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Studium mit Zukunft
Zukunft ist nicht greifbar, weil sie noch nicht existiert. Trotzdem ist Zukunftsforschung eine sehr praxisbezogene Wissenschaft. Das zeigt auch das Interview mit Bernd Stegmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Masterstudiengangs Zukunftsforschung am Institut Futur der FU Berlin, mit dem das Vodafone Institut kooperiert.
Der Magisterstudiengang Zukunftsforschung ist in Deutschland relativ neu. Wundert es Sie, dass es ihn bislang nur in Berlin gibt?
Bernd Stegmann: Als integrierten Studiengang, der versucht, mehrere Disziplinen zu vereinen – so gibt es das tatsächlich nur hier. Einzelne Module, in denen Zukunftsforschung behandelt wird, werden aber auch anderswo angeboten.
Die Disziplin Zukunftsforschung ist ja schon einige Jahrzehnte alt. Warum gab es das Studienfach in Deutschland nicht viel früher?
Bernd Stegmann: International gesehen ist die Zukunftsforschung seit den sechziger und siebziger Jahren in den USA, Südafrika und anderen Ländern etabliert. Im deutschsprachigen Raum war es schwierig, die Interdisziplinarität in den Forschungseinrichtungen anzuerkennen. Vereinzelte Versuche gab es seit den sechziger Jahren, auch an der FU Berlin. Aber jetzt war die Zeit einfach reif.
Wie viele Studenten bewerben sich pro Semester?
Bernd Stegmann: In der Regel achtzig bis hundert. Ich glaube, das Studienfach wird zunehmend interessanter. Eine Hürde ist, dass ein abgeschlossenes Studium und darüber hinaus Berufspraxis vorausgesetzt werden. Zudem ist es ein Vollzeitstudiengang, was sich mit Berufstätigkeit schwer vereinbaren lässt.
Aus welchen Bereichen kommen die Bewerber zu Ihnen?
Bernd Stegmann: Die meisten kommen aus den Bereichen Psychologie, Politikwissenschaft, Wirtschaftspsychologie und BWL. Insgesamt ist das Spektrum der Bewerber aber sehr breit. Im aktuellen Jahrgang haben wir auch zwei Ingenieure und eine Sprachwissenschaftlerin.
Sprachwissenschaft – das hat doch gar nichts mit Zukunftsforschung zu tun, oder?
Bernd Stegmann: Doch. Die Studentin wendet in ihrer Abschlussarbeit die Methodik des Text-Minings an, das hat viel mit Sprache zu tun. Letztendlich gibt es zukunftsorientierte Fragestellungen in jeder Wissenschaft und in jedem Einsatzfeld.
Welchen Titel tragen die Studenten nach ihrem Abschluss?
Bernd Stegmann: Die Studenten haben den Abschluss Master of Arts Zukunftsforschung. Sie sind geprüfte Zukunftsforscher und gehen damit auf den Arbeitsmarkt.
Wie sind ihre Berufsaussichten?
Bernd Stegmann: Von den ersten drei Jahrgängen, die abgeschlossen haben, sind ungefähr 80 Prozent tatsächlich in zukunftsforschungsaffinen Bereichen untergekommen – in Strategieabteilungen von Unternehmen, in Einrichtungen, in denen es um Zukunftsforschung oder Trends geht, an Universitäten und Stiftungen.
Können Zukunftsforscher dabei helfen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen?
Bernd Stegmann: Können ja. Zukunftsforscher beschäftigen sich mit möglichen, wahrscheinlichen und wünschenswerten Zukünften. Eine der großen Fragen ist: Kann es einen hohen Lebensstandard ohne wachsende Wirtschaft geben? Wie kann eine Gesellschaft im Zeitalter des Postwachstums aussehen?
Und was wünschen Sie sich von der Zukunft?
Bernd Stegmann: Zukunftsforschung an der FU auszubauen und weiter zu etablieren. Da der Leitspruch der FU Berlin „Zukunft von Anfang an“ lautet, glauben wir, dass es klappen wird.
Vita Bernd Stegmann
Bernd Stegmann studierte Politische Wissenschaften, Volkswirtschaft und Italienische Philologie an der LMU München und Europarecht an der Università degli Studi in Siena. In seiner Abschlussarbeit befasste er sich mit der Systemtransformation in Kroatien und den damit verbundenen Zukunftsperspektiven.
Im Anschluss an das Studium hat Stegmann sich mit Fragen nach der Zukunft der europäischen Integration und Globalisierungsfragen beschäftigt, vor allem in der politischen Bildung.
Am Institut Futur ist der 42-Jährige seit der Gründung 2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter und als wissenschaftlicher Koordinator des Masterstudiengangs Zukunftsforschung vor allem für die interne und externe Kommunikation sowie die Weiterentwicklung des Studiengangs zuständig.
Neben der Mitarbeit in der Redaktion der iF-Schriftenreihe Sozialwissenschaftliche Zukunftsforschung beschäftigt er sich mit neuen Formen zukunftsorientierter Didaktik- und Bildungskonzepte.