Digital Life
Von wegen Gegensätze: Diese Technik ist featured by Nature
Was haben Fruchtfliegen mit Überwachungskameras, Delfine mit Modems und Schmetterlinge mit Displays gemeinsam? Sie sind Original und Kopie. Bevor Du jetzt mit Flipper faxen oder bei einem Schmetterling den Knopf zum Umschalten suchen möchtest, schau lieber erst mal hier, welche raffinierten Innovationen sonst noch ihren Ursprung im Reich der Natur haben.
Bionik – das wissenschaftliche Abgucken aus der Natur
Das Fachgebiet zum Abkupfern aus der Natur heißt Bionik. Fleißige Wissenschaftler untersuchen, wie Tieren und Pflanzen die wundersamsten Dinge gelingen – und wie man diese Technik für Mensch und Umwelt sinnvoll nutzen kann. Der Klettverschluss ist ein Paradebeispiel dafür. Ok, wir haben auch noch nie von einer Pflanze gehört, die eine Schleife kann. Den Lotuseffekt kennst Du bestimmt auch schon längst: Ein Lotusblatt hat eine so fein strukturierte Oberfläche, dass kein Wasser oder Schmutz daran haften bleiben kann. Mittlerweile ist es gelungen, diese Oberfläche zu imitieren. Das Ergebnis: Bestimmte Textilien, Gläser und Fliesen werden zum Beispiel nach diesem Prinzip hergestellt – und ihre Besitzer freuen sich über viel weniger Reinigungsaufwand. Beide Innovationen liegen schon eine Zeitlang zurück. Deshalb haben wir heute ein paar aktuelle Entwicklungen aus dem Bereich der Bionik für Dich auf Lager.
Die Fruchtfliege und die Überwachungskamera
Fruchtfliegen, die Groupies des dreckigen Geschirrs. Gerade jetzt im Sommer haben Fruchtfliegen Hochsaison. Schon kurz nachdem Du Deinen Smoothie ausgetrunken hast, tummeln sie sich am leeren Glas und schlagen sich die Bäuche voll. Fliegenklatsche? Fehlanzeige. Obwohl sie gerade ihr persönliches Schlaraffenland entdeckt haben, reagieren sie blitzschnell, wenn Du ihnen an den Kragen willst. Das liegt an ihrer Wahrnehmung. Fruchtfliegen sehen zwar nicht besonders scharfe Bilder, dafür registrieren sie Bewegungen viel schneller und können Geschwindigkeiten perfekt einschätzen. Ein Forscherteam aus der Schweiz hat jetzt eine Art künstliches Facettenauge entwickelt, das die Qualität der Fruchtfliegenaugen sogar noch toppt. Bis zu 300 Bilder in der Sekunde soll es erfassen können und das auch bei schlechten Lichtverhältnissen. Als Einsatzgebiet geben die Forscher zunächst kleine Drohnen an, die sich damit orientieren könnten. Elektro-Fruchtfliege? Igitt. In Zukunft könnte das künstliche Facettenauge auch mit anderen Sensoren zusammenarbeiten und dann eine Art 360-Grad-Bewegungsmelder ergeben. Von der Geschwindigkeitskontrolle bis hin zur zuverlässigen Überwachung einer Lagerhalle ist vieles denkbar. Bloß bitte keine elektrischen Fruchtfliegen, die sich womöglich an unseren Smartphone-Akkus zu schaffen machen.
Der Schmetterling und Dein Smartphone-Display
Die Sonne strahlt aus voller Kraft. Kalte Getränke, Sonnenbad – Entspannung pur. Und dann piepst das Smartphone. Irgendjemand hat geschrieben. Wenn Du jetzt nicht schnell in den Schatten kommst, wirst Du wahrscheinlich mit Deinen Händen etwas Schatten auf das Display bringen und dann Deine Augen zukneifen, um auch nur einen Hauch der Nachricht lesen zu können. Wenn Du Pech hast, siehst Du Deine Grimasse bloß selbst und ärgerst Dich über die Reflexion Deines Displays. Den Laptop mit ins Café zu nehmen, scheidet aus dem gleichen Grund aus. Doch das könnte sich bald schon ändern, dem Schmetterling sei Dank. Das Insekt mit dem passenden Namen „Glasflügler“ hat nämlich durchsichtige Flügel. Und der Clou dabei: Sie reflektieren kaum. Der Schmetterling würde wahrscheinlich über verpasste Instant-Messaging-Nachrichten und spiegelnde Displays nur müde lächeln, denn in seinem Fall geht es um das pure Überleben. Würden seine Flügel Licht reflektieren, dann wäre er für seine Fressfeinde auffälliger als eine Neonreklame bei Dunkelheit. Am Karlsruher Institut für Technologie haben sich Forscher nun dem Aufbau des Flügels angenommen. Ziel ist es, die Struktur zu imitieren, um einen riesigen Schritt für nichtspiegelnde Oberflächen zu unternehmen. Dazu zählen natürlich Displays von mobilen Geräten – yes – aber zum Beispiel auch Brillengläser – nochmal yes.
Der Delfin und das Modem
An Land ist schnelles Internet heutzutage keine Seltenheit mehr. Unter Wasser kommt die Kommunikation aber noch nicht so recht voran. Das Problem: Unter der Wasseroberfläche überlagern die Echos eines Signals das eigentliche Ursprungssignal. Beim Empfänger kommt nur Kauderwelsch an. Und trotzdem schaffen es Delfine, unter Wasser über Laute miteinander zu kommunizieren. Und das sogar, wenn ihre Laute durch zahllose Echos überlagert werden. Wie machen sie das? Immerhin kann der Gesprächspartner ja alles verstehen und auch noch antworten – und zwar nicht bloß mit Lächeln und Nicken. Flipper und Co. müssen also ein System haben, das die unverständlichen Geräusche wieder richtig zusammensetzt, oder? So ähnlich. Der Unterschied wird schon deutlich, wenn man Delfinen kurz zuhört. Sie geben keine konstanten Töne von sich, wie wir Menschen das beim Reden tun. Stattdessen pfeifen, zwitschern und tirilieren sie. Durch diese permanente Abwechslung wird verhindert, dass sich Signal und Echo stören. Die Berliner Bionik-Firma EvoLogics hat sich von diesem Prinzip inspirieren lassen und ein Unterwassermodem entwickelt. Das ist zwar auch noch ziemlich weit weg von echtem Highspeed-Internet, aber viel kleiner und effektiver als die bisher bei U-Booten verwendeten Antennen. Diese sind nämlich gerne ein paar hundert Meter lang und können einfache Nachrichten nur empfangen, aber nicht senden. Bis wir in den Tiefen des Ozeans HD-Videochats machen können, wird wohl noch ein wenig Zeit verstreichen.
Die Natur hat einiges auf Lager, das wir mit heutiger Technik nachbauen und nutzen können – den Bionik-Forschern sei Dank. Zum Schluss bleibt nur eine Frage: Wann sind endlich die nicht reflektierenden Displays fertig?