Digital Life
Orientierungshilfe im Netz: Hier können Schwule und Lesben sich informieren
Wenn man in Köln lebt, und – wie ich – auch noch bei den Medien arbeitet, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man eine Menge, um es politisch korrekt auszudrücken, homosexuelle Menschen im Freundes- und Kollegenkreis hat, ziemlich hoch. Tatsächlich kann ich mich an keine Zeit erinnern, in der es keine schwulen oder lesbischen Mitmenschen in meinem direkten Umfeld gegeben hat.
Einen Großteil meiner Teenagerjahre habe ich damit verbracht, die schwulen Freunde meiner Mutter, hoffnungslos verliebt, anzuschmachten. Warum auch nicht, schließlich kommt das Klischee, das schwule Männer oft besonders gepflegt und stylish sind, nicht von ungefähr. Mit 17 und mit Anfang 20 war ich jeweils mit Männern zusammen, die beide direkt nach der Beziehung mit mir ihr Coming-out hatten. Ich bin mir fast sicher, dass es nichts mit mir persönlich zu tun hatte, und rückblickend muss ich gestehen, dass es Zeichen gab, nur wusste ich sie damals nicht zu deuten. Wenn ein Mann – und man möge mir die Bedienung dieses Klischees mit einem Augenzwinkern nachsehen, aber so war es damals in den 80ern – gerne Kajalstift aufträgt und sich gerne an Deinem Kleiderschrank bedient, aber weder in einer Rockband spielt noch der Punk-, Grunge- oder Gothic-Szene angehört, dann könnte das ein Zeichen dafür sein, das nicht nur weibliche Kurven seinen Puls in Wallung bringen.
Was ich Dir mit dieser Einleitung eigentlich sagen möchte, ist, dass ich persönlich in einer Welt lebe, in der Homosexualität nichts Ungewöhnliches ist. Bedauerlicherweise ist das aber generell auf unserem Globus nicht der Normalzustand. Und so kann es – insbesondere für Menschen, die nicht in den Metropolen unserer Welt leben –, schwierig sein, sich offen zu ihrer Sexualität zu bekennen oder Gleichgesinnte zu finden.
Die erste Berührung mit der eigenen Sexualität ist eigentlich für jeden Menschen verwirrend, aufregend, beängstigend. Nur hat die breite Masse von uns den Vorteil, dass wir ohne großen Aufwand Gleichgesinnte finden, mit denen wir uns austauschen, Erfahrungen, Wünsche und Träume vergleichen können. Wenn nicht im persönlichen Gespräch, dann doch über Bücher, Zeitungen, Fernsehen und last but not least, ist unser Freund und Helfer, das World Wide Web, die vielseitigste Informationsquelle, die man sich nur wünschen kann.
Das „Coming-out“ selbst ist oft der schwerste Weg, den viele homosexuelle Menschen beschreiten müssen. Es gilt ja nicht nur, sich selbst einzugestehen, dass man von der „Norm“ abweicht, oft ist der schwierigere Schritt, sich Familie und Freunden zu öffnen.
Ein Thema, das nicht nur für Jugendliche, sondern auch für viele Erwachsene aktueller ist denn je. Mein bester Freund und ich waren bereits 10 Jahre unzertrennlich, bevor er – mittlerweile schon in seinen Dreißigern – sich selbst und der Welt eingestehen konnte, das er sich mehr zu Männern, als zu Frauen hingezogen fühlt.
Früher musste man hoffen und sehnsüchtig darauf warten, dass Dr. Sommer in der Bravo sich mal wieder mit dem Thema Homosexualität befasst. Heute gibt es einige digitale Rettungsanker, die uns immer mit Rat – und manchmal auch mit Tat – zur Seite stehen. Auf jeden Fall aber gibt es die Möglichkeit, sich erst mal in Ruhe über die Dinge zu informieren, die uns möglicherweise verwirren.
Hilfe beim Coming out
Die anonyme Beratung comingout.de ist eine von staatlicher Seite ins Leben gerufene Institution, gestaltet von Jugendlichen für Jugendliche. Die Seite wirkt auf den ersten Blick ein wenig unpersönlich und distanziert. Aber um sich an das Thema Outing heranzutasten und sich seriös zu infomieren, ist dieser Internetauftritt sehr hilfreich, da die Informationen wissenschaftlich fundiert aufbereitet sind. Hilfreich nicht nur für die Jugendlichen selbst, sondern auch für deren Familienangehörige.
Der Verein Coming Out Day hat es sich zur Aufgabe gemacht, über die Lebenssituation von lesbischen und schwulen Jugendlichen in Deutschland aufzuklären und diese zu verbessern. Prominente Botschafter wie zum Beispiel Georg Uecker, der als Dr. Carsten Flöter in der Fernsehserie Lindenstraße mit dem ersten öffentlichen Kuss zwischen zwei Männern im deutschen Vorabendfernsehen für Furore sorgte – und auch als Privatmensch offen homosexuell lebt – unterstützt aktiv die Arbeit des Vereins. Finanziert wird Coming Out Day e.V. von Aktion Mensch und durch Spenden. Mit diesen Mitteln unterstützt der Verein Jugendgruppen, Beratungsprojekte, Jugendzentren und Notschlafstellen in ganz Deutschland.
Lieber spät als nie
Gerade weil es in unserer Gesellschaft immer noch schwer ist, sich als homosexuell zu outen, schaffen es viele Menschen erst im fortgeschrittenen Erwachsenenleben, Farbe zu bekennen. Nicht gerade selten haben sie dann bereits geheiratet, Familien gegründet und führen ein Leben angepasst an die gesellschaftliche Norm. Ein spätes Coming-out ist meistens auch für die Familien des sich Outenden eine Herausforderung. Die Seite schwule-vaeter.org richtet sich gezielt an Männer, die in einer heterosexuellen Beziehung mit Kindern leben, sich aber gerne zu ihrer Homosexualität bekennen wollen. Schwule Väter Deutschland bietet eine Auflistung aller Selbsthilfegruppen, die sich mit diesem Thema befassen. Wer sich traut, den ersten Schritt zu tun, findet hier Hilfe in Form von Beratung via Telefon und Mail, aber auch in persönlichen Gesprächen und Gruppentreffen.
Spätes Coming-out – Was sagt die Familie?
Wenn ein geliebter Mensch sich spät im Leben outet, hat das auch immer Konsequenzen für die Familienangehörigen. In den beiden Blogs Liebe im Schatten des Regenbogens und Papa ist schwul berichten zwei betroffene Personen mit Gefühl und Humor davon, wie sie das Coming-out ihres Ehemanns oder Vaters erlebt haben. Manchmal lernt man von einem persönlichen Erlebnisbericht mehr als von allen Fakten der Welt.
Was geht ab in der schwulen Community?
Aber es geht ja nicht immer nur um das Coming-out, sondern auch darum, was in der präferierten Szene gerade angesagt ist. Hier findest Du Antworten darauf:
Bei der Seite blu.fm handelt es sich um einen gemeinsamen Webauftritt deutschlandweiter und regionaler Zeitschriftenredaktionen mit homosexueller Zielgruppe. Besonders im Bereich Veranstaltungen- und Partytermine ist sie immer aktuell.
Der Internetauftritt von gaystation.info ist zwar nicht übermäßig professionell, gilt aber nichtsdestotrotz als wichtiges und umfassendes Lexikon für Homosexuelle in Deutschland. Hier gibt es hilfreiche Artikel von freien Redakteuren zum Beispiel zu Bücher- und DVD-Tipps, Auflistungen von Szene-Institutionen, Beratungsstellen und Information zur rechtlichen Lage Homosexueller weltweit. Frei nach dem Motto „Zusammen ist man weniger allein“ findest Du hier auch eine umfassende und sehr ausführliche Namenssammlung homosexueller Prominenter.
Die größte schwul/lesbische Internetredaktion Deutschlands vereint sich auf queer.de. Die Homepage ist etwas unübersichtlich gestaltet, verfügt aber über ein vielfältiges Angebot an Themen – von Politik bis Lifestyle. Die Seite hat eine eigene Community mit Chat-Möglichkeit. Wahrscheinlich eher für Menschen geeignet, die in ihrer Sexualität schon sicher und selbstbewusst angekommen sind.
Gossip – Das Lebenselexier
Natürlich darf auch Klatsch und Tratsch nicht zu kurz kommen, und wenn man den Klischees glauben darf, ist das für die homosexuelle Szene wie der Zaubertrank für Obelix: einfach unwiderstehlich.
Das Party und Livestyle Magazin gaypeople.de beinhaltet eine Menge Tratsch und viele interessante Infos rund um Fashion und Beauty. Vergleichbar mit Magazinen wie People und InTouch. Eine witzige Seite, die man wahrscheinlich am besten beim Kaffee oder einem Glass Prosecco genießt.
Bei dbna.de handelt es sich um ein Presseunternehmen mit schwuler Zielgruppe und starken redaktionellen Inhalten. Für registrierte User gibt es eine Kontaktbörse, bei der die Chatinhalte einer Regulierung und Kontrolle unterliegen, um den Umgang mit dem Thema Sex verantwortungsvoll zu gestalten. Die Inhalte sind speziell auf ein junges Publikum ausgelegt und werden über Werbung finanziert.
Einmal um die Welt bitte
Das Durchforsten von spartacusworld.com hat mir besonderen Spaß gemacht und deswegen ist die dazugehörige App – obwohl ich nicht zur Zielgruppe gehöre – auch auf meinem Handy gelandet. Ein – um nicht zu sagen – DER Reiseführer für schwule Männer, der von Hoteltipps über Restaurants bis hin zu Partyevents über alles informiert, was man auf Reisen wissen sollte. Ab jetzt ist die App ein fester Bestandteil meiner Urlaubsrecherche. Weitere Reiseangebote für die schwul-lesbische Community findest Du hier.
All diese Seiten sind nur eine sehr kleine Auswahl an dem, was man draußen im Netz findet. Wenn man also feststellt, dass man „anders“ als die anderen ist, reichen heute ein paar Klicks, um zu lernen, dass das nicht das Ende der Welt bedeutet, sondern vielmehr den Anfang eines neuen aufregenden Lebens.