Digital Life
Künstliche Intelligenz verwandelt Hirnströme in gesprochene Sprache
Stell Dir vor, Du würdest Deine Fähigkeit zu sprechen verlieren. Um Dich mit anderen zu unterhalten, bliebe Dir nur der Umweg über Schrift, Gebärdensprache oder einen Computer mit Sprechfunktion. Eine weitere mögliche Lösung dafür rückt jedoch langsam in greifbare Nähe: Forscher-Teams weltweit entwickeln KI-gestützte Systeme, die Hirnströme in Sprache umwandeln.
Gedanken lesen klappt nur in Fantasy- und Science-Fiction-Geschichten? Noch vielleicht, aber die Forschung rückt immer näher an solche Szenarien heran: Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI). Wir stellen Dir vor, welche wissenschaftlichen Ansätze es bereits gibt, um Gedanken in Sprache und Wörter zu dekodieren.
KI verwandelt Hirnströme in Text
Der erste Ansatz stammt von Forschern der University of California in San Francisco. Mehreren Medienberichten wie Spektrum.de zufolge gelang es den Wissenschaftlern, eine KI zu entwickeln, die in der Lage ist, Signale des Gehirns in Text zu übersetzen. Dazu arbeiteten sie mit vier Epilepsiepatienten zusammen, die im University of California San Francisco (UCSF) Medical Center unter Behandlung stehen.
Rund 250 Elektroroden wurden in der Hirnrinde der Patienten implantiert. Die Patienten sagten schließlich 30 bis 50 Sätze laut auf. Im ersten Schritt analysierte die KI die dabei aufgezeichneten Hirnströme auf Konsonanten und Vokale hin. Im Anschluss konstruierte sie hieraus englische Sätze – und wies bei der Übersetzung eine Fehlerquote von rund drei Prozent auf. Die KI sollen Menschen, die sich nicht mehr artikulieren können, wie etwa Patienten mit Locked-in-Syndrom oder amyotropher Lateralsklerose (ALS), in Zukunft helfen. Die Studie ist hier zu finden.
Schon zuvor verfolgte ein Wissenschaftler-Team der University of California einen ähnlichen Ansatz. Dabei wurden ebenfalls die Implantate von Epilepsiepatienten genutzt, so berichtet Sciencemag. Die Hirnströme wurden aus dem Sprach- und dem Bewegungszentrum aufgenommen. Anscheinend haben die Forscher damit unwissentlich das Beste zweiter Welten vereint, denn die Ergebnisse können sich sehen lassen: Während des Versuchs haben die Testpersonen mehrere Sätze vorgelesen, welche die KI vollständig rekonstruieren konnte. Das funktionierte sogar mit Sätzen, welche die Probanden nur stumm formuliert haben.
Aus elektrischen Impulsen werden Wörter
Der dritte Ansatz stammt von der Columbia University in New York. Die Forscher um Nima Mesgarani nutzten bei ihrem Versucht ein Implantat, das Menschen mit Epilepsie ins Gehirn eingesetzt wurde. Damit zeichneten die Wissenschaftler elektrische Impulse aus dem Hörzentrum auf, während sie den Probanden Zahlen und Geschichten vorlasen. Eine künstliche Intelligenz interpretierte diese Daten und verwandelte sie zurück in gesprochene Sprache. Allerdings konnten auf diese Weise nur einzelne Wörter rekonstruiert werden. Feinheiten wie Betonung gingen dabei verloren.
Eine andere Methode erproben Wissenschaftler der Universitäten Bremen und Maastricht. Ihre Versuchspersonen waren allesamt Patienten, die wegen eines Gehirntumors operiert wurden. Miguel Angrick (Bremen) und Christian Herff (Maastricht) setzten den Probanden für die Dauer der Operation ein Netz aus Elektroden ins Gehirn. Während des Versuchs lasen die Testpersonen mehrere Wörter laut vor. Dabei zeichneten die Forscher die Impulse aus den Zentren für Sprachplanung und Motorik auf. Motorik deswegen, weil dieser Teil des Gehirns den Vokaltrakt steuert, der die Wörter erst formt. Die aufgezeichneten Signale wurden im Anschluss von einer KI analysiert. Das Ergebnis: Einsilbige Wörter konnten auf diese Weise erkannt und in Sprache umgewandelt werden.
So wird künstliche Intelligenz noch eingesetzt
Auch abseits vom medizinischen Einsatz sind die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz enorm. Auch in Zeiten der aktuellen Pandemie. Unter den Technologien gegen Corona sind zum Beispiel KI, die Infektionen erkennen und vorhersagen können. Das Potential digitaler Technologien ist riesig: Welche Chancen und Herausforderungen sie zum Beispiel für die Demokratie bieten, erfährst Du im vergangenen Live-Talk der Diskussionsreihe „AI&I“.
Welche Möglichkeiten siehst Du für den Einsatz künstlicher Intelligenz? Wir freuen uns auf Deine Kommentare.