Eine Frau wirft eine Flasche in den smarten Mülleimer Trashbot
Das Cockpit eines Teslas

Leben und Arbeiten als digitale Nomadin – Heute Bali und morgen woanders

Ubud, Bali. Ein blauer Him­mel, Reis­felder soweit das Auge reicht. Es ist 14.00 Uhr Ort­szeit und auf der Tas­tatur des Lap­tops hört man eifrig Fin­ger tip­pen. So sieht der Arbeit­splatz von Cari­na Her­rmann aus. Seit zwei Jahren ist die 34-Jährige dig­i­tale Nomadin und arbeit­et, wo und wann sie will.

Wie und warum dig­i­tale Nomaden sich für diesen Lebensstil entsch­ieden haben, wie sie ihr Geld ver­di­enen und wo sie hin­reisen, das vari­iert. Eins aber haben dig­i­tale Nomaden gemein­sam: Sie reisen gerne, besitzen in der Regel wenig, haben aber auf jeden Fall einen Lap­top und ein Smart­phone und wis­sen immer, wo es einen Inter­ne­tan­schluss gibt, selb­st auf ein­er abgele­ge­nen exo­tis­chen Insel.

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Cari­na Her­rmann hat sich vor zwei Jahren aufgemacht, um als mod­erne Nomadin durch die Welt zu ziehen und ort­sun­ab­hängig zu arbeit­en. Bis dahin hat­te sie einen unbe­fris­teten Arbeitsver­trag als Kinderkranken­schwest­er. 2013 kündigte sie ihren Job, ver­schenk­te und verkaufte ihr Hab und Gut. Was sie jet­zt noch besitzt, passt in einen Kof­fer, auch wenn Her­rmann nicht glaubt, dass das für ein erfol­gre­ich­es Unternehmen nötig ist. „Es hat mich doch gelehrt, mit wie wenig ich eigentlich glück­lich sein kann“, schreibt Her­rmann auf ihrer Seite um180grad.de.

Genau genom­men begann aber alles 2011, als die Unzufrieden­heit sie so sehr lähmte, dass selb­st das Auf­ste­hen mor­gens sinn­los erschien. Das war der Punkt, an dem sie beschloss, ihrem Leben eine 180 Grad-Wende zu geben. Heute macht die mod­erne Nomadin das, was sie mit Lei­den­schaft gerne macht, näm­lich Reisen und „andere mit Worten inspiri­eren“.

Ihren Leben­sun­ter­halt ver­di­ent sie mit Bloggen, Affil­i­ate-Mar­ket­ing, Selb­st­mar­ket­ing, Büch­er schreiben und Coachen. Um das Bloggen zu ler­nen, absolvierte Her­rmann ein Blog-Camp, den Rest brachte sich die Free­lancerin selb­st bei. Ange­fan­gen hat sie mit der Seite pinkcompass.de, einem Reise­blog für Frauen, sel­ber hinzugekom­men ist ihr Busi­ness-Blog um180grad.de. Dort gibt sie Ein­blick in ihr Leben als dig­i­tale Nomadin und vor allem ist es ein Füll­horn mit Tipps für Gle­ich­gesin­nte oder die, die es noch wer­den wollen.

Während die Touris­ten sich Balis magis­che Stadt Ubud anschauen, sitzt Her­rmann immer noch fleißig an ihrem Lap­top und schreibt an ihrem ersten Ver­lags­buch. Sie hat sich einen straf­fen Zeit­plan geset­zt und arbeit­et diszi­plin­iert. Zwei eBooks – Rat­ge­ber für allein­reisende Frauen – hat sie schon veröf­fentlicht. Auch das hat sie im Laufe der Zeit gel­ernt: sich ihren Arbeit­stag zu struk­turi­eren, denn es gibt keine Stechuhr und keinen Chef mehr, der ihr sagt, was sie tun hat. „Man kön­nte es obses­siv nen­nen, aber ich opti­miere in den let­zten zwei Jahren meinen All­t­ag und meine Auf­gaben bis zur Per­fek­tion“, schreibt sie auf ihrem Blog.

Ob sie nicht dadurch von einem Ham­ster­rad ins näch­ste gesprun­gen ist, wurde sie kür­zlich gefragt. Her­rmann musste schmun­zeln: „Der entschei­dende Unter­schied ist, das mein Arbeit­splatz nun Orte mit Blick auf Reis­felder ein­schließt und „Son­ntage“ am Strand. Ich arbeite an eige­nen Pro­jek­ten, die mir langfristig pas­sives Einkom­men ein­brin­gen, das Leben ander­er Frauen pos­i­tiv bee­in­flussen und mich mit ein­er ungekan­nten Lei­den­schaft und Eifer erfüllen. Ich weiß nicht, wie Du das siehst, aber ich mag mein Ham­ster­rad …“

Wie es sich ohne fes­ten Wohn­sitz lebt, ob ihre 180-Grad-Wende so ein­fach war, wie es klingt, und wie viel Mut es braucht, um einen sicheren Job zu kündi­gen, woll­ten wir von Cari­na Her­rmann wis­sen. Das Inter­view haben wir per Mail geführt, da Cari­na Her­rmann zu der Zeit in Ubu­tu auf Bali war.

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Cari­na, wenn Du jet­zt, auf die let­zten zwei Jahre zurückschaust, führst Du das Leben, das Du Dir vorgestellt hast?

Cari­na Her­rmann: Nein. Defin­i­tiv ein besseres. Als ich vor zwei Jahren ges­tartet bin, hat­te ich keine Ahnung, was alles möglich sein würde und was ich alles erre­ichen kann. Ich war opti­mistisch, aber doch auch ziem­lich naiv und habe mich selb­st chro­nisch unter­schätzt.

Du hast vorher als Kinderkranken­schwest­er gear­beit­et und mit Selb­st­mar­ket­ing, Affil­i­ate-Mar­ket­ing oder Bloggen nichts zu tun gehabt. Wusstest Du von Anfang an, wie Du an die Sache ran gehst?

Cari­na Her­rmann: Über­haupt nicht. Ich bin da mehr oder weniger ins kalte Wass­er gesprun­gen und habe mir „unter­wegs” alles ange­le­sen und angel­ernt, was ich brauchte, um den näch­sten Schritt gehen zu kön­nen. So ist das auch bis heute geblieben.

Es klingt ein­fach, wenn man Deinen oder den Blog ander­er dig­i­tal­en Nomaden liest. Ein halbes Jahr Vor­bere­itung, Job kündi­gen und dann geht es los. War es das auch?

Cari­na Her­rmann: Es klingt ein­fach, weil man nur wenige Worte braucht, um es zu beschreiben. Die Arbeit dahin­ter ist es nicht. Es ist sehr hart und ver­langt auch viele Opfer. Aber ich ste­he dazu: Wenn man die Lei­den­schaft und die Opfer­bere­itschaft hat, dann ist es ein­fach, sich dafür zu entschei­den. Jed­er Traum ver­langt einem eben auch etwas ab und Erfolg wird nie­man­dem geschenkt.

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Kein fes­ter Wohn­sitz, ein ganz neuer Beruf – war das eine große Umstel­lung für Dich?

Cari­na Her­rmann: Es mag selt­sam klin­gen, aber der Punkt „ohne Wohn­sitz” war wie ein Befreiungss­chlag für mich. Irgen­det­was in mir war wohl schon immer eine Nomadin. Ich habe es früher auch nie länger als ein paar Jahre an einem Ort aus­ge­hal­ten. Dann bin ich umge­zo­gen.

Ein ganz neuer Beruf war schon eine große Umstel­lung. Sehr viel Selb­st­diszi­plin musste her und nicht alles war rosarot, bloß, weil ich mir den Job qua­si selb­st erschaf­fen habe. Dinge, die man nicht lei­den kann oder nicht machen möchte, bleiben anfangs trotz­dem erhal­ten. Kaltaquise werde ich immer has­sen und war eine riesige Über­win­dung für mich. Dazu musste ich mich nun auch noch selb­st zwin­gen und kon­nte es nicht ein­mal auf einen fiesen Chef schieben.

Nomade – das klingt nach Ruh­elosigkeit für jeman­den mit einem fes­ten Wohn­sitz. Bist Du ein Unruhegeist?

Cari­na Her­rmann: Ja und nein. Ich war früher inner­lich ständig unruhig. Wie auf der Suche. Die Ironie ist: Seit ich das gefun­den habe, was ich gesucht habe, nehmen Leute an, ich sei auf der Suche.Ein Unruhegeist bin ich noch dahinge­hend, dass ich ständig neuen Input brauche. Wie ein Kind. Deswe­gen liebe ich das Reisen, weil es ständig etwas Neues zu ler­nen, zu erleben und zu sehen gibt.

Woher hast Du den Mut genom­men, diesen unsicheren Weg zu gehen, Deine Kom­fort­zone zu ver­lassen?

Cari­na Her­rmann: Ich vertrete die Ansicht, dass es nicht Mut ist, den man dafür braucht, son­dern einen gewis­sen Grad von Verzwei­flung. Der Wun­sch, der Traum und die Sucht nach etwas muss größer sein als alle Hür­den, Hin­dernisse und Opfer. Dann braucht es keinen Mut, denn dann kommt der Antrieb von alleine.Jeder, der sich schon ein­mal einen großen Traum erfüllt hat, ken­nt diesen Moment, in dem es in einem ein­fach über­schwappt und man sich endlich über­windet.

Dein Arbeit­sall­t­ag sieht ähn­lich voll­gepackt aus wie der eines Freiberu­flers in Deutsch­land. Was fehlt, sind Strand und Sonne. Außer diesen Fak­toren: Warum hast Du noch den Weg gewählt, als dig­i­tale Nomadin zu leben?

Cari­na Her­rmann: Das stimmt abso­lut. Am Ende des Tages bin ich eine Selb­st­ständi­gewie jede andere. Aber eben eine Ort­sun­ab­hängige. Let­z­tendlich habe ich also wahrschein­lich auch die gle­ichen Antriebe für die Selb­ständigkeit wie alle anderen: Ich liebe es, meine Pro­jek­te frei wählen zu kön­nen, kreativ und ohne Ein­schränkun­gen arbeit­en und leben zu kön­nen. Ich lebe kom­plett selb­st­bes­timmt. Das macht diesen Weg als Ganzes für mich so erstrebenswert. Ich entschei­de, wann, wo und an was ich arbeite. Nie­mand son­st.

Wer jet­zt Blut geleckt hat, welche Tipps kann Du geben für den ersten Schritt – außer Deinen Blog zu lesen?

Cari­na Her­rmann: Lesen. Lesen. Lesen. Ich habe, seit­dem ich ange­fan­gen habe, alles an Lit­er­atur, Blogs und eBooks ver­schlun­gen, was ich zum The­ma find­en kon­nte, und mich aktuell weit­erge­bracht hat. Das würde ich auch jedem empfehlen. Je mehr man darüber weiß, welche Möglichkeit­en es gibt oder was man machen möchte, desto höher ist die Wahrschein­lichkeit auf Erfolg und desto weniger gruselig wird der Sprung ins Ungewisse.

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