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Schauspieler und Vater André Dietz im Interview: „Erstmal die Familie, dann der Beruf“
André Dietz kennst Du vielleicht aus seinen jungen Jahren in der RTL-Serie „Unter uns“ oder seit 2006 aus „Alles was zählt“. Doch André ist hauptberuflich nicht nur Schauspieler, sondern auch Familienvater, Autor und Musiker. Der 43-Jährige hat vier Kinder (sieben, fünf, drei und zwei Jahre), eins davon mit besonderen Bedürfnissen, denn die fünfjährige Mari hat einen seltenen Gendefekt. Jetzt haben André und seine Frau Shari ein Buch über ihr Familienleben geschrieben, das direkt auf der Bestseller-Liste gelandet ist. Wir haben mit André über sein Familienleben und seinen Arbeitsalltag gesprochen. Dabei erzählt er auch, warum er seine Texte so schnell auswendig lernt, wie er klare Grenzen bei der Privatsphäre der Kinder zieht und wieso sein Büro immer mit dabei ist.
Ihr seid ja eine richtige Großfamilie mit vier Kindern und einem Hund. Da habt Ihr bestimmt ein großes Haus.
Wir haben ein großes Haus mit einem großen Garten. Ich arbeite viel von zuhause aus, was hier ja thematisch ganz gut passt. Gerade ist es so, dass ich relativ wenig drehe, dafür aber viel Büroarbeit erledigen kann. Denn wir haben noch eine GmbH, mit der ich mich selbst vertrete und über die meine Frau und ich unsere Marketing- und Pressearbeit erledigen. Ich kann mir Familien- und Arbeitszeit sehr gut einteilen, gerade weil ich mein Handy immer in der Tasche habe. Ich bin erreichbar, trotzdem aber fast immer bei meiner Familie. Das ist die moderne Art.
Die Mamis und Papis, die mit Handy auf dem Spielplatz sitzen, werden ja oft heiß diskutiert. Und ich verstehe auch, dass das doof aussieht und die Aufmerksamkeit der Eltern in eine falsche Richtung lenken kann. Aber dadurch, dass ich mein Büro immer bei mir habe, kann ich eben weitaus mehr Zeit mit den Kindern verbringen.
Da hast Du meine nächste Frage schon halbwegs beantwortet. Nach welchem Prinzip priorisierst Du Familie und Arbeit?
Ganz klar: Familiy First. Familienzeit ist wichtig. Um dann liegengebliebene Arbeit zu erledigen, holen wir uns Unterstützung von Familie und Freunden. Auch wenn wir tagsüber immer wieder kurz auf unser Handy gucken oder kurze Gespräche führen, ist unsere Hauptbürozeit abends um acht, wenn die Kinder im Bett sind, oder morgens, wenn die Kinder in der Schule und im Kindergarten sind.
Und wenn Du für eine Rolle den Text dann auswendig lernst und übst, machst Du das dann auch von zuhause oder lenkt Dich die Familie dabei zu sehr ab?
Ich habe einen großen Vorteil: Ich muss keine Texte lernen. Ich lese die „Alles was zählt“-Dialoge und speichere sie direkt ab. Wenn ich für fremde Produktionen arbeite, sind die Vorbereitungen natürlich aufwändiger. Ich lese Drehbücher und Dialoge gründlich, um bestmöglich auf die unbekannte Rolle vorbereitet zu sein. Das kann ich allerdings auch gut von zu Hause aus, wenn die Kinder im Bett sind. Würde ich jetzt einen größeren Kinofilm drehen, würde ich, mir vielleicht ein bisschen Freiraum nehmen und das mal irgendwo anders machen.
Im vergangenen Jahr haben meine Frau und ich ja auch ein Buch geschrieben. Das haben wir morgens gemacht, wenn die Kinder im Kindergarten waren. Oder abends nach acht. Dann haben wir uns eine Flasche Wein aufgemacht und mit dem Schreiben angefangen. So haben wir von Juli bis Dezember ein komplettes Buch geschrieben.
Aber habt Ihr das nur zu zweit gemacht oder hat da noch jemand unterstützt?
Nein, wir haben das zu zweit gemacht. Wir beide haben das Buch ganz alleine geschrieben. Die Frage nach einem Ghostwriter hat insbesondere Shari zu Beginn des Schreibens regelmäßig in den Raum geworfen. Aber dann haben wir Schreibproben abgegeben, die kamen gut an. Der Verlag sagte: ‚Bitte macht genau so weiter.‘
Erzähl mal von dem Buch, worum es geht und warum Ihr Euch dazu entschlossen, eins zu schreiben.
Das Buch heißt Alles Liebe: Familienleben mit einem Gendefekt. Wir erzählen von uns und unserer Familie. Von unseren Kindern und von unserer Tochter Mari, die mit einem seltenen Gendefekt – dem Angelman Syndrom – geboren wurde.
Es beginnt mit dem Tag der Diagnose des Gendefekts. Wir hatten am Anfang keine Ahnung, was das ist. Erst als sie zweieinhalb war, haben wir die Diagnose bekommen und erfahren, dass sie ein Leben lang geistig und körperlich behindert sein wird. Damals hieß es auch, dass sie nicht laufen und sprechen lernen wird. Sprechen stimmt, aber laufen kann sie. Sie hat sich ganz toll entwickelt.
Darüber schreiben wir in dem Buch, wie wir das als Familie geschafft haben. Wie wir zu denen geworden sind, die wir sind, weil uns immer alle Leute fragen: ‚Wie schafft Ihr das eigentlich?‘ Davon erzählen wir, um anderen Familien Mut zu machen. Denn wir sind erstmal in ein tiefes Loch gefallen, haben es aber sehr schnell geschafft, da wieder rauszukommen.
Dass wir uns dazu entschieden haben, mit Maris Angelman-Syndrom an die Öffentlichkeit zu gehen, hat dann auch insofern gefruchtet, dass viele Familien inzwischen dieselbe Diagnose bekommen haben. Denn sie haben unsere Berichte oder auch unser Buch gelesen, sind damit zum Genetiker gegangen und haben dann tatsächlich die Diagnose bekommen. Und das hilft, wenn man einfach eine Gewissheit hat und weiß, womit man es als Familie zu tun hat.
Das heißt, der Gendefekt ist relativ selten?
So in der Theorie, ja. Allerdings glauben wir, dass es noch so viele nicht-diagnostizierte Angelman-Kinder gibt. Es ist wichtig, auf das Syndrom aufmerksam zu machen und damit auch die Forschung voranzutreiben.
Deine Familie ist auch Teil Deines Instagram-Feeds. Welche Grenzen setzt Du bei der Privatsphäre Deiner Kinder?
Ganz klare Grenzen: Wir zeigen unsere Kinder nur von hinten. Ob sie sich in der Öffentlichkeit zeigen und ob sie mit uns in Verbindung gebracht werden wollen, das sollen sie irgendwann selbst entscheiden. Solange wir unsere Kinder nicht zeigen, haben wir rechtlich alle Zügel in der Hand, um sie davor zu schützen, dass andere Menschen sie fotografieren und die Fotos veröffentlichen. Mari wird’s nie entscheiden können, sie werden wir auch nie zeigen.
Sie ist übrigens auch die Einzige, deren Namen wir preisgegeben haben – und das auch eigentlich nur über ein Versehen einer Journalistin. Sie hatte uns eigentlich versprochen, den Namen nicht zu nennen und hat ihn dann doch genannt.
Interessant ist auch: Wir waren eingeladen zu einer großen Talkshow, sie wollten einen Bericht über uns drehen. Als wir dann gesagt haben, dass wir die Kinder nicht von vorne zeigen, haben sie abgesagt. Anstatt das zu unterstützen, haben sie gesagt: ‚Nee, dann lassen wir das.‘ Das ist eine wahre Geschichte und genauso passiert.
Denkst Du, dass Du als Schauspieler mit einem flexibleren Arbeitstag mehr Zeit für Deine Familie hast als jemand mit einer fest geregelten Arbeitswoche?
Die Flexibilität ist mit Sicherheit ein großer Vorteil. Absolut flexibel ist es aber natürlich auch bei mir nicht. Ich kriege freitags eine Dispo für die nächste Woche und weiß dann, wie ich drehe. Das ist mal mehr, mal weniger. Ich habe auch mal Nacht-Drehs. Vor Kurzem haben wir sonntags gedreht. Ich muss flexibel sein, habe aber tatsächlich am Tag mehr Zeit für die Kinder als andere Väter, das stimmt.
Wie sieht denn der Alltag bei Euch in der Familie aus?
Wirklich immer sehr unterschiedlich. Wir planen unsere Woche nach meiner Dispo. Morgens machen meine Frau und ich meist etwas im Büro, dann ist noch die Kleinste da. Wenn wir mittags frei haben, gehen wir mindestens einmal die Woche mit allen Kindern schwimmen und wir machen ab und zu Shootings für unsere Social-Media-Kanäle.
Ich muss immer mal daran denken, wie es früher bei mir war: Das war nicht so, dass mein Vater täglich mit mir und meiner Lego-Eisenbahn gespielt hat. Ich musste mich auch allein beschäftigen und das verlangen wir unseren Kindern ebenfalls ab. Also mal Langeweile haben, auch mal Frustrationen erfahren können und sich ein bisschen allein beschäftigen. Das lernen sie genauso.
Wenn sich Eure Kinder allein beschäftigen, wie gehen die Geschwister mit Mari um?
Es ist wie in anderen Familien auch: Sie streiten und sie lieben sich. Die Geschwister nehmen Mari, wie sie ist. Mari hat ja Laufen gelernt und sie läuft dann durch die Gegend, freut sich und spielt Verstecken oder schmeißt die ganze Zeit ein Bällchen in den Eimer und schüttet ihn wieder aus. Die Kleine spielt auch mit, sie kann gut mit Mari. Maris große Schwester und ihr großer Bruder kümmern sich auch mit um sie.
Mari ist manchmal das einfachste Kind von allen, weil sie in ihrer Welt wirklich glücklich ist – wenn sie nicht gerade eine Epilepsie-Phase hat. Das verlangt natürlich allen eine Menge ab, auch den anderen Kindern. Da reden wir viel mit ihnen und haben sie da ran geführt. Zuletzt gab es eine Phase, da hatte Mari 20 Anfälle. Dort haben wir versucht, statt die Kinder immer rauszuschicken, sie mit heranzuführen. Wir wollten ihnen zeigen, dass es zwar schlimm ist, aber sich alles hinbiegen lässt. Das sind harte Phasen, aber die schweißen mehr zusammen. Nicht nur meine Frau und mich, sondern auch die ganze Familie.
Das klingt auch alles so, dass Ihr das gut hinbekommt. Noch eine letzte Frage: Was möchtest Du Deinen Kindern mitgeben auf den Weg ins Leben?
Werde bloß nicht Schauspieler! (lacht) Das ist bei mir gut ausgegangen, sagen wir mal so. Aber ich hatte wirklich, wirklich harte Zeiten. Ich konnte mir teilweise kein Essen kaufen. Jetzt funktioniert es ganz toll und ich bin sehr glücklich und lebe ein Leben, von dem ich damals niemals zu träumen gewagt hätte. Es muss nicht so schwer sein für jeden. Was ich meinen Kindern mit auf den Weg geben möchte, ist, dass sie – zumindest im Geiste – immer Kind bleiben sollten. Auch wenn das ausgelutscht klingt, aber das habe ich mir immer bewahrt und dadurch viele Dinge wesentlich leichter meistern können.