Gaming
„Mein Kind will E-Sports-Profi werden“: Das müssen Eltern über den Berufswunsch wissen
Arzt, Bäcker oder doch lieber E-Sports-Profi werden? Besonders letzterer Berufswunsch wird vom Nachwuchs neuerdings häufiger genannt. Doch eine Karriere als E-Sports-Profi – was bedeutet das überhaupt? Wie wird man Profi und kann man davon überhaupt leben? Wir gehen diesen Fragen auf den Grund und lassen unter anderem eine echte Expertin zu Wort kommen, die sich genau diesen Fragen stellen musste: Ilona Andersen, die Mutter des E-Sports-Profis Finn „karrigan“ Andersen.
„Mama, ich möchte E-Sports-Profi werden.“ Als Finn „karrigan“ Andersen, Mitglied des Counter-Strike: Global Offensive (CS:GO)-Teams von Mousesports seiner Mutter Ilona Andersen eines Tages erzählt, dass er E-Sports-Profi werden will, ist die 62-jährige zunächst skeptisch. Dass Finn es mit dem Zocken ernst meint, wussten Ilona und ihr Mann schon länger. Dass er sein Spieltalent aber zu einer Karriere machen wollte, kam überraschend. „Damals war es völlig neu für uns, dass man Profi-Gamer werden kann“, erinnert sie sich. Finn war mitten im Studium, als Mousesports mit einem Jobangebot auf ihren Sohn zukam. „Wir waren uns gar nicht sicher, ob man als Profi-Spieler überhaupt etwas verdienen kann.“
Darum träumen immer mehr junge Menschen von einer Karriere als E-Sports-Profi
Den Traum, auf professioneller Ebene Counter Strike oder andere Computer-Spiele in Turnieren zu zocken, verfolgen immer mehr junge Menschen. Kein Wunder, denn die Popularität des digitalen Sports ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Laut einer aktuellen Deloitte-Studie war das Wort „E-Sports“ und seine Bedeutung 2018 rund 20 Prozent mehr Befragten ein Begriff, als noch im Jahr zuvor. Sogar bei der Altersgruppe über 65 ist die Bekanntheit in den vergangenen zwei Jahren angestiegen. Folglich mausert sich E-Sports langsam vom Nischen- zum Massenphänomen.
Daran ist sicherlich nicht zuletzt das gesteigerte Medieninteresse Schuld. Sogar von einer möglichen Einordnung als Sportart im Sinne des Deutsch Olympischen Sportbunds war zuletzt die Rede und auch die Erwähnung im aktuellen Koalitionsvertrag hat den Begriff in die Nachrichtensendungen katapultiert. Parallel dazu stieg in den vergangenen Jahren auch die Bekanntheit der E-Sports-Profis. Längst werden einige von ihnen wie Stars gefeiert. Dass das Phänomen E-Sports sich solcher Beliebtheit erfreut und immer beliebter werden würde, war Ilona Andersen damals nicht klar. Ihre Sorge galt der Zukunft ihres Sohnes. War es wirklich eine gute Idee, sich komplett dem Gaming zu verschreiben?
Nur wenige Pro-Gamer zählen zu den Spitzenverdienern
Tatsächlich können die Gehälter der besten Pro-Gamer durchaus beachtlich ausfallen. Doch ist die Anzahl dieser Spitzenverdiener recht überschaubar. So erklärt Guillaume Patry, ein ehemaliger Star-Craft-2-Profi im Interview mit Global News, dass lediglich 0,1 Prozent es wirklich in die oberste Liga schaffen. Auch warnt Patry davor, für den E-Sports-Traum seine Ausbildung oder seinen Beruf aufzugeben. Und auch Ilona Andersen sieht es ähnlich: „Wir wussten nicht, ob man davon leben kann. Deshalb war uns eine Ausbildung neben dem E-Sport wichtig. Und auch Finn hat sein Masterstudium „Business Administration and Auditing“ nicht bereut.
Wer zu den 0,1 Prozent gehören will, die in der obersten Liga mitspielen, muss einiges Leisten. So gehören regelmäßige Turniere ebenso zum Alltag wie lange und intensive Trainingseinheiten. Um diese körperliche und geistige Belastung auszuhalten, arbeiten Pro-Gamer wie Finn ‚karrigan‘ Andersen mit Managern und Gesundheitsexperten zusammen. „Wenn ich die Spieler vor der Konsole sehe, die Höchstleistung erbringen müssen, dann ist das für mich Sport“, bestätigt auch Sportwissenschaftler Dr. Ingo Froböse im Interview mit Vodafone.
Wie können Eltern feststellen, ob ihr Kind das Zeug zum E-Sports-Profi hat?
Neben der Bereitschaft des Gamers körperliche und geistige Höchstleistung zu bringen, ist auch eine Portion Talent von Nöten, damit es mit der Karriere tatsächlich klappt. So berichtete der Mirror im Mai 2019 über den 15-jährigen Londoner Benjy „Benjyfishy” Fish, dessen Mutter zufällig feststellte, dass ihr Sohn ein wahres E-Sports-Talent ist. Der Teenager hatte ohne ihr Wissen an Online-Turnieren teilgenommen und dabei beachtliche Summen gewonnen. Anders als im Fall des jungen Benjy aus London ist Ilona Andersen der Meinung, dass Eltern, die sich für ihre Kinder interessieren, instinktiv spüren, welche Talente in ihnen schlummern.
Doch für viele Eltern ist E-Sports immer noch völliges Neuland. Wie sollen sie also sicher einschätzen können, ob ihr Kind tatsächlich das Zeug zum Pro-Gamer hat? Christopher Flato, Head of PR bei ESL Global hält hier sogar mehrere Ansätze für sinnvoll: „Es ist es unabdingbar, dass sich die Eltern mit dem Thema E-Sports näher befassen. Vor allem mit dem Spiel, das ihr Kind mit Vorliebe beschäftigt. Hierbei ist das Internet die erste Anlaufstelle. Auch regelmäßige Gespräche mit dem Kind und gemeinsame Spiel-Sessions können für Eltern sehr hilfreich sein, damit sie sich ein besseres Bild zum Thema machen können.”
Hans Jagnow, Präsident des esport-Bund Deutschland e.V. (ESBD) stellt sogar eine positive Wechselwirkung zwischen den Jugendlichen und deren Eltern fest: „Wir erleben immer wieder, dass Eltern über ihre Kinder selbst zum E-Sport finden. Teilnahme am Hobby des Kindes fördert nicht nur das Verständnis und die Beziehung, sondern kann auch selbst das Interesse wecken.“
Vom Hobby-Gamer zum Pro-Gamer: Wie können Eltern ihr Kind auf den Weg dahin begleiten?
„E-Sportler ist kein klassischer Ausbildungsberuf. Hier verläuft die Karriere vergleichbar derer von Fußball- oder Basketballprofis.“, erklärt Christopher Flato. Doch wie nimmt die Karriere eines jungen Talents denn nun seinen Weg, wenn es den Klassischen nicht gibt? Laut Flato sind die Jugendlichen bereits auf den entsprechenden Online-Plattformen unterwegs – zum Beispiel auf Twitch. Oder sie nehmen an kleineren Online-Turnieren statt. Allein die ESL veranstaltet auf ihrer Plattform ESL Play circa 33 Turniere und Ligen pro Tag. „Hierbei geht es primär nicht um den Gewinn von Geldsummen, sondern um Ruhm, Ehre und Spaß an der Freude.“, so Flato weiter.
Im Rahmen solcher Turniere können sich die jungen Talente in ihrem Lieblingsgame behaupten und ziehen so die Aufmerksamkeit von Talent-Scouts auf sich. Diese tummeln sich laut Flato dort und vor allem auf Twitch und halten Ausschau nach potenziellen Pro-Gamern von morgen. Eine weitere Möglichkeit, den Weg in die Profiliga zu finden, sind die Nachwuchsförderprogramme, wie zum Beispiel Vfl Wolfsburgs „Wolves E-Academy“. „Vereine können auch einen Einstieg in einen strukturierten Aufstieg in eine professionelle Karriere geben“, bestätigt Hans Jagnow.
Auch die direkte Bewerbung bei einem der derzeit erfolgreichen E-Sports-Teams ist eine Chance in den Profisport. „Hierbei sollten Eltern ihre Kinder aber unbedingt bei der Formulierung der Bewerbung unterstützen.“, empfiehlt Flato.
So hat Finn „karrigan“ Andersen seinen Weg zu Mousesports gefunden
Dass der Weg zum E-Spors-Profi kein klassischer ist, zeigt auch der Werdegang von Finn. Bereits zuvor hatte dieser sich in kleineren dänischen Teams einen Namen gemacht. Da Mousesports bekannt dafür ist, Talente zu finden und zu fördern, und Finn dank seiner deutschen Mutter auch fließend Deutsch spricht, ist er der ideale Kandidat für das CS:GO-Team.
Zu Beginn seiner Karriere in der Profi-Liga bekommt er team-intern dann zunächst den Spitznamen „dummer Däne“, weil er im Gegensatz zu den anderen eben keine „Profi-Erfahrung“ aufweisen kann. Nach einiger Bewährungszeit und mehreren Erfolgen im CS:GO-Team von Mouz gibt er sich schon bald schließlich selbst den Namen „schlauer Däne“. Mittlerweile ist Finn „karrigan“ Andersen gänzlich im Profi-Sport angekommen und eine absolute Bereicherung für das CS:GO-Team von Mousesports.
Wer es im Gegensatz zu Finn nicht in die Profi-Liga schafft, dem stehen viele weitere Möglichkeiten im E-Sports offen. Die Digitalisierung schafft gerade in der Branche derzeit viele neue Berufsfelder. Team-Manager, Trainer oder Spiele-Entwickler werden verstärkt gesucht.
Dein Kind will E-Sports-Profi werden und Du unterstützt es schon heute tatkräftig dabei? Teile uns Deine Erfahrungen gerne in den Kommentaren mit!