Tausend Zeilen
© picture alliance / Geisler-Fotopress | Barbara Insinger/Geisler-Fotopre
Ein Junge und ein alter Mann
:

Tausend Zeilen: Die wahre Geschichte hinter dem Bully-Herbig-Film

Filmemach­er Michael „Bul­ly“ Her­big hat die Affäre um den Jour­nal­is­ten und Autor Claas Relotius auf die große Lein­wand gebracht. Der Fall ist bis heute der wahrschein­lich größte Skan­dal, der die deutsche Medi­en­land­schaft je erschüt­tert hat. Hier liest Du die wahre Geschichte hin­ter „Tausend Zeilen“.

Die wahre Geschichte hinter dem Film Tausend Zeilen

Der mit diversen Branchen­preisen aus­geze­ich­nete Jour­nal­ist Claas Relotius hat zahlre­iche Reporta­gen über­trieben und teils kom­plett her­beifan­tasiert. Er schrieb im Ver­lauf sein­er Kar­riere allein in Deutsch­land mehr als 100 Texte für renom­mierte Zeitun­gen und Zeitschriften. Darunter sind unter anderem die „Neue Zürich­er Zeitung am Son­ntag“, „Cicero“, „Finan­cial Times Deutsch­land“ und der „Spiegel“.

Tausend Zeilen | Kri­tik: Bess­er als jede erfun­dene Geschichte

Unter seinen Artikeln find­en sich vor allem Reporta­gen und Inter­views. Die meis­ten Medi­en, für die Relotius geschrieben hat, haben sofort nach dem Skan­dal gehan­delt: Sie haben die von ihm ver­fassten Artikel aufgear­beit­et und auf gefälschte Inhalte hin unter­sucht. Was sie her­aus­fan­den, ist teils haarsträubend.

Das erschreck­ende Ergeb­nis: Etwa bei einem Drit­tel der unter­sucht­en Beiträge haben die betrof­fe­nen Redak­tio­nen und Ver­lagshäuser zumin­d­est den Ver­dacht, dass die Geschicht­en über­spitzt, woan­ders abgeschrieben oder kom­plett erfun­den sein kön­nten. Zusam­menge­fasst: Claas Relotius hat Inter­views und Begeben­heit­en geschildert, die in dieser Form nie stattge­fun­den haben.

Bitte akzeptieren Sie die Nutzung von Drittanbieter-Einbindungen mit einem Klick auf den folgenden Button:

Der Film basiert lose auf einem Buch

Der Film von Bul­ly Her­big ori­en­tiert sich (frei) an dem Buch „Tausend Zeilen Lügen“ des Jour­nal­is­ten Juan Moreno (im Film: Elyas M’Barek als Juan Romero). Er war es, der 2018 den Skan­dal um Relotius aufgedeckt hat. Doch auch dieses Buch ist umstrit­ten. Claas Relotius (im Film: Jonas Nay als Lars Boge­nius) wirft Moreno vor, eben­falls nicht ganz wahrheits­gemäß zu bericht­en, wie die Süd­deutsche Zeitung schreibt.

Der Film von Michael Her­big beze­ich­net seine Darstel­lung jedoch an kein­er Stelle als Tat­sachen­schilderung. Beispiel­sweise bekom­men alle beteiligten Per­so­n­en neue Namen. Außer­dem stellt auch Her­big die Ereignisse deut­lich über­spitzt dar.

So kommt Moreno Relotius auf die Schliche

Ende 2018 arbeit­et Claas Relotius mit Juan Moreno an ein­er Reportage über Bürg­er­wehren an der Gren­ze zwis­chen den USA und Mexiko. Sie trägt den Titel „Jaegers Gren­ze“. Bei­de Jour­nal­is­ten sind für das Mag­a­zin Spiegel im Ein­satz.

Moreno fällt in der fer­ti­gen Reportage auf, dass manche Schilderun­gen nicht den Sit­u­a­tio­nen entsprechen, die er mit Relotius zusam­men erlebt hat. Moreno recher­chiert die von seinem Kol­le­gen geschilderten Fälle nach und kommt zu dem Ergeb­nis, dass Relotius frei erfun­dene „Fak­ten“ in seinen Tex­ten schildert oder Sit­u­a­tio­nen über­trieben darstellt.

Net­flix’ Blonde: Was ist die wahre Geschichte von Mar­i­lyn Mon­roe?

Der Spiegel berichtet später unter anderem, dass die Sprecherin ein­er Bürg­er­wehr, die in der Reportage the­ma­tisiert wird, sich per E-Mail an Claas Relotius gewandt habe. Sie sei auf die Reportage Jaegers Gren­ze aufmerk­sam gewor­den. Sie frage sich, wie ein Jour­nal­ist eine Reportage über ihre Gruppe schreiben könne, wenn er selb­st nie mit den Mit­gliedern gesprochen habe.

Juan Moreno sam­melt seine Ergeb­nisse über die Fälschun­gen und Übertrei­bun­gen seines Kol­le­gen, gibt sie an den Spiegel weit­er und veröf­fentlicht sie in seinem Buch Tausend Zeilen Lügen. Damit bringt Moreno eine regel­rechte Law­ine ins Rollen, die die deutsche Medi­en­land­schaft sprich­wörtlich mit sich reißt.

Bitte akzeptieren Sie die Nutzung von Drittanbieter-Einbindungen mit einem Klick auf den folgenden Button:

Tausend Zeilen und eine wahre Geschichte: Was sind die Folgen des Relotius-Skandals?

Der Skan­dal weit­et sich aus: Bei immer mehr Reporta­gen kommt der Ver­dacht auf, Relotius habe Teile oder die gesamte Sto­ry frei erfun­den. Als sich die Anschuldigun­gen mehren, kündigt der Jour­nal­ist kurz vor Wei­h­nacht­en 2018 seine Stelle beim Spiegel.

Das renom­mierte Mag­a­zin macht den Skan­dal einige Tage später öffentlich. Schnell wird klar: Claas Relotius hat im Ver­lauf sein­er jour­nal­is­tis­chen Lauf­bahn eine bis dato unbekan­nte Zahl von Artikeln und Beiträ­gen ge- oder ver­fälscht. Davon allein 14 beim Spiegel. Der Skan­dal wirft Fra­gen auf: Wie kon­nte so etwas passieren? Wer hat die Beiträge des Fälsch­ers kon­trol­liert?

Mitte 2019 veröf­fentlicht der Spiegel den Bericht ein­er eigens für den „Fall Relotius“ einge­set­zten Prü­fungskom­mis­sion. Das Ergeb­nis: Rund 60 Texte hat Claas Relotius für den Spiegel und Spiegel Online geschrieben. Etwa ein Dutzend von diesen Artikeln beze­ich­net die Unter­suchung als „hart ver­fälscht“.

Aus dem Bericht geht auch her­vor, wie sich Relotius lange Zeit unbe­merkt als Fälsch­er etablieren kon­nte. Es gibt zum dama­li­gen Zeit­punkt zwar Faktenchecker:innen in der Spiegel-Redak­tion, die alle Artikel über­prüfen. Aber: Nie­mand prüft, ob die Reporter:innen über­haupt vor Ort waren.

Der Spiegel entschuldigt sich wenig später bei seinen Leser:innen. In ein­er Stel­lung­nahme beze­ich­net das Mag­a­zin den Fall Relotius als „einen Tief­punkt in der 70-jähri­gen Geschichte des Spiegel“.

Weit­er schreibt das Mag­a­zin:

„Die selb­st gesteck­ten Ziele wur­den ver­fehlt, eigene Ansprüche weit unter­boten, alte Werte ver­let­zt, wie oft genau und in welchen Weisen, wird noch zu ermit­teln sein. Der junge Redak­teur, der den großen Reporter mimte, hat sein Büro am Son­ntag aus­geräumt und seinen Ver­trag am Mon­tag gekündigt.“

Ist Claas Relotius immer noch aktiv?

Um es kurz zu machen: nein. Der Skan­dalau­tor hat sich aus dem Jour­nal­is­mus zurück­ge­zo­gen. In einem Inter­view schildert Relotius die Zeit nach dem Skan­dal und berichtet, dass er unter psy­chis­chen Prob­le­men lei­de, verur­sacht von den Vor­wür­fen, die ihm ent­ge­genge­bracht wur­den.

Wirst Du Dir Tausend Zeilen im Kino anschauen? Schreib uns Deine Mei­n­ung in die Kom­mentare.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte Dich auch interessieren