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Lücke in der Katastrophenhilfe schließen – Wie die Deutsche Luftschiff Rettung helfen kann
Um die weltweite Hilfe in Katastrophengebieten zu verbessern, gründete Michael Krebs den Verein Deutsche Luftschiff Rettung e.V. Denn derzeit dauert es laut Krebs noch zu lange, bis Hilfsgüter die Bedürftigen in den betroffenen Gebieten erreichen. Die Idee des 46-Jährigen: die logistischen Probleme durch den Einsatz von Luftschiffen zu lösen. Anfang nächsten Jahres möchte er das erste Luftschiff kaufen. Unsere Autorin Miriam hatte die Gelegenheit, ihm einige Fragen zu stellen: Wie kam er zu seiner Idee und was treibt ihn an?
Hallo Herr Krebs: Sie haben den Verein Deutsche Luftschiff Rettung e. V. gegründet. Ihr Motto lautet: Wir retten Menschenleben – mit den modernsten Luftschiffen der Welt. Erzählen Sie kurz: Was steckt hinter dem Projekt?
Katastrophenhilfe kommt bislang immer da an, wo sie nicht gebraucht wird: am Flughafen. Von dort müssen die Güter umständlich weitergeleitet und umgeladen werden. Das kostet wertvolle Zeit. Bis die Bedürftigen tatsächlich dringend Benötigtes in den Händen halten, kann bis zu einer Woche Zeit vergehen. Und mir brennt es unter den Nägeln, diese Lücke zu schließen. Durch unsere Rettungs-Luftschiffe werden wir in der Lage sein, das Zeitfenster zwischen der Alarmierung und dem Eintreffen der ersten großen Mengen Hilfsgüter massiv zu verkürzen. Unsere Luftschiffe sind das perfekte Transportmittel: effektiv, unabhängig und punktgenau. Keine Frage: Naturkatastrophen wie Tsunamis, Erdbeben, Stürme oder Hochwasser sind logistisch eine enorme Herausforderung. Die größte Herausforderung in der Katastrophenhilfe ist, dass sehr viele Menschen schnell, wirksam und zur gleichen Zeit versorgt werden müssen. Mit unseren speziellen Luftschiffen können wir Menschen aus Katastrophengebieten retten, die von jeglicher Infrastruktur abgeschnittenen sind und denen mit heutigen Hilfskonzepten nicht geholfen werden kann.
Ganz aktuell auch die Flüchtlingslage: Sobald wir Luftschiffe haben, können wir die Flüchtlinge dort versorgen, wo sie sich gegenwärtig aufhalten. Menschen bewegen sich. Sie wandern von einer Grenze zur anderen. Ein Luftschiff kann da mithalten: Es lädt Lebensmittel, Decken und Medikamente an einer bestimmten Stelle ab und auch wieder auf.
Was war der Auslöser für Ihre Idee, den Verein „Deutsche Luftschiff Rettung“ zu gründen? Können Sie uns in wenigen Sätzen schildern, was Sie antreibt?
Mein Engagement hängt mit dem Tsunami vom 26.12.2004 zusammen. Eine Frage ließ mich seitdem nicht mehr schlafen: Mit welchen Mitteln kann man Menschen in völlig unerreichbaren Gebieten sicher und unabhängig von äußeren Einflüssen möglichst schnell helfen? Damals haben viele Bewohner der vorgelagerten Inseln den Tsunami überlebt, sind dann aber gestorben, weil sie dort nicht versorgt werden konnten. Das Gleiche ist dieses Jahr im Inselstaat Vanuatu passiert: Der Zyklon Pam wütete über 83 Inseln mit 270.000 Menschen, die mit den heutigen Mitteln einfach nicht hätten versorgt werden können, noch nicht mal mit Hubschraubern. Mit unseren Luftschiffen hätte ich dort hingekonnt.
Es „parkt“ in der Luft und über einen Aufzug können mehrere Seecontainer pro Insel abgeseilt werden. In der Zeit, in der wir so die Erstversorgung leisten, kann ein großes Schiff mit Nachschub kommen. Nochmals: Diese Lücke könnte geschlossen werden. Auch für unsere Hochwasserkatastrophen sind diese Luftschiffe das perfekte Rettungs-Verkehrsmittel.
Warum setzen Sie sich persönlich für die Idee ein? Welchen Bezug haben Sie zur Rettung (aus der Luft)?
Einen Bezug zur Rettungsarbeit an sich hatte ich nicht. Es muss wohl am Helfersyndrom liegen: Mein Bedürfnis zu helfen hat sich mit der Zeit entwickelt. Der Tsunami war für mich das Schlüsselerlebnis. Dann folgte eine Katastrophenmeldung nach der anderen. Irgendwann war das Fass voll. Ich habe den Hersteller der Luftschiffe angerufen und gefragt, wann er das Luftschiff endlich fertig baut. Eigentlich habe ich nur Pläne aus dem Jahr 2002 aufgegriffen. Luftschiffe waren zwar geplant, allerdings nicht für die Katastrophenhilfe gedacht.
Nach langen Beratungen stellte sich heraus, dass es das Beste ist, einen gemeinnützigen Verein zu gründen, der dann die Luftschiffe kauft. Um sie kaufen zu können, bedarf es einer entsprechenden Menge an Spenden.
Große Katastrophen passieren nicht immer in gut zugänglichen Gebieten. Die Logistik ist kniffelig. Und der entscheidende Faktor ist die Zeit. Warum sind Ihrer Meinung nach Luftschiffe die beste Lösung?
Unsere Rettungsluftschiffe ermöglichen eine punktgenaue Soforthilfe.
Die zwei Rettungs-Luftschiffe, die wir kaufen werden, waren ursprünglich zur militärischen Überwachung vorgesehen: Sie fliegen mit Hubschraubereigenschaften und über 200 km/h. Sie transportieren Menschen, Güter und sogar medizinische Versorgungszentren – mit bis zu 500 Tonnen Gewicht und unabhängig von (zerstörten) Infrastrukturen. Ein wichtiger Punkt ist auch die absolute Allwettertauglichkeit. Zum Beispiel sind Starts und Landungen bis Windstärke 9 und nachts möglich. So kann eine ganze Menge an Menschen effektiv versorgt werden.
Der Kaufpreis der Rettungsluftschiffe wird zu 100 Prozent durch Spenden aufgebracht. Über welche Kosten sprechen wir?
Wir planen den Kauf von zwei Luftschiffen: Schon das „kleine“ wird mit 110 Metern das größte Luftschiff der Welt sein. Außerdem wird es mit 10 Tonnen Nutzlast – etwa 100 Passagieren – auch das Schiff mit der größten Transportkapazität weltweit sein. Das größere Model wird all diese Superlative aber noch toppen.
Der verbindliche zugesagte Kaufpreis des kleinen Luftschiffs beträgt 28,56 Million Euro, das große kostet 111,86 Millionen Euro. Das hört sich viel an, ist es aber nicht. Zum Vergleich: Die Kaufpreise eines normalen Linienflugzeuges liegen zwischen 315 Millionen und 415 Millionen US-Dollar. Wenn uns nur 5 Prozent der deutschen Bevölkerung (etwa 4 Millionen Menschen) einmalig 5 Euro spenden, sind das bereits 20 Millionen Euro. Und damit können wir Millionen Menschen das Leben retten.
Was muss jetzt noch passieren, damit das Projekt realisiert werden kann?
Der Stand heute ist: Sobald wir 15 Millionen Euro beisammen haben, unterschreibe ich den Kaufvertrag. Ich möchte die gesamten 28,56 Millionen Euro für das erste Rettungs-Luftschiff natürlich so schnell wie möglich zusammen bekommen. Durch unseren Kaufauftrag wird der letzte Schritt der Entwicklung ausgelöst, an dessen Schluss das fertige Luftschiff steht. Das dauert ca. 1 bis 1,5 Jahre. Bis dahin machen wir unser Projekt weiter bekannt: Wir sind überall vernetzt, bekommen internationale Presse und sind Mitte November Aussteller auf der internationalen Fachmesse AIDEX in Brüssel. Das geht rasend schnell.
Wie viele Stunden verbringen Sie in der Woche mit der Luftschiff-Rettung? Könnten Sie Hilfe beim Projekt gebrauchen?
Unbedingt. Ich arbeite derzeit zwischen zwölf und 15 Stunden am Tag. Manchmal sieben Tage die Woche. Bis Jahresende leiste ich das ehrenamtlich. Dann müssen wir umstrukturieren.
Lieber Herr Krebs, vielen Dank für das aufschlussreiche Interview.