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Was dürfen Influencer? Oder: Darf man Baby-Delfine essen?
Trendsetter unserer Zeit oder bezahlte Litfaßsäulen: Die Geister scheiden sich an Influencern. Aber hier geht es nicht um Kritik an den Influencern selbst, sondern um die Aktionen, mit denen sie versuchen, von sich reden zu machen. Zwischen relativ normalen Beiträgen werden oftmals Dinge veröffentlicht, die danach in aller Munde sind. Aber nicht immer muss dieses Feedback positiv sein: So kann es passieren, dass der Beitrag durch seinen Inhalt weit über das Ziel hinausschießt und einen ordentlichen Shitstorm erzeugt. Aber es gibt negative Shitstorms, aus denen auch ein positiver Candystorm werden kann.
Deswegen folgen nun einige Stürme der Entrüstung der letzten Zeit inklusive der Hintergründe dazu. Und wir versuchen herauszufinden, wie weit man als Influencer für Klicks wirklich gehen darf.
Exotisches Instagram Influencer Dinner – mit Shitstorm als Dessert
Also stürzen wir uns direkt ins Thema und gehen genauer auf den titelgebenden Shitstorm ein. Der Influencer Inscope veröffentlichte Ende September eine Instagram Story, in der ein Baby-Delfin zubereitet und verspeist wurde. Der emotionale Aufruhr, der danach in der Kommentarspalte ausbrach, führte dazu, dass die geplante Aktion bereits am nächsten Tag in einem YouTube Video aufgelöst wurde. Der vermeintliche Baby-Delfin war nur eine Attrappe und die ganze Aktion initiierte die Firma Followfood, welche sich für nachhaltige Produkte und gegen Delfinbeifang einsetzt. In seinem Video erklärt Inscope, dass er mit der Aktion auf Überfischung und Beifang aufmerksam machen wollte.
Danach beruhigte sich die Kommentarspalte und mehr und mehr Leute drückten ihr Verständnis und ihre Unterstützung für die Aktion aus. Shitstorm abgewandt und Ende gut, alles gut? Nicht ganz, kritische Stimmen hinterfragten dann, wie ernst eine solche Aktion von jemanden, zu nehmen sei, der selbst keinen Hehl aus seinem Fleischverzehr macht. Dennoch war die Aktion ein voller Erfolg: Inscope hat nach der Aufklärung 100.000 Abonnenten mehr als zuvor und Followfish berichtet von 11.000 zusätzlichen Besuchen auf ihrer Webseite durch diesen Beitrag.
404: Gesunder Menschenverstand nicht gefunden
Shitstorms können also von Influencern gezielt dafür benutzt werden, die eigene Reichweite zu steigern oder den Hass durch geschicktes Marketing in einen Candystorm zu verwandeln. Aber nicht nur bei geplanten Aktionen dieses Empörungsmarketings stellt man die moralische Vertretbarkeit infrage. Auch viele der eher harmlosen gesponserten Postings können schnell nach hinten losgehen, wie man anhand vieler Beispiele der beliebten Facebook-Seite Perlen des Influencermarketings sehen kann. Dort werden Postings gesammelt, die zwar keinen Shitstorm verursacht haben, dafür aber als lächerlich betrachtet werden. Zum Beispiel wenn ein Influencer das zu bewerbende Produkt an einem offensichtlich falschen Ort platziert, in der eindeutig falschen Situation benutzt oder einfach der Stecker am Boden liegt, wird der Beitrag dort auftauchen.
Fixt die Influencerin Bianca Heinicke Teenager an, ihr Taschengeld zu verzocken?
Aber auch außerhalb ihres gewählten Mediums kann es passieren, dass es durch eine Werbekooperation im Nachhinein Probleme gibt. Zuletzt geschah dies bei Bianca Heinicke, bekannt durch ihren YouTube Account „BibisBeautyPalace”. So machte Bibi, zusammen mit anderen Promis, Werbung für die beliebte App „Coinmaster”. Diese nahm sich Jan Böhmermann am Anfang Oktober vor, als er über die dubiosen Marketingaktionen der Spielefirma „Moon Active“ berichtete. Er kritisierte dabei die Entwickler der App und wie diese mittels Werbung versuchen, auf den Smartphones von Minderjährigen zu landen. Die App selbst ähnelt einem Spielautomaten, der Comic-Look und die Werbung mit Influencern wirkt aber abgestimmt auf eine junge Zielgruppe.
Damit man ohne lange Wartezeiten Erfolge erzielen kann, muss man echtes Geld investieren. Böhmermann argumentierte, dass Kinder so näher zum Glücksspiel und damit auch zur Glücksspielsucht gebracht würden. Inzwischen hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ein Verfahren gegen die Spiele-App eingeleitet.
Über Geschmack lässt sich streiten – oder?
Wie ihr seht, kann man zwar aus einer Kooperation mit einer Firma Kapital schlagen oder seine eigene Fangemeinde vergrößern, aber es kommt auch vor, dass diese Zusammenarbeit nach hinten losgeht. Auch bei Beiträgen, die eher unüberlegt oder naiv wirken, kann es sein, dass die eigenen Fans ihren Unmut in den Kommentaren zum Ausdruck bringen. So postete die Influencerin Marissa Casey Grossman ein Bild aus dem Urlaub am Meer und erinnerte im Beitragstext an ihre verstorbenen Freunde – zusätzlich verlinkte sie gleichzeitig noch den Hersteller ihres Bikinis. Der Shitstorm war vorprogrammiert.
Auch ohne große Follower-Zahl sollte man überlegen, was man postet
Und wenn ihr jetzt denkt, euch könne das nicht passieren, weil eure Reichweite nicht groß genug ist und eure Taktlosigkeit niemals so weite Kreise ziehen könnte: Erinnert sich noch jemand an die Aktion #yolocaust von Shahak Shapira? Auf der Webseite präsentierte er Bilder von jungen Erwachsenen die, teilweise unbewusst, geschmacklose Bilder von sich an Orten aufnahmen, die in Verbindung mit dem Holocaust stehen. Der Clou: Er erstellte dazu noch Fotomanipulationen, in denen er die Personen in Originalaufnahmen der Zeitgeschehnisse einbaute. Also merke: Egal wie groß die Zahl eurer Fans sein sollte, den eigenen Inhalt zu hinterfragen, kann nie schaden.