Digital Life
Tragbare Technologie: Eine Modedesignerin im Gespräch
Die Modedesignerin Pauline van Dongen entwirft Kleidung aus intelligenten Stoffen, in denen Technologie verarbeitet ist. Solche smarten Kleidungsstücke können mit uns kommunizieren, manche sogar Handys aufladen.
Die Mode der Designerin Pauline van Dongen zeigt, wie sich Technologie fast unbemerkt in unser Leben schleicht und präsentiert dafür in der Dokumentation ‚Wearable Technology’ der niederländischen Vodafone-Platform ‚Firestarters’ ein paar verblüffende Beispiele. Die bekannte niederländische Modejournalistin Aynouk Tan sprach mit einer der derzeit progressivsten Modedesignerinnen.
In der Dokumentation erklärst Du, dass Dir ‚Technologie aus dem Inneren’ sehr wichtig ist. Was genau meinst Du damit?
Mir ist lieber, wenn Technologie unsichtbar bleibt und so zu einem integralen Element von Kleidung wird. Meine Entwürfe dienen deshalb in erster Linie ihren Trägern, und richten sich weniger an deren Umgebung. Mir ist aufgefallen, dass Technologie oft als billiger Effekt genutzt wird. Nimm zum Beispiel das Kleid, das Lady Gaga auf der Bühne abheben lässt, oder beeindruckende Lightshows an Kleidungsstücken. Das wirkt dann, als hätte man dem Kleidungsstück Technologie aufgeklebt. Diese Herangehensweise an Technologie in der Mode ist mir zu platt.
Kannst Du Beispiele von Entwürfen nennen, in denen Technologie ein wesentlicher Bestandteil eines Kleidungsstücks ist?
„Vor kurzem habe ich mit der Technischen Universität Delft an einer Strickweste aus elektrisch leitendem Garn gearbeitet. Die Weste eröffnet zahlreiche medizinische Anwendungsmöglichkeiten, vor allem in der Physiotherapie. Sie registriert Bewegungen und Körperposition ihrer Träger und leitet diese Informationen als Vibration und/ oder Tonsignal an ihren Träger weiter. Mit seinen Reaktionen hilft das Kleidungsstück kontinuierlich die Körperhaltung zu optimieren.”
Welche Technik findest Du aktuell interessant und welche Kleidungsstücke würdest Du damit gerne realisieren?
„Ich würde gerne ein Kleidungsstück entwerfen, das mittels Nano-Technologie seine Form oder Dichte verändern kann. Stell Dir vor, eine Faser könnte sich weiter öffnen oder auch kompakter werden, dann ließe sich das Kleidungsstück je nach Temperatur verändern: Es könnte zum Beispiel offen, locker oder transparent, fast durchsichtig werden. In anderen Situationen könnte die Trägerin das Kleid dichter werden lassen. Ich fände es toll, wenn sich eine Textur von wollig in Richtung glatt verändert. Ein solches Kleidungsstück wäre nicht mehr nur funktional, sondern böte seiner Trägerin auch viel mehr Möglichkeiten der Selbstdarstellung.”
Du meinst, dass man seine Gefühle über die Kleidung ausdrücken kann?
„Nein. Emotion ist etwas anderes als Ausdruck. Es gibt zwar auch technologische Kleidungslösungen, die schwarz werden, wenn man traurig ist. Aber an so etwas glaube ich nicht.”
Wie verändert die Art des Ausdrucks die technologische Mode?
„Menschen nutzen Mode, um etwas nach außen zu tragen, zu kommunizieren. Mit elektrischem Garn lässt sich zum Beispiel ein multifunktionales Kleidungsstück erschaffen, das sich nicht nur wechselnden Temperaturen anpassen, sondern sich auch blitzschnell von sexy zu züchtig geschlossen verwandeln kann. Dasselbe gilt auch für meine Kleider, bei denen Licht ins Spiel kommt: Licht ist ja nicht nur multifunktional, sondern erlaubt es auch, sich selbst immer anders auszudrücken und es kann Emotionen oder Erlebnisse auslösen. Damit ermöglicht Wearable Technology ein völlig neuartiges Modeerlebnis.”
Kannst Du Beispiele technologischer Kleidungsstücke nennen, die Dich in Deiner eigenen Arbeit inspirieren?
„Ich finde die Arbeiten von Hussein Chalayan und Francis Bitonti sehr spannend. Chalayan hat 2007 einen Entwurf gezeigt, der mittels Technologie ein viktorianisches Kleid zunächst in einen Minirock und dann in eine Bluse transformierte. In Kooperation mit Swarovski hat er einen Entwurf präsentiert bei dem Diamanten Laserstrahlen reflektierten. Bitonti dagegen produziert seine Entwürfe im 3D-Druck und erstellt dazu computergenerierte Schnittmuster mittels 3D-Scans des Körpers. Obwohl seine Arbeiten aus dem Drucker kommen sind sie sehr flexibel, tragbar und persönlich.
Toll finde ich auch die Arbeiten der kanadischen Designerin Ying Gao, deren Kleider unter anderem auf Stimmen reagieren. Inspirierend finde ich vor allem wie sich ihr Material bewegt. Ihre Arbeiten haben etwas sehr Emotionales, Ätherisches; Ihr geht es eben mehr um Gefühle als um die Funktion. Interessant ist auch, dass sie mit Hilfe von Technologie auf Gefühle reagieren kann. So beweist sie, dass die Träger dank technologischer Mode sehr viele Möglichkeiten des persönlichen Ausdrucks haben.”
In der Firestarters-Dokumentation sagt Du, dass Konnektivität immer wichtiger wird. In welcher Beziehung werden Mobilfunk und Kleidung zukünftig zueinander stehen?
„Ich glaube, dass alles immer mehr vernetzt sein wird. Der Begriff ‚Internet der Dinge’ beschreibt diese Entwicklung ganz gut. Diese Vision bedeutet im Grunde genommen, dass die Dinge um uns herum analog zur Struktur des Internets funktionieren werden – weil eben alles mit allem in Verbindung steht. Ein schönes Beispiel sind diese Schlüssel mit eingebautem RFID-Chip, die Dir zeigen, wo sie sind, wenn Du sie wieder mal verlegt hast. Die Idee dahinter ist, dass Dinge ein ‚Bewusstsein’ bekommen und interaktiv werden. Ich denke, dass technologische Kleidung diese Entwicklung in Zukunft sehr stark abbilden wird, weil sie ständig und sehr nah am Körper getragen wird.“
Wie werden wir in zehn Jahren aussehen?
„Für mich ist wichtig, dass sich der Träger sein Kleidungsstück vollständig aneignet. Und das sowohl in Ausdruck wie auch Funktion. Nimm zum Beispiel die ultraleichte Jacke ‚Mesopic’, die ich zusammen mit Philips entwickelt habe. Ihre dezent eingearbeiteten LED-Lichter leuchten nicht nur nach außen, sondern auch in Richtung ihres Trägers. Damit will ich ausdrücken, dass diese Jacke in erster Linie ihrem Träger und nicht der Außenwelt dienen soll. Mit ausgeschalteten Lichtern ist es einfach eine schöne Jacke. Aber je nach Gefühlslage kann man bestimmte Lichter an- oder ausschalten. Ein solches Produkt könnte ein Vorbote sein von unserem Entwicklungsstand in zehn Jahren: Dann wird Kleidung mithilfe von 3D-Druckern nach den Vorlieben ihrer Träger maßgeschneidert werden und es wird multifunktionale Kleidungsstücke geben, die wir jeden Tag anders nutzen können. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen wird sich die führende Rolle des Designers in eine eher unterstützende Funktion wandeln.”
Foto: ©Pim Hendriksen