbetrunkener Zustand keineswegs ein Hindernis.
Vielmehr wird uns erklärt, dass Mansky so hyperintelligent ist und so viele Schritte vorausdenkt, dass er seine Gedanken nur durch massiven Alkoholzufluss fokussieren kann. Was als cleverer Kniff verkauft wird, wirkt in der Realität aber dann doch eher albern.
Wenn Mansky sich nach einem waschechten Filmriss nicht einmal erinnert, dass er offenbar ohne sichtbare Anzeichen seines Zustands eine der besten Schachpartien seines Lebens gespielt hat, ist das einfach nicht mehr glaubhaft.
Video: Youtube / NEXTFILMPL
Vielmehr bekommt man zunehmend das Gefühl, es mit der aberwitzigen Version eines Superhelden zu tun zu haben. Nur dass er seine intellektuellen Kräfte eben nicht Supersoldaten-Drogen oder Gammastrahlen, sondern Alkohol zu verdanken hat.
Als der sowjetische Geheimdienst dann auch noch einen Hypnotiseur auf Mansky ansetzt, der dessen Gedanken ohne Blickkontakt durcheinander zu bringen vermag, komplettiert sich der Vergleich. Superheld Mansky hat seine Nemesis gefunden.
Das Geschehen ab diesem Zeitpunkt noch ernst zu nehmen, ist dann gar nicht so einfach.
Ein Käfig voller Kalter-Krieg-Klischees
Dass es in einem Kalter-Krieg-Spionagethriller vor Doppelagenten und ähnlich klassischen Genreelementen nur so wimmelt, ist eigentlich keine Überraschung. So viel erwartet man als Zuschauer auch von dieser Art von Film.
Dagegen wirken aber die einseitig gezeichneten Bösewichte wie aus einem anderen Jahrzehnt. Den Russen und ihrem geradezu karikaturesk sadistischen Anführer, General Krutov (Aleksey Serebyaskov), werden nämlich keine gemäßigten Charaktereigenschaften zugestanden.
Während die „guten“ Amerikaner also die Welt vor einer Krise retten wollen, morden und foltern die „bösen“ Sowjets munter vor sich hin. Das ist nicht nur nicht sonderlich zeitgemäß, sondern lässt auch viel Reibungspotential ungenutzt.
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Schöne Bilder und vergessene Stärken
Optisch kann sich „The Coldest Game“ durchaus sehen lassen, was auch kein Wunder ist. Schließlich zeichnet für die Bilder Pawel Edelmann verantwortlich, der schon für Meisterwerke wie „Der Pianist“ hinter der Kamera stand.
Dabei bietet der reale Schauplatz des Warschauer Kultur- und Wissenschaftspalasts in all seinem stalinistischen Pomp eine beeindruckende Kulisse.
Schade ist es da nur, dass gerade die interessante Ausgangssituation des US-sowjetischen Schachduells so mittelmäßig und lieblos in Szene gesetzt wird. Statt eines packenden Wettstreits zweier brillanter Strategen und verfeindeter Systeme bleiben einem so nur einige hastig zusammengeschnittene Schachmontagen in Erinnerung.
Starker Nebencast in The Coldest Game
Zum Glück steht Pullman in „The Coldest Game“ aber nicht alleine da, denn auch der restliche Cast weiß zu überzeugen.
Insbesondere „Outlander“-Star Lotte Verbeek liefert als Femme fatale Agent Stone eine starke Show ab. Und das obwohl ihr dabei vom Drehbuch nur wenige Werkzeuge in die Hand gereicht werden.
Auch James Bloor („Dunkirk“) kann in der Rolle des jungen Agentenprofis White einige Sympathien einheimsen, während sich Robert Wieckiewicz („Dark Crimes“) in der Rolle des trinkfreudigen und loyalen Palastmanagers als charmante Überraschung offenbart.
Fazit: Kein Schach-Matt
Der Netflix-Thriller „The Coldest Game“ bietet viele gute Ansätze und auf den ersten Blick auch interessante Ideen. Doch zuletzt ist es vor allem ein klasse aufspielender Bill Pullman, der den Film trotz sperrigem Drehbuch, Kalter-Krieg-Klischees und albernen Plotallüren über die Ziellinie rettet.
Was bleibt, ist ein mittelmäßiger Spionagethriller, der zwar durchaus solide Unterhaltung bietet, sein eigenes Potential aber auch nicht erfüllen kann.
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Wie hat dir „The Coldest Game“ gefallen? Sag es uns in den Kommentaren.
Titelbild: Netflix/ Next Film