Female
Der weibliche Blick: Künstlerinnen im Netz
Auch wenn renommierte Ausstellungshäuser Künstlerinnen endlich mehr Platz einräumen (allen voran die Tate Britain, die ein Jahr lang nur Arbeiten von Frauen zeigt), dominieren die Werke von Männern immer noch die Museen. Gut, dass das Netz da schon viel weiter ist.
Wir zeigen euch einige der spannendsten Künstlerinnen im Internet, die die Digitalisierung gleich doppelt, wenn nicht gar dreifach für sich nutzen: Sie zeigen ihre Kunst digital und sie machen digitale Kunst – und manchmal werden die Einflüsse unserer digitalen Welt darin auch zum Thema. Digitalisierung leben, mitprägen und davon profitieren, darum geht es auch in #ConnectedSheCan, der female Empowerment-Initiative von Vodafone.
Die Actiongetriebene: Petra Cortright
Man filme sich selbst in alltäglichen Situationen, bearbeite die Videos mit Gifs und Filtereffekten, stelle sie auf YouTube und versehe sie mit ganz vielen anstößigen Keywords. Fertig ist ein viraler Hit, der nicht nur Kunst im Internet thematisiert, sondern das Internet als solches herausfordert. Dahinter steckt Petra Cortright, Netz-Künstlerin aus Kalifornien. Mittlerweile hat sich die 33-Jährige auf abstrakte digitale Malerei spezialisiert. Dafür sucht sie im Netz nach Bildern, zerlegt sie in Photoshop in 100 Einzelteile, baut sie Schicht für Schicht in einem ganz anderen Zusammenhang wieder auf und verziert sie mit bunten Pinselstrichen und floralen Mustern. Digitales Action-Painting sozusagen. Das Ergebnis druckt sie auf traditionelle haptische Materialien wie Leinwand, Plexiglas oder Seide. Das gefällt nicht nur uns: Cortrights Werke wurden bereits auf der Biennale, dem Sundance Film Festival und im Museum of Contemporary Art Chicago gezeigt.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Die Ambivalente: John Yuyi
Chiang Yu-Yi, wie John Yuyi eigentlich heißt, wurde 1991 in Taiwan geboren und zählt mit 190.000 Followern zu den beliebtesten Kreativen auf Instagram. Klar also, dass sie Social Media eine Menge zu verdanken hat, wie die gelernte Modedesignerin kürzlich in einem Interview sagte: „Du brauchst kein Studio, keine Agentur. Du musst nur Sachen mit deinem iPhone posten oder mit deinem Laptop – es ist eine sehr gute Zeit, um ein Künstler zu sein.“ Und doch sind die sozialen Netzwerke Fluch und Segen zugleich für John Yuyi.
Mit ihren Werken kritisiert sie das permanente Streben unserer digitalisierten Gesellschaft nach Likes und Anerkennung. Etwa mit ihren temporären Tattoos, die sie für sich und ihre Freundinnen entwarf: Instagram- und Snapchat-Profile, Chat-Verläufe, Follower-Zahlen, Likes. Sie „tätowierte“ ihre Kunst auf Gesicht und Körper, machte Fotos, stellte die Fotos online – und war binnen kürzester Zeit ein Internet-Star. Die Bilder gingen viral, große Modemarken wie Gucci und Nike buchten sie für ihre Fashion-Kampagnen. John Yuyi lebt und arbeitet in Taipeh und New York.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram anI CANT BELIEVE. This post got removed. Smh Ok this is my face filter in real life Whatever
Die Radikale: Signe Pierce
„Ich habe mich genau so geschnitzt, dass ich aussehe wie das, was ich zerstören will“, sagt Signe Pierce über ihre Kunst. Für ihr digitales Alter Ego hat die 31-Jährige zehn Kilo abgenommen, ihre Haare blondiert und sich in ein Sexobjekt verwandelt. Die US-amerikanische Performance-Künstlerin nutzt ihre eigene Person als Spiegel, um die schamlose Diskriminierung von Frauen im Internet zu reflektieren. Da ist zum Beispiel „American Reflexxx“. Ein 14-minütiges Video, das erst auf renommierten Kunstmessen und dann online zu sehen war und mit mehr als 1,7 Millionen Klicks zum Viralhit wurde. In der Hauptrolle: Signe Pierce im hautengen Minikleid mit High Heels und verspiegelter Maske, wie sie durch ein amerikanisches Vergnügungsviertel schlendert. Mit dem sozialen Experiment wollte sie herausfinden, wie Menschen reagieren, wenn sie mit offen zur Schau gestellter Sexualität konfrontiert werden, die sie sonst nur aus dem Internet kennen. Das Ergebnis: verstörend. Pierce wird während der Aufnahmen wüst beschimpft, verfolgt und brutal zu Boden geworfen. „Ich benutze meinen Körper dazu, Aspekte der Wahrnehmung von Frauen auf eine Weise zu untersuchen, die ich keinem anderen Menschen zumuten würde“, so Signe Pierce.
Die Botschafterin: Britta Thie
Die deutsche Filmemacherin Britta Thie setzt sich in ihren Webserien und Installationen kritisch mit unserer digital vernetzten Lebenswelt auseinander. Die Wahlberlinerin studierte Experimentalfilm an der Universität der Künste in Berlin. 2015 erlangte sie mit ihrer ersten Webserie „Transatlantics“ internationales Aufsehen. Ihr neuestes Werk „Powerbanks“ ist Teil eines multimedialen Ausstellungs- und Installationsprojekts. Die Idee kam ihr in einem Einkaufszentrum in Mönchengladbach, in dem sie Jugendliche beobachtete, die in kleinen Gruppen zusammenstanden. Jeder ein Handy in der Hand, mit dem sie sich gegenseitig fotografierten und inszenierten. Gemeinsam mit den Jugendlichen drehte Britta Thie einen Pilotfilm und präsentierte das fertige Werk im Museum Abteiberg in Mönchengladbach sowie in der „Saturn“-Filiale des Einkaufszentrums. Zentrales Thema: Was macht die permanente Selbstdarstellung in den sozialen Medien mit uns und wie gehen wir mit den neuen technologischen Möglichkeiten um?
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Die Forscherin: Lucy Hardcastle
Alle Sinne einbeziehen und digitale Kunst fühlbarer machen: Das ist das Anliegen von Lucy Hardcastle. Die gebürtige Londonerin und Kreativdirektorin von Lucy Hardcastle Studio kreiert Computeranimationen, Bewegtbild und 3D-Objekte – sowohl für eigene Kreativprojekte als auch für Marken wie Chanel, Levi’s und Alexander Wang. Dabei nutzt sie Grafiksoftware und Virtual-Reality-Technologien und kombiniert diese mit traditionellem Glasbläserhandwerk. Das Ergebnis? Ist zum Beispiel in „Intangible Matter“ zu bewundern. Das futuristische Video, das sie für Chanels Parfümklassiker N°5 entwarf, ist eine digitale Reise in die chemischen und emotionalen Komponenten, die an der Entstehung eines Parfüms beteiligt sind. Hardcastle stellte sich dabei die zentrale Frage, wie ein Chanel-Parfüm wohl als Videospiel aussehen könnte. Vermutlich nicht die erste Frage, die uns in punkto Chanel in den Sinn kommt. Aber genau deshalb so kreativ. Weitere ungewöhnliche Werke von Lucy Hardcastle waren unter anderem auf der Milan Design Week zu bewundern.
Die Ungenierte: Molly Soda
Molly Soda heißt eigentlich gar nicht Molly Soda. Sondern Amalia Soto. Die 30-jährige Puerto Ricanerin ist in den USA aufgewachsen und begann bereits als Teenager zu bloggen. Mit ihrem Tumblr-Account wurde sie schließlich einem größeren Publikum bekannt. Molly Soda macht Web-Performance-Kunst, Videos, Bilder und Texte, die sie in Galerien oder online ausstellt. Und fragt sich dabei: Inwieweit beeinflussen soziale Medien unsere Schönheitsideale? Und wie können wir uns dieser Kontrolle entziehen? So zeigt die selbsternannte „Online-Exhibitionistin“ gesellschaftliche Tabus wie Periode oder Körperbehaarung ganz ungeniert im Internet. Oder veröffentlicht Nackt-Selfies und Textnachrichten aus ihrem eigenen Handy-Speicher in dem Projekt „Should I send this?“.
Tipp: Du willst täglich Kunst von tollen Frauen sehen? Dann schau bei Womensart vorbei. Künstlerin und Kuratorin PL Henderson stellt auf dieser Plattform ausschließlich Kunstwerke inspirierender Frauen vor.