Digital Life
Kleine, geile Firmen – App Entwickler Offtime
So schön es ist, online zu sein – sonst würdet Ihr diesen Beitrag ja auch nicht lesen –, manchmal will man doch abschalten. Michael, Alex und Andreas aus Berlin haben die App Offtime entwickelt – eine App, die für einen selbst gewählten Zeitraum Apps und Anrufe blockiert und damit eine Art Auszeit vom Smartphone schafft. Die Idee finden wir toll, weshalb wir Offtime zu einer “kleinen, geilen Firma” küren. Eine “kleine, geile Firma“ ist ein Start-up oder bereits länger bestehendes Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern, das es sich kennenzulernen lohnt. Dieses Interview entstand in Kooperation mit dem Berliner Online-Stadtmagazin Mit Vergnügen.
Das Team von Offtime
Was macht Offtime ganz genau?
Wir helfen vernetzten Menschen, einfacher abzuschalten. Dafür entwickeln wir eine Software für mobile Geräte und Desktop-Computer, mit der sie einen Überblick über die eigene digitale Gerätenutzung bekommen und dann gezielte Auszeiten nehmen können, in denen sie nur eingeschränkt erreichbar sind und sich nicht länger selbst ablenken.
Und was macht Offtime ganz genau nicht?
Wir sind keine weitere App-Bude, die im Auftrag Apps vom Band produziert. Und bei OFFTIME geht es auch nicht darum, die Leute zwingend dazu zu bekommen, weniger ihr Handy zu nutzen. Uns geht es darum, dass sie ihre digitalen Geräte anders nutzen: bewusster und fokussierter darauf, was gerade wirklich wichtig ist.
Was habt ihr vor Offtime gemacht?
Alles Mögliche: Wir waren Campaigner bei NGOs, haben studiert, bereits Software und Apps entwickelt, als Designer und Social-Media-Experten gearbeitet…
Wieso habt ihr die App entwickelt?
Wir hatten das Gefühl, dass man heutzutage kaum eine Chance hat, der Hyperkonnektivität zu entkommen. Selbst, wenn man ein Jahr um die Welt reist, um abzuschalten, wartet zu Hause letztlich wieder das Smartphone und die ständige Erreichbarkeit.
Wie lange hat es von der Idee bis zur fertigen App gedauert?
Die Idee kam schon 2013 auf. Daraufhin haben wir uns in die App-Materie gefuchst. 2014 hatten wir eine Beta-Version laufen, die wir stetig verbessert haben. Im November ging dann die aktuelle Version online.
Die Frage kommt wahrscheinlich immer wieder: Warum brauchen wir eine App wie eure überhaupt? Könnten wir nicht einfach das Handy ausschalten oder leise stellen?
Theoretisch ja, aber dafür muss man eine gewisse Disziplin mitbringen, um das Handy dann auch ausgeschaltet zu lassen. Darum hilft es aus psychologischer Perspektive vielen Leuten, wenn ein Dritter, also die App, mit erhobenem Zeigefinger dasteht und die Person an seine Auszeit erinnert.
Wie nutzt ihr die App eigentlich selbst?
Für mich war die App bisher gar nicht so sehr beim Arbeiten, sondern privat von Nutzen. Wenn ich mit meinem Kind auf dem Spielplatz bin und nicht abgelenkt werden will, ist sie super. Früher habe ich dann doch mal aufs Smartphone geschaut, wenn eine Mail kam und war direkt wieder im Arbeitsmodus.
Würdet Ihr sagen, dass die App erfolgreich ist?
Bis Ende 2014 gab es etwa 300.000 Downloads. Ob das jetzt viel oder wenig ist, können wir gar nicht so richtig einschätzen, aber wir hatten so mit etwa 100.000 gerechnet.
Gibt es Eure App denn nur auf Deutsch oder auch in anderen Sprachen?
Auf Deutsch und Englisch, aber wir wollen sie auch noch in anderen Sprachen rausbringen.
Eure App ist kostenlos. Wie finanziert Ihr Euch?
Durch Premium-Funktionen in der App, zum Beispiel die Synchronisation mit dem Kalender von Personen. Die App weiß dann immer schon im Voraus, wann eine Person gerade eine „Offtime” braucht.
Heißt das, sobald Offtime aktiviert ist, hat man keine Chance mehr, an irgendeine App im Smartphone zu gelangen?
Ja, aber Anrufe funktionieren weiterhin. Denn wenn man mit seinem Smartphone rumspielt, ist das ja meist nicht der Fall, weil man jemanden anruft.
Und wenn etwas Wichtiges passiert? Wenn zum Beispiel eine wichtige Mail reinkommt?
Es ist immer die Frage, was „wichtig” bedeutet. Die meisten Mails können auch später beantwortet werden.
Wie sieht Euer Desktop gerade aus?
Erfasst ihr das Nutzerverhalten Eurer Kunden? Was habt Ihr dabei über das Verhältnis Mensch/Smartphone gelernt?
Das Nutzerverhalten unserer Kunden in Bezug auf andere Apps, ihre Kontakte usw. geht uns grundsätzlich erstmal nichts an. Das erkennt Offtime zwar und bereitet es für den einzelnen Nutzer auf, aber die Daten verbleiben lokal auf jedem Handy - ein Riesenvorteil für die Privatsphäre. Allerdings haben wir in wissenschaftlichen Studien mit der Humboldt-Universität Berlin mehr gelernt. Wir konnten zeigen, dass gezielte Auszeiten vom Smartphone (mit Offtime) dazu führen, dass Menschen motivierter, entspannter und erholter werden.
Dieser Beitrag ist in Kooperation mit „Mit Vergnügen“ entstanden. Auf mitvergnuegen.com erfahrt Ihr, ob Offtime schon von ihrer kleinen Firma leben kann und welchen Vorteil es hat, in einem Co-Working-Space zu arbeiten.