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Jessica Jones-Kritik: Auch Staffel 3 fehlt ein Kilgrave
Die Marvel-Serie Jessica Jones kehrt mit der dritten und letzten Staffel endlich zu Netflix zurück und konfrontiert ihre stets schlechtgelaunte Superheldin mit einem so gefährlichen wie sadistischen Serienkiller. Doch wie schneiden die neuen Folgen ab, nachdem schon die vorherige Staffel 2 im Vergleich zum großartigen Serienauftakt eher schwach ausfiel? Erfahrt in unserer Kritik, wie gut die 3. Staffel Jessica Jones wirklich ist.
Netflix macht mit seinen Marvel-Serien kurzen Prozess: Erst erwischte es Luke Cage und Iron Fist, danach musste auch The Punisher nach einer tollen, knallharten 2. Staffel das Handtuch werfen. Nun geht Jessica Jones ein letztes Mal an den Start und lässt Krysten Ritters dauertrinkende Privatdetektivin in der finalen 3. Staffel ein letztes Mal durch die dunklen Straßen von New York City stapfen.
Jessica ging es zuletzt nicht unbedingt prächtig, doch wer will es ihr verübeln? Schließlich fand sie heraus, dass ihre totgeglaubte Mutter sehr lebendig ist und als psychisch labile, übermenschlich starke Mörderin ihr Unwesen treibt. Dass diese dann auch noch kurz darauf von ihrer besten Freundin und Quasi-Schwester Trish Walker (Rachael Taylor) getötet wurde, macht die familiäre Situation nicht gerade besser.
Als Ausgangspunkt für die neuen Folgen fehlt es also nicht an Konfliktpotenzial, doch leider krankt auch die 3. Staffel an denselben Problemen, die schon Staffel 2 zu einer eher zähen Angelegenheit gemacht haben.
Die Handlung der 3. Staffel Jessica Jones
Jessica Jones hat nach den Ereignissen der 2. Staffel beschlossen, ihre Fähigkeiten aktiver für das Wohl der Menschen einzusetzen. Öffentlichkeitswirksam tritt sie dabei mal wieder in ein Fettnäpfchen nach dem anderen, aber das war ihr ohnehin schon immer egal.
Viel schwerer wiegt da ihr gespanntes Verhältnis zu Trish, die nicht nur keine Reue für ihre Tat empfindet, sondern durch die riskante Operation nun auch selbst über Superkräfte verfügt. Beides führt dazu, dass der ehemalige Kinderstar zu der Überzeugung gelangt, nun selbst auf der Straße für Gerechtigkeit sorgen zu müssen.
Doch die Differenzen zwischen den beiden müssen zurücktreten, als sie auf den diabolischen Serienkiller Gregory Salinger (Jeremy Bobb) stoßen. Nur gemeinsam haben sie eine Chance, dem hochintelligenten Monster das Handwerk zu legen.
Schleppender Start in Staffel 3
Leider gerät schon der Start der 3. Staffel äußerst behäbig. Mit „Start” sind hier die ersten fünf bis sechs Folgen gemeint, die einfach nicht so recht in die Gänge kommen wollen, mit bedeutungslosen Nebenhandlungen langweilen und selbst nervenzerreißende Paukenschläge wirkungslos ausklingen lassen.
Dabei gibt es durchaus Potenzial. Schon die erste Folge trumpft mit einem packenden Schockmoment auf, der dem einen oder anderen Zuschauer erst einmal den Atem stocken lassen sollte. Doch was folgt, lässt sich wohl nur mit einer Vollbremsung vergleichen.
Denn anstatt den Effekt auszunutzen und die Geschwindigkeit der Handlung zu erhöhen, lassen uns die Macher in einem Rückblick eine volle Episode lang Trish folgen. Das ist nicht nur äußerst spannungsarm und durch verschiedene Parallelen schon nach einer Folge repetitiv, sondern offenbart auch ein weiteres Problem: nämlich Trish.
Immer wieder Trish
Trish Walker war schon in der vorherigen Staffel Jessica Jones nicht gerade eine Sympathieträgerin und daran hat sich auch in der Fortsetzung wenig geändert. Sie ist egoistisch, unreflektiert und in einem Maße von sich selbst überzeugt, dass es einem wirklich ungemein schwerfällt, sich weiterhin mit ihr zu identifizieren.
Das mag grundsätzlich kein Problem sein, schließlich können zwiespältige Figuren durchaus zur Spannung in einer Serie beitragen. Doch die Macher geben sich – wie der Grundton in der Rückblickfolge beweist – allergrößte Mühe, dass wir Trish wieder mögen und mit ihr mitfiebern, ohne dass ihnen dieser Spagat auch nur ansatzweise gelingt.
Wie auch, wenn Trish ständig mit einem verbissenen Psychoblick durch die Gegend läuft und jeder Satz aus ihrem Mund nur ihr enormes Geltungsbedürfnis ausdrückt? Da kann Darstellerin Rachael Taylor noch so viel schauspielern, wenn ihr das Drehbuch keine weiteren Facetten mehr zugesteht.
So beschleicht einen im Verlauf der Staffel immer mehr das Gefühl, dass hier ein riesiger Fokus auf eine Figur gelegt wird, die uns schlichtweg nichts bedeutet. Insbesondere wenn man bedenkt, dass Jessica Jones selbst oder auch Anwältin Jeri Hogarth (Carrie-Anne Moss) (als Beispiel gelungener Ambivalenz) in ihrer Vielschichtigkeit wesentlich interessanter sind.
Foolkiller: Wer ist Bösewicht Salinger?
Gregory Salinger ist von dem gleichnamigen Marvel-Bösewicht inspiriert, der in den Comics unter dem Namen Foolkiller auftritt. Dort ist er ein psychopathischer Schurke, der die Mittelmäßigen, Materialistischen und „Unpoetischen” bestraft.
Genau wie sein Comicvorbild hat auch der Serien-Salinger keine Superkräfte, dafür aber eine wesentlich sadistischere und berechnendere Ader. Sein Hassobjekt sind die Schönen und körperlich von der Natur Privilegierten, zu denen er auch Menschen mit Superkräften zählt.
Serienkiller Salinger ist kein Kilgrave-Ersatz für Staffel 3
The Knick-Star Jeremy Bobb macht seine Sache als Bösewicht zwar durchaus gut, kann sich aber nicht mit der enigmatisch-bedrohlichen Aura von David Tennant als Kilgrave aus der 1. Jessica Jones-Staffel messen.
Das mag auch damit zusammenhängen, dass Salinger trotz seiner bestialischen Verbrechen und seinem hohen Intellekt schlichtweg ein viel zu gewöhnlicher, man will sogar sagen banaler Schurke ist, den man in dieser Weise in jedem x-beliebigen Fall-des-Tages-Krimi erwarten könnte. In letzter Konsequenz bleibt er einfach zu blass, als dass man ihn wirklich ernst nehmen könnte.
Kein Gefallen tut sich die 3. Staffel Jessica Jones dann auch dadurch, dass sie ihren Bösewicht erst nach einigen Folgen in Erscheinung treten lässt. Und damit ist nicht nur seine körperliche Präsenz gemeint. Vielmehr hat man zu Beginn das Gefühl, dass die Handlung ohne einen richtigen roten Faden vor sich hin plätschert. Da hätte ein markanter Gegenspieler schon viel früher für mehr Fokus sorgen können.
Die packende 3. Staffel Daredevil hatte einige spannende Bösewichte, die auch in Zukunft interessant gewesen wären.
Später Spannungskick zeigt Jessica Jones, wie es sein soll
So langsam die 3. Staffel Jessica Jones ihre Stimme findet, zwischen der 7. und 8. Folge ist es endlich soweit: Die Spannungsschraube wird merklich zugezogen. Wenn Jessica wieder einmal allein gegen ihre Dämonen, Presse, Öffentlichkeit und einen unantastbar scheinenden Gegner antritt, zeigt sich die Serie von ihrer besten Seite.
Gerade weil man nie so genau weiß, wer hier wem einen Schritt voraus ist, entwickelt sich ein nervenaufreibendes Katz-und-Maus-Spiel, das mit einigen überraschenden Wendungen aufwartet. Und Krysten Ritter ist als Jessica Jones wieder so herrlich kratzbürstig, miesgelaunt und verschroben, dass es einfach eine Freude ist, ihr zu folgen.
Getrübt wird das Ganze dann nur noch von der einen oder anderen Logiklücke. Sinnvoll zu erklären ist es zum Beispiel nicht, warum sich Jessica und Trish lauthals unterhalten, wenn sie ein sich selbst löschendes Video als Beweismittel abfilmen. Wollen sie sich die Überführung Salingers absichtlich schwer machen?
Fazit:
Die 3. Staffel Jessica Jones hat leider wieder mit einigen Schwächen zu kämpfen, die ausgerechnet den Start in die neuen Folgen etwas holprig gestalten. Der langsame Erzählrhythmus, der übertriebene Fokus auf die nicht sonderlich interessante Figur Trish sowie der lange Zeit gesichts- und namenlose Bösewicht könnten einige Zuschauer abschrecken. Da wurde einfach nicht aus den Fehlern der 2. Staffel gelernt.
Schade ist es auch, dass die Macher für ihr Serienfinale keinen ähnlich einprägsamen Gegenspieler wie Kilgrave gefunden haben. Zwar wirft gerade die Gewöhnlichkeit des Schurken eine spannende Frage auf, nämlich: „Sollten Superhelden überhaupt Verbrecher verfolgen, die keine besonderen Kräfte haben und so problemlos von der Polizei selbst geschnappt werden könnten?”. Doch letztendlich kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass da schon etwas Aufregenderes hätte möglich sein können.
Trotzdem hat auch der letzte Auftritt von Krysten Ritter als Jessica Jones durchaus seine Höhepunkte, was vor allem an der wesentlich stärkeren, zweiten Hälfte der Staffel liegt. Am Ende bleiben gemischte Gefühle: Man wird die Figur Jessica Jones vermissen, die letzten beiden Staffel aber wohl eher nicht.
Lust auf mehr spannende Serien? Dann schau in unsere Übersicht der besten Serien 2019 bei Netflix.
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