Napoleon (Joaquin Phoenix) steht in der ägyptischen Wüste
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Bad Surgeon - Liebe unter dem Messer: Paolo Macchiarini: Ein Mann mittleren Alters mit grauen Haaren hält eine künstliche Luftröhre in der Hand und scheint etwas darüber zu erklären.
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Napoleon im Reality-Check: So wenig Wahrheit steckt in dem neuen Film von Ridley Scott

Mit dem Action-Epos „Napoleon” ver­filmt Rid­ley Scott den Auf­stieg und Nieder­gang des franzö­sis­chen Kaisers Napoleon Bona­parte, der von Joaquin Phoenix gespielt wird. Die Film­schaf­fend­en nehmen sich in der Darstel­lung der kriegerischen und zwis­chen­men­schlichen Gegeben­heit­en kreative Frei­heit­en — manch­mal zu Las­ten der his­torischen Genauigkeit. Wie wenig Real­ität in Napoleon steckt und wo es aus geschichtlich­er Sicht Fehler gibt, erfährst Du hier.

Der Regis­seur Rid­ley Scott stand bei der Napoleon-Ver­fil­mung vor der Mam­mu­tauf­gabe, die poli­tis­chen Ver­strick­un­gen nach der Franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion zu erzählen, die riesi­gen Schlacht­en von Napoleon zu insze­nieren und gle­ichzeit­ig dessen Charak­ter und Per­sön­lichkeit als Macht- und Lieb­haber her­auszustellen. Klar, dass bei solch ein­er gewalti­gen Geschichtsver­fil­mung einiges an his­torisch­er Genauigkeit auf der Strecke bleibt. Wir haben uns für Dich auf die Suche nach den auf­fäl­lig­sten his­torischen Fehlern im Film gemacht. Bei diesen Szenen unter­schei­det sich der Napoleon-Film von der Real­ität.

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Die Exekution von Marie Antoinette verlief anders

Im Okto­ber 1793 wird die franzö­sis­che Köni­gin Marie Antoinette, genau wie ihr Mann Lud­wig XVI. neun Monate zuvor, öffentlich per Guil­lo­tine hin­gerichtet. Dieses schreck­liche Schaus­piel ste­ht als ein Sinnbild für die blutige Franzö­sis­che Rev­o­lu­tion. Rid­ley Scott begin­nt genau hier seinen Film.

Die Szene im Napoleon-Film sieht fol­gen­der­maßen aus: Die Köni­gin Marie Antoinette wird auf das Schafott geführt, von ein­er aufge­bracht­en Menge beschimpft und mit Schmutz bewor­fen. All das erträgt sie mit erhoben­em Haupt und stolzem Blick. Nach der Hin­rich­tung wird ihr blondge­lock­ter, abge­tren­nter Kopf emporge­hoben. Unter den Zuschauer:innen ist auch Napoleon.

In dieser ersten Szene sind aus his­torisch­er Sicht bere­its einige Fehler enthal­ten. So war Marie Antoinette laut der His­torik­erin Dr. Estelle Paranque am Ende ihres Lebens nicht so furcht­los und leb­haft wie im Film dargestellt. Aller Wahrschein­lichkeit nach war ihr Gang zum Schafott also nicht so stolz.

Auch war ihr Haupt zu diesem Zeit­punkt bere­its kahlgeschoren. Ihre prächti­gen Haare waren also nicht mehr auf ihrem Kopf, als dieser abge­tren­nt wurde. Und der wohl größte Unter­schied: Napoleon war sicher­lich nicht bei ihrer Hin­rich­tung anwe­send, denn er war zu diesem Zeit­punkt mehrere hun­dert Kilo­me­ter außer­halb von Paris, wie der britis­che His­torik­er Dan Snow schildert.

Joaquin Phoenix ist zu alt

Oscargewin­ner Joaquin Phoenix spielt mit seinen 49 Jahren den geal­terten Napoleon zwar sehr gut, aber ist für den jun­gen, auf­streben­den Offizier Napoleon doch sichtlich zu alt. Das wird beson­ders durch der Liebes­beziehung zur späteren Kaiserin Joséphine de Beauhar­nais (gespielt von Vanes­sa Kir­by, 35) deut­lich, die in Real­ität sechs Jahre älter war als er. Im Film wirkt es genau umgekehrt.

Napoleon (Joaquin Phoenix) und Joséphine de Beauharnais (Vanessa Kirby) berühren sich zärtlich.

Die Liebes­beziehung von Napoleon und Joséphine nimmt einen nicht unbe­deu­ten­den Teil des Films ein, — Bild: Apple

Die Schlachten wurden zugunsten von Kino-Action angepasst

Die Schlacht­szenen in Rid­ley Scotts Napoleon sind wahrlich epis­chen Aus­maßes. Auch wenn die kriegerischen Auseinan­der­set­zun­gen in ihren Abläufen größ­ten­teils den his­torischen Vor­gaben entsprechen, gibt es doch einige Abwe­ichun­gen von den Über­liefer­un­gen.

Es wurden keine englischen Schiffe zerstört

In der Schlacht von Toulon ver­di­ente sich der junge Napoleon als Stratege und Feld­herr seine ersten Sporen. Der His­torik­er Dan Snow merkt an, dass bei der kriegerischen Auseinan­der­set­zung gar keine englis­chen Schiffe zer­stört wur­den. Im Film wird aber eben jenes gezeigt. Tat­säch­lich waren die einzi­gen zer­störten Schiffe der Schlacht franzö­sis­che.

Napoleon hat nicht die Pyramiden beschossen

Eine der spek­takulärsten Szenen im Film zeigt, wie Napoleons Armeen in Ägypten kämpfen und dort sog­ar mit ihren Kanonen auf die Pyra­mi­den feuern. Doch wie viel Wahrheit steckt in dieser Napoleon-Szene? Was hier stimmt: Es gab 1798 die soge­nan­nte „Schlacht bei den Pyra­mi­den“, bei der Napoleons Trup­pen ver­sucht­en, Ägypten einzunehmen. Jedoch ste­ht fest, dass Rid­ley Scott dieses Gefecht über­trieben darstellt.

Die Pyra­mide von Gizeh war bei der Schlacht mehrere Kilo­me­ter ent­fer­nt und dürfte nur kaum zu sehen gewe­sen sein. Auch die Kanonen­schüsse direkt auf die Pyra­mi­den sind eher Rid­ley Scotts Sinn für Spek­takel zuzuschreiben, als der Real­ität. Im Inter­view mit The Times of Lon­don gibt er zu: „Ich weiß nicht, ob er das getan hat“.

Oben­drauf waren die dama­li­gen Kanonen viel zu schwach, um die Spitze der Pyra­mi­den erre­ichen zu kön­nen. Napoleon selb­st war außer­dem sehr beein­druckt von den antiken Baut­en und Relik­te, so dass es frag­würdig ist, ob er die Zer­störung genehmigt hätte.

Kanonenfeuer im neuen Napoleon-Film

Action­feuer­w­erk statt Real­ität­snähe: Die Kanonen hat­ten zum dama­li­gen Zeit­punkt nicht die Reich­weite, wie im Film gezeigt. — Bild: Apple

Die Schlacht bei Austerlitz fand nicht auf einem gefrorenen See statt

Eine von Napoleons größten Siegen auf dem Schlacht­feld fand bei Auster­litz statt, wo er mit seinen Trup­pen eine Allianz von Öster­re­ich und Rus­s­land schlug. Die Napoleon-Ver­fil­mung hat auch diese wichtige Schlacht aufwändig insze­niert. Zwar stim­men in dieser Szene viele strate­gis­che Details, aber nicht alle.

Es wird gezeigt, wie rus­sis­che Kaval­leris­ten auf einem gefrore­nen See aufs Glat­teis geführt wer­den und mit­samt ihrer Stre­itröss­er ein­brechen und ertrinken. Auch dies ist eine Mythe, die sich wack­er hält, laut Dan Snow. Zwar dürften die Wet­terbe­din­gun­gen am 2. Dezem­ber 1805 ziem­lich ungemütlich gewe­sen sein, aber es gab hier keinen der­art großen zuge­frore­nen See. Nur zwei kleinere sump­fige Teiche waren teils mit ein­er dün­nen Eiss­chicht bedeckt, auf denen gegen Ende der Schlacht einige Män­ner ertranken.

Die Russischen und Österreichischen Truppen auf einem gefrorenen See

In dieser Szene wur­dest Du eben­falls aufs Glat­teis geführt. — Bild: Apple

Napoleon war nicht der größte Reiter

Auch wenn sich Napoleon auf zahlre­ichen Bildern auf einem Ross zeich­nen ließ, war der franzö­sis­che Kaisers laut Historiker:innen kein guter Reit­er. Seine Mil­itäraus­bil­dung umfasste keine Kaval­lerie und er wirk­te laut Zeitzeug:innen immer unsich­er auf dem Pfer­derück­en. Er ist sog­ar mehrere Male abge­wor­fen wor­den. Anstatt großer Stre­itröss­er bevorzugte er immer kleinere ara­bis­che Pfer­derassen, die sein­er Kör­per­größe entsprachen.

In Rid­ley Scotts Film hinge­gen macht Napoleon nicht nur eine gute Fig­ur auf dem Pferd, son­dern reit­et an ein­er Stelle sog­ar todesmutig an Seit­en der Kaval­lerie in die Schlacht. Dies ist mit Sicher­heit so nie geschehen. Als Befehlshaber stand Napoleon in den meis­ten Fällen in den hin­teren Stel­lun­gen, von wo er den besseren Überblick hat­te und nur sel­ten kör­per­lich­er Gefahr aus­ge­set­zt war.

Napoleon auf dem Rücken eines Pferdes.

Im Film sieht es pro­fes­sioneller aus, als es in Real­ität: Napoleon war kein guter Reit­er. — Bild: Apple

Napoleon hat Josephine wohl nie geschlagen

Napoleon hat seine Frau Josephine innigst geliebt, wie der aus­giebige Briefwech­sel zwis­chen ihnen zeigt. Allerd­ings wurde sie nie von ihm schwanger, was für den Kaiser, der unbe­d­ingt einen Thron­fol­ger wollte, nicht akzept­abel war.

Sowohl die Briefe als auch die Unfrucht­barkeit von Josephine sind große The­men in dem Film. Allerd­ings hat Rid­ley Scott sich auch hier einige Frei­heit­en genom­men.

So etwa in der Szene, wo es zur offiziellen Schei­dung kommt. Hier schlägt Napoleon sein­er Frau ins Gesicht, um sie unter Druck zu set­zen. Dies ist wed­er his­torisch belegt noch sehr wahrschein­lich. Der His­torik­er und Autor mehrerer Napoleon-Büch­er, Michael Broers, glaubt, dass es über­haupt nicht zu Napoleons Charak­ter passen würde, wenn er sie ein­fach öffentlich geschla­gen hätte. Und Josephine, die im Film sog­ar die Schei­dung vorschlägt, hätte dies in Wirk­lichkeit wahrschein­lich nie von sich aus ver­langt, da sie zu viel Angst davor gehabt hätte.

Reality-Check: Wie war Napoleon wirklich?

Es ist schwierig zu beurteilen, ob die Per­sön­lichkeit von Napoleon im Film der Wirk­lichkeit nahe kommt. Anders als im US-amerikanis­chen Raum hat die Darstel­lung von Joaquin Phoenix unter Regie von Rid­ley Scott einige franzö­sis­che Kritiker:innen dazu gebracht, den Film stark zu kri­tisieren.

Die GQ Frankre­ich find­et den Film samt Pro­tag­o­nis­ten „lang­weilig, unbe­holfen, unnatür­lich und unge­wollt komisch”. Die franzö­sis­che Tageszeitung Le Figaro glaubt, Scotts Napoleon könne auf­grund der wenig gelun­genen Darstel­lung der Liebes­beziehung von Bona­parte und Josephine auch gle­ich „Bar­bie und Ken im Kaiser­re­ich” heißen. Das Wochen­magazin Le Point find­et den Film anti-franzö­sisch, pro-britisch und seinen Helden dümm­lich, mit­telmäßig und lach­haft.

Joaquin Phoenix spielt Napoleon für unseren Geschmack aber in der Tat sehr unnah­bar, gefühlskalt, leicht erreg­bar und teils auch tölpel­haft. Was aus his­torischen Quellen her­vorge­ht, ist, dass Napoleon beliebt war, weil er mit den Sol­dat­en einen guten Umgang hat­te und Kon­ver­sa­tio­nen mit Humor belebte.

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