Digital Life
Papierbuch vs. E-Book – oder die Liebe zum geschriebenen Wort
Ich entstamme einer langen Linie von Leseratten, denn in unserer Familie werden uns Bücher quasi in die Wiege gelegt. Eine meiner schönsten Kindheitserinnerungen ist, wie man mir vor dem Schlafengehen vorgelesen hat oder wie meine Großmutter versuchte mir bereits im Kindergartenalter das Alphabet beizubringen, damit ich selbst lesen kann – wobei sich der Erfolg in Grenzen hielt.
Überhaupt spielen Bücher in meiner Familie eine große Rolle, und obwohl zu meinen Vorfahren auch ein paar Autoren und Journalisten zählen, möchte ich nicht behaupten, dass wir überdurchschnittlich intellektuell wären Nein, es ist eher eine vererbte Leidenschaft für spannende Geschichten. Zwar gibt es bei uns zuhause die Regel, dass jedes dritte Buch, einem gewissen inhaltlichem Anspruch genügen sollte. Aber nur selten ist es mir gelungen, diese Regel zu befolgen.
Ein Kampf gegen die Besitzgier
Aber wie so oft im Leben bringt eine große Leidenschaft Vor- und Nachteile mit sich. Die Nachteile äußern sich vor allem dann, wenn die Liebe zum Lesen gepaart ist mit einem ausgeprägten Sammlertrieb. Ich kann mich von Büchern nicht trennen – und damit meine ich noch nicht mal, dass ich die Bücher wegschmeiße. Das wäre für mich und die meisten Mitglieder meiner Familie sowieso absolut unvorstellbar. Schon oft musste ich verhindern, dass meine Mutter Bücher vom Sperrmüll mitnimmt, um Ihnen ein neues Zuhause zu geben. Selbst das Aussortieren von Büchern um sie z.B. zu spenden oder an andere Leseratten weiter zu verschenken, ist ein kräftezerrender Kampf gegen mich und meine Besitzgier. Da muss ich mir manchmal die Frage stellen, ob ich eigentlich für mich Miete zahle oder eher für meine Bücher, denn die nehmen mittlerweile eindeutig mehr Platz ein als ich.
Und das ist noch nicht mal mein größtes Problem, denn der richtige Horror beginnt für mich erst dann, wenn ich für den Urlaub packen muss. Mein Göttergatte muss mich nie ermahnen, nicht so viele Schuhe einzupacken. Nein, er feilscht mit mir um jedes Buch, das ich mitnehmen möchte. Denn ich lese nicht nur viel, sondern auch schnell, was bedeutet, dass ich in zwei Wochen Urlaub schon vier bis sechs Bücher dabei haben muss.
Mein E-Book und ich
Umso bahnbrechender war für mich Erfindung des E-Books. Seit ich 2010 meine Büchersammlung mit dem Amazon Kindle ergänze, haben sich all diese Probleme in Wohlgefallen aufgelöst. Als Amazon-Nutzerin lag der Griff zum Kindle irgendwie nahe. Keinen Tag habe ich diesen Entschluss bereut, denn das E-Book hat mein „Lese-Leben“ um so vieles leichter und unkomplizierter gemacht.
Fangen wir mit den offensichtlichen Vorteilen an: Der Kindle passt mit seinen handlichen Maßen selbst in die kleinsten meiner Handtaschen und so habe ich jederzeit die mir wichtigsten 100 Bücher bei mir. Das wiederum ermöglicht mir, jede freie Minute, z.B. beim Warten an der Bahnhaltestelle, mit meinem Hobby zu verbringen. So nutze ich meine freie Zeit sinnvoll und effizient.
Sinnvoll und effizient gestaltet sich, dank des Kindles, auch mein Kaufverhalten. Empfiehlt mir jemand ein Buch oder lese ich eine Rezension, die mein Interesse weckt, hole ich meinen Kindle heraus und lade mir schnell das kostenlose Probekapitel des entsprechenden Buches herunter.
Das hat zwei Vorteile: Erstens kann ich das Buch nicht mehr vergessen, weil es jetzt in meiner Bibliothek auf dem Kindle ist. Zweitens kann ich mich so erst mal in Ruhe reinlesen, feststellen ob mich das Buch überhaupt fesselt und spare am Ende des Tages auch wieder eine Menge Geld, weil ich wirklich nur noch Bücher kaufe, die ich auch tatsächlich lese. Und das ist, seit ich E-Book-Nutzerin bin, wieder viel mehr geworden.
So ganz nebenbei haben sich übrigens auch die – lange ignorierten – Klassiker der großen Dichter wieder in mein Leben geschlichen. Viele E-Book-Anbieter, wenn nicht sogar alle, bieten klassische Literatur umsonst an, und so habe ich mir jetzt ein paar Sachen runter geladen, die ohne E-Book ihren Weg wahrscheinlich nicht zwingend in mein Regal gefunden hätten. So lese ich gerade „Dracula“ von Bram Stoker in Englisch, weil ich es kostenlos verfügbar war. Das ist zwar noch nicht Shakespeare oder Goethe, aber trotzdem ein Klassiker der Literatur, der erstaunlich poetisch geschrieben ist. Ohne E-Book hätte ich diese Bereicherung meiner Büchersammlung wohl verpasst.
Hierbei erweist sich nebenbei noch eine weitere Funktion des Kindles als äußerst nützlich für mich. Ich versuche mindestens 50% der Bücher, die ich konsumiere, in Englisch zu lesen, und obwohl ich fließend zweisprachig bin, gibt es auch für mich hier und da Wörter oder Redewendungen, die mir nicht bekannt sind. Mit einem Kindle ist das kein Problem. Der eingebaute Duden hilft mir, jeden Text inhaltlich verstehen zu können, indem ich einfach das Wort oder den Satz anklicke und mir die Definition anzeigen lassen.
Und noch ein Problem löst der Kindle für mich: Nichts finde ich schlimmer als den Umstand, dass ich ein bestimmtes Buch – sei es eine Fortsetzung oder das Werk eines bekannten Autors – nicht sofort erwerben kann. Wir leben in einer Zeit und auch in einer Gesellschaft, in der die Zeit selbst, das kostbarste Gut geworden ist. Wer hat da schon die Muse zu warten bis er zur nächsten Buchhandlung kommt oder das ersehnte Amazon-Päckchen eintrifft? Jetzt muss ich das auch nicht mehr, denn ein Klick und ich habe das Objekt meiner Begierde auf meinem Kindle.
Fazit
Ich gestehe: Ich bin süchtig nach geschriebenen Geschichten, aber wie ich sie konsumiere – ob auf Papier oder auf dem Display – ist für mich zweitrangig.
Vielleicht stimmt es auch, dass Menschen, die ein E-Book ihr Eigen nennen, dazu beitragen, dass Buchhandlungen und gewisse Berufe aussterben. Das macht mich traurig, aber noch trauriger wäre ich, wenn das Format „Buch“ grundsätzlich aussterben würde, einfach weil es „unpraktisch“ ist. Der Mensch hat seine Ansprüche und Bedürfnisse weiterentwickelt und das E-Book ist die evolutionäre Anpassung an den aktuellen Zeitgeist – und insofern für mich ein weiterer Freund des geschriebenen Wortes. Denn am Ende des Tages geht es immer nur um die Geschichten an sich.
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