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Rauf und runter - Wenn die Grenzen der Stadt zu klein werden
In New York gibt es alles – außer Platz und Natur. Im Gedränge Manhattans beruhigt wenig Grün das Auge, und das frische Gemüse auf dem Wochenmarkt kommt ebenfalls von außerhalb. Das wollen ein paar findige Geister nicht einfach hinnehmen. Sie schauen genauer hin: Wo wäre denn noch ein Fleckchen, an dem wir trotz alledem Grünzeug pflanzen könnten? Auf dem Dach. Und unter dem Asphalt.
Rauf
Mit Gemüse wollen sie hoch hinaus. Doch vorher müssen die Gründer von Brooklyn Grange sicherstellen, dass ihr Traum von einer Farm mitten in der Stadt nicht gleich zu Beginn zum Albtraum wird. Schließlich haben sie sich dafür ein Dach auf einer ehemaligen Fabrik für Autoteile ausgesucht. Und auf ein Flachdach kann man eben nicht einfach Erde kippen, Samen hineinstreuen und auf Regen warten.
Die Lösung liegt in einer Mischung aus Kompost und unterschiedlich großen, porösen Steinchen, die jede Menge Wasser speichern können. Das wiegt viel weniger als Blumenerde und verhindert Riesenpfützen nach einem starken Regen. Allerdings braucht man eine Menge davon für 4000 Quadratmeter, und im Gebäude gibt es zwar einen Lastenaufzug, doch der geht nicht bis zum Dach. Wieso auch? Die Spezialerde muss also auf anderem Weg rauf – sie kommt mit Druckluft aus einer Röhre auf das Dach geschossen.
Heute wachsen auf der Rooftop Farm im New Yorker Stadtteil Queens Tomaten und Basilikum, Paprika und Kohl, Salate und Bohnen – also alles, was die Saison hergibt. Weil Brooklyn Grange so viele pralle Gemüsekisten ins Erdgeschoss bugsiert, bekommt die Farm nach einer Weile sogar ihren eigenen Aufzug.
Zu festen Zeiten dürfen auch Besucher mitfahren. Da staunen die Großstadtmenschen: So sieht also eine Möhrenpflanze aus! Nebendran zupfen ehrenamtliche Helfer Unkraut, fahren eine Schubkarre zum Komposthaufen – und genießen die frische Brise und den herrlichen Ausblick über die Stadt.
Runter
In einem anderen Teil New Yorks sprengt die Suche nach Platz eine weitere Grenze. James Ramsey mag die High Line, einen Park auf einer ehemaligen Hochbahntrasse. In seinem Viertel gibt es so etwas nicht, aber ein weiteres Relikt aus der Transportgeschichte New Yorks: ein unterirdisches Straßenbahndepot. Daraus kann man doch auch einen Park machen, findet Ramsey. Der sollte dann natürlich Lowline heißen.
In dem tiefergelegten Park sollen Besucher aber nicht etwa auf Kunstrasen wandeln. Mit moderner Technologie will der ehemalige Nasa-Ingenieur Sonnenlicht unter die Erde schicken, damit dort sogar Bäume wachsen können. Dazu denkt Ramsey das klassische Oberlicht um die Ecke: Ein Parabolspiegel sammelt die Sonnenstrahlen und leitet sie nach unten, wo eine umgedrehte Schüssel sie wiederum verteilt.
Die Idee kommt so gut an, dass Ramsey und sein Partner Dan Barasch in einer Kickstarter-Kampagne mehr als 150.000 Dollar einsammeln. Mit dem Geld bauen sie einen Prototyp – und zeigen, dass diese neuartige Solartechnik tatsächlich funktionieren würde. Bis daraus ein ganzer Park wird, soll es noch etwa drei Jahre dauern. Im September 2015 öffnet schon mal das „Lowline Lab“: ein Kulturzentrum mit der neuesten Solartechnologie, in dem Experimente mit Beleuchtung und Gartenbau stattfinden.
Header-Foto Copyright: Anastasia Plakias