Digital Life
Game over: Das war die Gamescom 2015
Die Gamescom ist die größte Videospielmesse Europas, gemessen an Fläche und Besucherzahl sogar die größte der Welt und gilt als das Pendant zur amerikanischen E3. Das Who’s Who der elektronischen Unterhaltungssoftware-Industrie gibt sich hier Jahr für Jahr die Ehre. Dieses Jahr war ich für Featured in Köln und habe der Gamescom einen Besuch abgestattet.
Du besuchst Messen und Conventions nicht regelmäßig? Du daddelst lieber entspannt vor Dich hin, als zehn Stunden wie ein Berserker „World of Warcraft“ zu zocken? Okay, willkommen in meiner Welt. Aber auch für einen Freizeit-Gamer wie mich lohnt das Spektakel – und zwar nicht zu knapp. Mit großen Kulleraugen bin ich durch die Hallen gestiefelt, habe mit Menschen gesprochen; verkleideten Menschen, genervten Menschen, Pressemenschen, Videospielmenschen und videospielenden Menschen. 800 Aussteller aus 45 Ländern zeigten auf über 190.000 qm² ihre neuesten Games und Produkte, warben um neue Mitarbeiter und inszenierten große Shows. Wahre Neuerungen konntest Du eher abseits der eigentlich Games finden, denn die großen Publisher setzen mittlerweile auf die gleiche Formel wie die Filmindustrie und ziehen Fortsetzungen und Neustarts von Franchises originären Geschichten vor..
Rise of the Dawn of the Beginning of the Next Generation IV: Part 24: (+ Add on)
Die Grafik der aktuellen Spielegeneration ist fantastisch, das kann ich mit Fug und Recht behaupten. Das wusste ich zwar auch schon vor dem Gamescom-Besuch, wenn Du allerdings den Trailer zu „Metal Gear Solid V: The Phantom Pain“ oder dem kommenden Reboot „Need for Speed“ auf Bildschirmen siehst, die ungefähr doppelt so groß sind wie Deine Wohnung, wird Dir eines klar: Du willst einen größeren Fernseher. Und zwar, um diese Grafik- und Effektgewitter mit hochauflösenden Texturen anständig genießen zu können.
Apropos Trailer. Diese sind seit jeher der Kaufanreiz für die Videospielgemeinde – auch wenn das beworbene Spiel der zigstundvierzigste Neuaufguss ist. Oder was meinst Du zum Trailer zu Metal Gear Solid V: The Phantom Pain?
Star Wars Battlefront
Ein weiteres Highlight ist einstimmig „Star Wars Battlefront“, ein Reboot der gleichnamigen Spielreihe. Du kannst Dich auf die Seite des Imperiums schlagen und für die Allianz Seite an Seite mit anderen Rebellen für die Freiheit kämpfen. Eine originäre Story liefert uns Publisher EA erneut nicht, sondern kaut brav das bestehende Filmfranchise durch. Optisch ist das Reboot allerdings ein Highlight, vor allem da der Trailer aus In-Game-Footage besteht. Vertraue der Macht und riskier einen Blick.
Was wird denn hier gespielt?
Auch wenn sich seit Jahren immer mehr Schnittstellen zwischen Videospiel- und Filmindustrie erkennen lassen – spätestens seitdem Videospielverfilmung in Mode kamen –, hege ich doch immer die leise Hoffnung, irgendwo mal innovative Geschichten und Spielkonzepte geboten zu bekommen. Stattdessen wirft Nintendo unzählig viele Games mit seinem Firmenmaskottchen Mario auf den Markt. Lego bietet mittlerweile statt analogem Kreativspiel nun digitalen Lizenzeinheitsbrei und verwurstet Kino-Blockbuster postwendend als neues Videospiel. „Rise of the Tomb Raider“, „Uncharted 4“ und „Need for Speed“ trumpfen alle mit erstaunlichen Grafiken auf und ließen das Publikum kollektiv nach Luft schnappen, schienen ihrer jeweiligen Thematik jedoch wenig Neues abzugewinnen. Schade.
Mit ein wenig Geduld und Ausdauer konntest Du aber sehr wohl auch das eine oder andere Indie-Game entdecken. Steampunk-Kloppereien wie „DieselStormers“ sind bei näherer Betrachtung jetzt auch nicht das Innovativste, aber diese kleinen Videospiel-Juwelen punkten meist durch einen eigenwilligen Look und besondere Ideen, die dank ihres Nischencharakters nie von Major-Studios angefasst werden würden. 2D-Puzzle-Adventures in Schwarz und grellen Pastellfarben – so wie „Hue“ – sind einfach nicht Mainstream genug. Etwas mehr ins Muster passt da das Horrorgame „Until Dawn“, das ein grandios erschreckendes Szenario spielbar machen will. Hast Du Dir bei Teenie-Slasher-Filmen auch immer gesagt: „Ich an deren Stelle würde …“? Dann mach es: Denn Until Dawn liefert ein bekanntes Szenario: Acht Freunde machen Urlaub in einer Berghütte. Irgendwann geht es ums nackte Überleben. Ab Spielbeginn hat jede Entscheidung, die Du triffst, eine weitreichende Folge. Ich hab für Dich den Trailer:
Echte Innovationen fanden sich im Endeffekt nicht bei den Videospielen, sondern im Zuge einiger konzeptueller Entscheidungen. Zum Beispiel jene, aus Halle 10.1 einen „Family & Friends“-Bereich zu machen. Hier gab es unter anderem Angebote wie den Kopfballsport „Headis“, die zwar völlig gegen den Videospieltrend bürsten, dafür aber eine nette Abwechslung bieten.
Eine nette Abwechslung war diese Halle übrigens auch kulinarisch. Während das vorherrschende Angebot in allen anderen Hallen aus Crèpes, heißen Würstchen und Fast Food im Allgemeinen bestand, fand der Zahlwillige in Halle 10.1 durchaus einen Salat oder Wrap.
Echtes Highlight war die Retro-Ecke: Hier konnten Eltern ihrem Nachwuchs live die nostalgische Magie von „Pac Man“ zeigen und beibringen, wie „Space Invaders“ funktioniert. Außerdem gab es eine Nintendo-Ausstellung, die jeden Fan quieken ließ – mich inklusive, was zu einigen Blicken führte, die mich komplett unberührt ließen.
Fünf kuriose Arten Messebesucher
Auf meinen langen Reisen durch die Hallen der Gamescom sind mir verschiedene Typen von Besuchern aufgefallen. Die wichtigsten habe ich hier mal zusammengestellt:
Nerd-Gamer
Schlicht und wenig subtil tragen sie ihr Fansein zur Schau – voller Stolz und in der absoluten Überzeugung, dass es „kein besseres Spiel“ als ihr Lieblingsspiel gibt, „vor allem jetzt, mit der neuen Erweiterung“. Gerne tummeln sie sich an Hardwareständen herum, verzichten nicht auf ein Selfie mit den Messe-Hostessen und haben ein Problem damit, ihrem Gegenüber Recht zu geben. Denn nur in provozierten Diskussionen, kann ein wahrer Nerd-Gamer seine Expertise zur Schau stellen … egal ob jetzt über Currywurst oder „Halo 2“.
Goody Grabbers
Sie treten in vielerlei Gestalt auf. Das seltsamste Exemplar dieser Gattung begegnete mir am Stand von „Good Games“. Während ich mich mit einer Dame über den aktuellen Videospielmarkt unterhielt, schlich ein männliches Persönchen mittleren Alters um uns herum. Mal schaute er links an mir vorbei, mal rechts, und erst als ihm die Dame kurz den Rücken zuwandte, zog er blitzschnell eine Plastetüte aus dem Nichts hervor und steckte Schlüsselbänder und Kugelschreiber ein. In der Tüte befanden sich bereits Buttons und andere Werbegeschenke. Alter und Geschlecht sind beim Goody Grabber belanglos. Vorsicht: Wenn sie sich beobachtet fühlen, erstarren Goody Grabber wie Rehe im Scheinwerferlicht.
Eltern / Pädagogen
Eine findige Gattung Messebesucher. Sie sind vor allem dadurch zu erkennen, dass sie gerne beherzt laut Fragen stellen wie „Ach und das ist jetzt dieses Spiel, für das Du immer Geld brauchst?“ oder ihre Schützlinge liebevoll bloßstellen mit Sätzen folgender Art: „Nä, komm Jonas, jetzt nicht noch ‚ne Runde, sonst wirste wieder so aggressiv. Komm lieber her, ich hab noch Apfelspalten in der Brotdose.“
Cosplayer
Durch die Entscheidung, die Halle 5.1 als Anime und Cosplay-Bereich (Das Wort „Cosplay“ kommt von „Costume” und „Play”) einzurichten, mischten sich viele Menschen mit Katzenohren und Schwertern unter die Messebesucher.
Während einige Zauberelfen aussehen wie aus einem Kölner Szenenachtclub gemietet, zeigen andere wiederum, wie beeindruckend so ein Vollbart doch aussehen kann – in Verbindung mit einem engen Sailor-Moon-Kostüm. Die Cosplayer machen die Gamescom definitiv bunter und sind immer ein Selfie wert.
Für eine handvoll Bohnen
Die Freunde von Rocket Beans TV sendeten jeden Tag live von der Gamescom 2015. Sie führten unter anderem Interviews mit Gamern, Entwicklern und zockten live mit ihren Fans. So sah das Ganze dann aus der Zuschauerperspektive aus:
Da die Jungs im Stress waren, hab ich mal darauf verzichtet, ihnen ein Interview aus den Rippen zu leiern – aber ein paar Selfies konnte ich doch noch abgreifen.
Alle Videos der Bohnen zur Gamescom und viele interessante mehr findest Du unter anderem auf dem Rocket Beans TV YouTube-Kanal.
Fazit
Die Gamescom ist eine unglaublich interessante Veranstaltung. Du solltest Dich gut vorbereiten. Check das Programm aus und mach Dir einen Plan, vielleicht sogar ein Ranking mit Dingen, die Du unbedingt sehen und/oder anspielen willst. Wartezeiten können über 60 Minuten lang sein und dass Dich jemand vorlässt, kannst Du (auf Deutsch gesagt) knicken. Aber selbst Messemuffel werden diesen bewegenden Moment verspüren, wenn plötzlich der Trailer oder die Vorankündigung zum eigenen Lieblingstitel durch die Halle dröhnt und das erste Material über die gigantischen Bildschirme flimmert. Am Ende ist die Gamescom die ideale Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten zu treffen und neue Kontakte zu knüpfen. Ich persönlich werde nächstes Jahr sicherlich wieder hinfahren.
Warst Du auf der Gamescom oder hast vor, nächstes Jahr teilzunehmen? Teil‘ Deine Erfahrungen mit uns, in den Kommentaren.