Digital Life
Richtig vernetzt – So klappt’s auch mit den Nachbarn
Nachbarschaftsnetzwerke ermöglichen es, soziale Kontakte zu schließen und unkompliziert Menschen in deiner Umgebung zu treffen. Welche Netzwerke es gibt, warum du sie ausprobieren solltest und was du dabei beachten musst, erfährst du hier. Auch Anastasia hat in der neuen Folge von Einfach Digital ein Auge auf das Thema geworfen.
Seit Stunden sitzt Herr H. am Fenster und beobachtet die Straße. Er hat ansonsten nicht viel zu tun, denn dank seinem schmerzenden Knie fällt es ihm schwer, die vielen Treppen im Mehrfamilienhaus hoch und runter zu laufen. Wenn ihm die Decke auf den Kopf fällt, zwingt er sich trotzdem dazu und spaziert durch die Straßen. Doch allzu oft verbringt er den Tag im Sessel, der dicht am Wohnzimmerfenster steht. Ansonsten bieten Fernseher und Tablet noch etwas Abwechslung. So hat er wenigstens ein bisschen das Gefühl, Teil der bunten Welt da draußen zu sein.
Mark und Andreas sind noch neu in der Stadt. Sie sind erst vor zwei Wochen hierhergezogen und haben durch den Umzug Freunde und Familie 200 Kilometer hinter sich gelassen. Noch fühlen sie sich nicht angekommen, dazu fehlt einfach der Kontakt zu den anderen in der Gegend. Sobald sie den letzten Karton ausgepackt haben, wollen sie jedoch versuchen, Anschluss zu finden.
Zwei verschiedene Alltagssituationen, die eine Gemeinsamkeit haben: Menschen, die sich sozialen Kontakt und vielleicht auch etwas Hilfe wünschen. In der digitalen Welt ist dieser Kontakt mit einem Klick zu finden. Dank der sogenannten Nachbarschaftsnetzwerke kann man in der direkten Umgebung unkompliziert Kontakt zu anderen Menschen suchen, die ähnliche Interessen teilen oder ihre Hilfe anbieten.
Soziales Netzwerk – Was ist das überhaupt?
Das sogenannte Schwarze Brett dürfte den meisten noch ein Begriff sein: Eine Pinnwand, die über und über mit vielen bunten Zetteln bestückt ist. Auf diesen werde Gesuche und Angebote verbreitet. Jemand sucht beispielsweise nach einem Gassigänger, ein anderer möchte ein Zimmer vermieten und so weiter. Die Nachbarschaftsnetzwerke kann man als digitales Gegenstück verstehen. Hier treffen sich Nachbarn bzw. Bewohner einer bestimmten Gegend, um Neuigkeiten auszutauschen, Veranstaltungen zu planen, Termine zu vereinbaren oder auch Einladungen zu veröffentlichen. Auch Hilfegesuche und Angebote sind hier zu finden.
Neben diesen reinen Nachbarschaftsnetzwerken, die zumeist einen gemeinnützigen Zweck verfolgen und ehrenamtlich betrieben werden, haben sich einige Portale etabliert, die gezielt Dienstleistungen in der Nachbarschaft anbieten. Auch diese sind als soziale Netzwerke sehr beliebt, um beispielsweise einen Babysitter oder eine Einkaufshilfe zu finden.
Die Nachbarschaftsnetzwerke kamen im Zuge von Social Media auf. Facebook, Twitter und Co. dürften den meisten ein Begriff sein, einige haben vielleicht auch entsprechende Profile. Der große Unterschied: Diese Plattformen richten sich an alle Menschen weltweit. Es fällt schwer, hier gezielt Leute aus der Nachbarschaft anzusprechen. Daher macht es wenig Sinn, dort einen Babysitter zu suchen. Auf Facebook funktioniert das schon etwas besser, wenn man sich in einer der Gruppen für die eigene Region anmeldet. Doch hier fehlt die Kontrolle, ob es wirklich nur Menschen vor Ort sind, oder ob hier jemand anderes als sogenannter Troll, eine Person, welche online nur provozieren möchte, mitmischt.
Um genau das zu verhindern, entstand die Idee, eine geschlossenen Online-Community zu gründen, für die man einen Beleg über den angegebenen Wohnort benötigt. Die Idee der Nachbarschaftsnetzwerke war geboren. Wenn du nun Angst um deine Daten hast, kannst du aufatmen: Manche Plattformen schicken dir Post mit einem entsprechenden Code zum Anmelden zu. So ist gewährleistet, dass die Anmeldedaten korrekt sind. Diese werden jedoch nicht veröffentlicht, sondern nur beim Anbieter hinterlegt. Somit ist es jedem selbst überlassen, was er über sich in den Nachbarschaftsnetzwerken verraten möchte.
Wozu braucht man überhaupt solche Nachbarschaftsnetzwerke?
Gewissermaßen kann man diese Netzwerke als Einrichtung gegen die ausbreitende soziale Vereinsamung sehen. Gerade Menschen, die neu in einer Stadt sind, sich schwer tun mit einer Kontaktaufnahme oder auch ältere sowie eingeschränkte Personen fallen leicht durch das Raster. Die üblichen Anlaufstellen, um andere Menschen zu treffen, wie etwa Veranstaltungen oder Freizeitaktivitäten, kommen oft aus diversen Gründen nicht in Frage.
Online fällt es vielen Menschen dagegen leichter, Kontakte zu knüpfen. Da ist die Idee der Nachbarschaftsnetzwerke so ideal wie simpel: Anstatt von Tür zu Tür zu laufen, um jeden direkt kennenzulernen, findet dieser Prozess digital statt. So lassen sich Menschen aus der Nachbarschaft einfacher und direkter ansprechen und schneller gemeinsame Interessen finden.
Ob du dann den Schritt weitergehst und diese Kontakte aus der Online-Welt in die Offline-Welt überträgst, bleibt dir natürlich selbst überlassen. Die Hemmschwelle wurde aber durch die sozialen Netzwerke bereits reduziert. Und wer weiß, vielleicht reicht dieser Anstoß für einige bereits aus, um die sicheren vier Wände zu verlassen und die Menschen am anderen Bildschirm live und in Farbe kennenzulernen.
Natürlich dienen die Nachbarschaftsnetzwerke nicht nur dem freundschaftlichen Kontakt, sie sind auch eine gute Möglichkeit, um sich Hilfe zu suchen. Diese reicht von kleinen Dienstleistungen bis hin zu regelmäßigen Minijobbern, die dir bei anfallendem Alltagskram unkompliziert helfen.
Und noch ein weiterer Gedanke fällt bei diesen Netzwerken auf fruchtbaren Boden: die Nachhaltigkeit. Warum solltest du dir beispielsweise eine lange Leiter kaufen, wenn in der Nachbarschaft Leute ihre eigenen Leitern zum Ausleihen anbieten? So kannst du wertvolle Ressourcen sparen. Sachen, die ansonsten nur herumstehen und einstauben, werden regelmäßig genutzt. Die üblichen Angebote reichen vom Rasenmäher über allerlei Werkzeug bis hin zum Auto.
Doch auch vor Essen machen diese sozialen Netzwerke nicht halt. Es gibt bereits eine große Community, die sich dem nachhaltigen Konsum verschrieben hat und versucht, so wenig Essen wie möglich wegzuwerfen. In mehreren Städten existieren bereits verschiedene Anlaufstellen, um Essen zu tauschen oder abzugeben. Übrigens: Wer gerne sammelt, kann auf der Website mundraub.org lokale Stellen finden, an denen man z. B. legal Kräuter, Nüsse und Obst sammeln darf.
So findest du dein ideales soziales Netzwerk
Bevor du dich nun an den Computer setzt und munter überall anmeldest, solltest du kurz innehalten und dir Folgendes überlegen: Was wünsche ich mir? Suche ich nach freundschaftlichen Kontakten in der Nachbarschaft oder doch eher nach Unterstützung im Alltag? Möchte ich mich allgemein austauschen oder habe ich konkrete Fragen, zu denen ich Antworten suche? Je nachdem, wie diese Überlegung ausfällt, kann eines der folgenden sozialen Netzwerke interessant sein:
nebenan.de
- Zweck: Typisches Nachbarschaftsnetzwerk – Nachbarn kennenlernen, Kontakte aufbauen und vertiefen, sich gegenseitig helfen
- Nutzung am Computer oder per App
- Benutzerkonto nur im nachgewiesenen Wohnort
- Wenn es die Nachbarschaft noch nicht gibt, kann man diese selbst gründen und Nachbarn per Flyer mit Code einladen
- Zur Anmeldung benötigt man Personalausweis, Verifizierungscode per Post oder GPS-Nachweis
- Anmeldung kostenlos
- Datenschutz wird durch externe Datenschutzbeauftragte überprüft
- Die Plattform analysiert das Nutzerverhalten durch verschiedene Technologien
- Kontaktaufnahme nur vor Ort und mit angrenzenden Nachbarschaften
- Geplant sind etwa 30.000 Nachbarschaften, Stand: Januar 2019 sind etwa 7.200 bisher aktiviert
Mehr zu nebenan.de erfährst du übrigens in der dritten Episode von Einfach Digital mit Anastasia.
Nachbarschaft.net
- Zweck: Typisches Nachbarschaftsnetzwerk – Kontakt zu anderen Nachbarn erleichtern; ähnelt einem Flirtportal
- Nutzung am Computer oder per App
- Anmeldung mit Social Media-Account, z. B. Facebook, oder Mailadresse; dadurch Zugang zu öffentlichen Infos
- Kostenlose Anmeldung
- Geschlossene Infos nur an verifizierte Nutzer
- Nicht verifizierte Nutzer können keine Beiträge schreiben und keinen Kontakt zu anderen aufnehmen
- Verifizierung durch Telefonanruf
- Genauen Wohnort bzw. Standort kann man verschleiern
- Interaktive Karte mit verschiedenen Standorten
- Nutzungsprinzip wie bei Tinder: Nachbarn werden mit Profil angezeigt, durch Wischen nach rechts oder links kann man Interesse zum Kennenlernen bzw. kein Interesse signalisieren
Nextdoor.de
- Zweck: Typisches Nachbarschaftsnetzwerk – Nachbarn sollen sich finden und zusammenarbeiten, um ihre Gemeinschaft zu stärken
- Nutzung am Computer oder per App
- Eine Plattform, die in den USA gegründet wurde und seit 2017 auch in Deutschland verfügbar ist
- Anmeldung mit realem Namen und Wohnort
- Anmeldung kostenlos
- Adressbestätigung per Postkarte und Zugangscode, Einladung von bereits registrierten Nachbarn, Anruf vom Anbieter auf Festnetztelefon
- Wenn die eigene Nachbarschaft noch nicht vertreten ist, kann man diese selbst als sogenannter Nextdoor-Botschafter gründen und in einem bestimmten Zeitraum neue Nachbarn akquirieren
- Nach eigenen Angaben weltweit mehr als 160.000 Nachbarschaften; in Deutschland noch im Aufbau
- Nextdoor setzt auf Datenschutz und Sicherheit, indem Beiträge nicht öffentlich angezeigt werden, sondern nur innerhalb der Community zu lesen sind
Betreut.de
- Zweck: Hilfe im Alltag finden und anbieten
- Angebot umfasst Haushaltshilfe, Gärtner, Betreuung von Kindern, Nachhilfe, Betreuung von Tieren und Handwerker
- Nutzung am Computer oder per App
- Anmeldung kostenlos, Nutzung von wichtigen Features, wie etwa Kontaktaufnahme, ist kostenpflichtig
- Abonnements mit unterschiedlichen Laufzeiten stehen zur Auswahl, Kündigungsfristen beachten, da die Abos ansonsten weiterlaufen
- Mitglieder können regional nach Dienstleistungen suchen oder diese anbieten
- Profile der Dienstleister können u. a. Verfügbarkeit und Qualifikationen beinhalten
- Dienstleister werden nach Erfahrung eingeteilt
- Ratgeber beinhaltet interessante Infos rund um die Betreuersuche und darüber hinaus, wie etwa Honorarhöhe in der entsprechenden Region, Ablauf einer Bewerbung usw.
Foodsharing.de
- Zweck: Verteilen von überflüssigen Lebensmitteln, um so deren Wegwerfen zu verhindern
- Konzept: von privat an privat Lebensmittel oder auch gewerbliche Überproduktion abgeben
- Auf der Website gibt es eine interaktive Karte mit Orten, an denen Essen verschenkt wird
- Einträge öffentlich sichtbar, damit auch Personen, die sich nicht einloggen wollen, die Möglichkeit haben, Lebensmittel zu bekommen
- Anmeldung kostenlos und per E-Mail
- Austausch mit Mitgliedern per Nachricht oder Beiträgen
- Abhängig von Spenden; wird ehrenamtlich betrieben
Warum du dich anmelden solltest
Jeder kann von diesen Nachbarschaftsnetzwerken profitieren, wenn er das denn möchte. Egal, ob du nun Tipps für den besten glutenfreien Bäcker in der Umgebung haben möchtest, die Notfallapotheke am Sonntag suchst oder einfach mal wieder einen Kaffee mit neuen Leuten trinken möchtest – hier hast du die Chance dazu.
Zudem kannst du sehr schnell in eine Situation geraten, in der du unkomplizierte Hilfe benötigst. Wer beispielsweise im 5. Stock ohne Aufzug wohnt, möchte mit einem verstauchten Knöchel vielleicht nicht dreimal am Tag den Vierbeiner Gassi führen. Da bietet es sich an, online die Nachbarn zu fragen, ob jemand die Möglichkeit hat, den Hund einmal um den Block zu führen.
Doch es geht nicht nur um das eigene Wohl, sondern auch um das Gemeinwohl: Du kannst so auch anderen etwas Gutes tun! Das reicht von der Hilfe beim Einkauf oder dem Verleih eines Hammers bis zu einem netten Gespräch, das die Einsamkeit vertreibt. Wir sind soziale Wesen und als solche ist es überaus wichtig, dass wir auch ein wenig aufeinander achten. Hierfür kann jeder im Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten etwas tun.
Dabei fällt es dem einen leichter, anonym einen Tipp zum Zahnarztbesuch zu geben. Der andere hilft gerne aktiv beim Umzug oder beaufsichtigt das Kind des alleinerziehenden Elternteils. Der nächste wiederum kann beim eigenen Weg zum Wertstoffhof auch noch das Papier des Nachbarn mitnehmen. Das ist alles überaus wertvoll und kann eine Gemeinschaft stärken, in der man etwas mehr aufeinander achtet. So können wir gemeinsam den Alltag eines jeden etwas erleichtern und auch verschönern.
Gibt es Nachteile bei Nachbarschaftsnetzwerken?
Wenn viele unterschiedliche Menschen zusammenkommen, besteht immer die Gefahr, dass es Unstimmigkeiten und gar Streit gibt. Daher ist eine offene, freundliche Kommunikation grundlegend. Ziel ist, dass jeder Mensch so angenommen wird wie er ist. Rassismus und Sexismus müssen hier draußen bleiben. Wer das nicht kann, sollte sich gar nicht erst anmelden!
Wenn es digitale Kontakte ins echte Leben schaffen, kann das ebenfalls zu typischen menschlichen Zwischenfällen führen. Etwa dann, wenn der eine das alles als unverbindliche Hilfeleistung sieht und der andere schon die Best-Friends-Forever-Armbänder knüpft. Da fühlt man sich schnell unter ständiger Beobachtung, obwohl man doch eigentlich nur nett sein wollte. Mit ein bisschen Achtsamkeit und guter Kommunikation lassen sich solche Situationen größtenteils umgehen, aber natürlich sind Missverständnisse Teil unserer Natur und können nicht immer zu 100 Prozent vermieden werden – weder online noch offline.
Der Vorteil der Lokalität kann ein Nachteil werden, wenn die eigenen Daten nicht richtig geschützt werden. Daher ist es wichtig, dass du dir vor der Anmeldung die jeweiligen Datenschutzrichtlinien durchliest und überlegst, ob du damit einverstanden bist. Zudem solltest du bei den kostenlosen Varianten immer im Hinterkopf behalten, dass du wahrscheinlich mit deinen Daten bezahlst. Das heißt im Klartext, dass die Daten an Dritte weitergegeben werden, um Werbung und Ähnliches auf eine bestimmte Personengruppe zuschneiden zu können.
Auf gute Nachbarschaft!
Der Blick aus dem Fenster wird auf Dauer zu langweilig, daher hat Herr H. sich sein Tablet geschnappt und surft ein wenig im Internet umher. Aus einer Laune heraus ist er bei einem sozialen Nachbarschaftsnetz gelandet, das seine Stadt auf ihrer Website empfiehlt. Nach wenigen Klicks und einem Anruf ist er nun Mitglied und redet inzwischen mit einem Herrn E., der gerade einmal zwei Häuser weiter wohnt. Ob das der Beginn einer neuen Freundschaft ist?
Mark und Andreas dagegen tummeln sich spontan auf dem weitläufigen Hofflohmarkt, der im sozialen Netzwerk angekündigt wurde. Sie haben sich gemeinsam angemeldet und schon viele Veranstaltungstipps für die Umgebung gefunden. Auch ein paar nette Kontakte waren dabei, die sich sicherlich vertiefen lassen. Die beiden wollen nun erst einmal entspannt zu zweit ihren neuen Wohnort erkunden und ihre Wohnung mit ein paar Schnäppchen schmücken.
Genau dazu sind die Nachbarschaftsnetzwerke ideal: unkompliziert den eigenen Wohnort mitsamt den Nachbarn kennenlernen. Und wenn du einen ganzen Schwung an neuen Kontakten gesammelt hast, kannst du spannende Unternehmungen planen, wie z. B. Geocaching. Bei solchen Abenteuern in der freien Natur läuft das Kennenlernen ganz von selbst. Was auch Anastasia in der neuen Folge von Einfach Digital festgestellt hat: Wenn sich alle gut verstehen, kann zukünftig eine gemeinsame Chatgruppe helfen, alle unter einen Hut zu bekommen. Dann heißt es für alle: Der Nachbar – dein Freund und Helfer.